Auf dieses Gespräch haben wir uns lange gefreut: Drei Vertreter der profiliertesten Schweizer VARs sitzen an einen Tisch und diskutieren beim Frühstück, wie sie «ihre» Firmen heil durch die stürmische See des helvetischen IT-Business steuern wollen. Wir haben die Teilnehmer zu Beginn gebeten, den jetzigen Stand ihrer Firmen im Transformationsprozess kurz zu schildern.
Andreas Meldau,
Simultan Kleeb AG: Aus dem Zusammenschluss von Simultan und Wickert Kleeb (WKP) ergeben sich mehr Synergien als nur die Kombination von Hardware/Dienstleistungen mit Lösungen. WKP hatte einen lösungsorientierten Ansatz. Das hilft heute, die Transformation einfacher zu machen.
Doch je höher man im Marktsegment geht, desto eher werden Projekte wieder aufgesplittet. Im Umfeld von Grossfirmen reicht es nicht, als Generalunternehmer aufzutreten, sondern man muss in jedem Bereich seine Kernkompetenzen beweisen. Man muss also fokussieren und das Know-how verstärken. Auch wir müssen festlegen, was wir nicht machen können und wollen.
Die Simultan-Gruppe hat verschiedene weitere Firmen dazugekauft. Nun braucht es eine klar kommunizierte Ausrichtung am Markt. Bei uns sind das die Bereiche öffentliche Hand und Industrie und Handel, den wir neu Business oder E-Business nennen. Als dritten Bereich haben wir E-Finance und E-Banking definiert, der durch den dbs-Bereich von
NCR verstärkt wurde.
Über allem steht unsere Initiative im ASP-Bereich, wo sich der Markt erst noch zeigen muss. Unser erster Schritt ist die Einführung von ASP bei uns selbst und es stehen unterdessen ein bis zwei Kundenprojekte kurz vor dem Abschluss. Wir spüren Interesse seitens der Kunden aus allen Segmenten.
Christoph Hugenschmidt, IT Reseller: Wo steht die MTF heute?
Daniel Ferru, MTF Holding: Wir haben uns das Ziel gesetzt, bis 2005 die Hälfte des Umsatzes mit Services zu erreichen. Die Ausgangslage war bei 18% Serviceanteil. Das wäre ja einfach zu erreichen: Wir könnten aufhören, Hardware zu verkaufen (allseitiges Gelächter). Aber wir haben auch ein Gesamtwachstumsziel von 20%.
Vom Angebot her ist die MTF vergleichbar mit der ehemaligen Wickart, Kleeb & Partner. Wir bieten alles von der Infrastruktur bis zu Netzwerkdienstleistungen. Das kann man bis heute noch profitabel machen. Doch die Hardware-Marge sinkt und die Nachfrage nach Dienstleistungen steigt, weil die Lösungen immer komplexer werden. Wir gehen dorthin, wohin sich der Markt bewegt.
Da haben wir einen anderen Ansatz als
Simultan: Eine unserer Stärken ist die schweizweite Präsenz. Das heisst, wir wollen Lösungsanbieter für Netzwerke und E-Business in jeder Region der Schweiz sein. Die flächendeckende Präsenz ist für uns ein Differenzierungsfaktor.
Wir wollen die dezentrale Struktur dort behalten, wo Wertschöpfung für den Kunden entsteht. Alle Tätigkeiten, bei denen wir Synergien finden können, sollen hingegen zentralisiert werden. Ausserdem wollen wir Kompetenzzentren aufbauen.
hc: Gibt es schon Beispiele solcher Kompetenzzentren?
DF: Die MTF-Computerschule ist ein Beispiel. Jede Geschäftsstelle hat mehr oder weniger erfolgreich Schulung verkauft. Einige Filialen haben das Schulungsbusiness der Konkurrenz überlassen. Wir konzentrieren nun den Schulungsbereich in Olten. Damit konnten wir jetzt schweizweite Deals abschliessen. Früher hätte Olten nicht in Zürich Schulungen verkaufen dürfen, jetzt kann das Kompetenzzentrum schweizweit Leistungen anbieten.
Zwei andere Kompetenzzentren werden dieses Jahr definiert. Wir bauen ein Kompetenzzentrum für den Highend-Netzwerk- und Cisco-Bereich auf. Das wird eine Kombination von internen Ressourcen und sehr wahrscheinlich einer Akquisition.
Ein weiterer Bereich, wo wir schnell im Markt Fuss fassen wollen, ist der E-Commerce-Bereich. Hier wollen wir als Systemintegrator den Kunden Lösungen anbieten. Wir machen aber keine Applikationsentwicklung, sondern verstehen die Anforderungen der Kunden und setzen die Lösung um.
Wir sehen in Verbänden und gemeinsamen Portalen für KMUs für uns als lösungsneutraler Systemintegrator einen grossen Markt. Es ist ein strategischer Entscheid, ob man eine eigene Lösung entwickelt oder nicht. Wir haben keine eigene Lösung, sondern verkaufen Kompetenz.
Maria Polheimer, PC Net AG: Herr Ferru, können Sie diesen Wandel mit der bestehenden Mannschaft bewältigen?
DF: Ich glaube an die Lernfähigkeit der Menschen. Wenn die Mitarbeiter das Ziel sehen, sind sie lernfähig. Wenn man Wissen «einkauft», anstatt die Leute auszubilden, läuft man Gefahr, dass das angestammte Geschäft verloren geht, weil die Leute demotiviert werden. Aber wir haben so ehrgeizige Ziele, dass wir gar nicht genug Leute ausbilden können und deshalb auch Akquisitionen machen müssen. Wir haben heute zwischen 150 und 200 Dienstleistungsleute, im Endeffekt müssen es aber etwa 500 sein.
Die Erfahrung zeigt, dass bei jeder Restrukturierung doppelt so viele Mitarbeiter selbst kündigen als abgebaut werden. Deshalb muss man sehr vorsichtig damit umgehen. Man muss den Leuten faire Chancen geben und gleichzeitig über Akquisitionen wachsen können. Das ist der grösste Challenge für mich. Man muss den Leuten Perspektiven geben, sie schnell mitnehmen und gleichzeitig neue Leute integrieren.
hc: Frau Polheimer, wo steht Ihre PC Net AG heute?
MP: Wir machen das gleiche wie MTF. Netzwerkkommunikation und Lösungen. Vielleicht haben wir einen anderen Kundenstamm. Wir arbeiten viel mit öffentlichen Institutionen. Jetzt sind wir an einem Wendepunkt. Die Komplexität wächst. Heute reden wir nicht mehr nur von Netzwerken und Lösungen, sondern auch über neue Medien.
Ich verstehe heute unter IT die Kombination von Medien: Internet mit Audio/Video, IP Telefonie, E-Mail usw. Wir reagieren wir darauf? Wir haben die «IT Group» gegründet. Diese Firmengruppe besteht aus dem klassischen Bereich der PC/Netzwerkintegration. Dazu kommt eine Medienagentur, die das Know-how der neuen Medien in die Gruppe bringt.
Heute kommt ein Kunde zu mir und will eine Website programmiert haben. Keine Sache, wir implementieren die Infrastruktur, programmieren die Site und verkaufen dem Kunden einen Shop. Ist der Kunde damit glücklich? Er hat plötzlich drei, vier Ansprechpartner: Seine Werbeagentur, seine IT-Leute, die Marketing-Leute und uns als Systemintegratoren. Das wollen wir ändern und dem Kunden ein komplettes Angebot machen.
hc: Ihre Kunden werden Ihnen doch nicht plötzlich zutrauen, auch Kommunikation und Inhalte zu liefern.
MP: Man muss sich immer wieder hinsetzen und sich fragen: ‘Was sind unsere Kernkompetenzen?’ Unsere Kernkompetenz ist heute das klassische EDV-Business. Das wird in Zukunft nicht reichen. Ich will in Zukunft die Kernkompetenz Medien in die IT-Group integrieren. Anderes werden wir nicht machen können.
AM: Da fehlt mir aber noch die Schnittstelle zwischen der Standard-Applikation und dem Front-End. Wir haben einige grosse E-Business-Projekte realisiert. Das Wichtigste für den Kunden ist nicht unbedingt das perfekte Front-End nach aussen, sondern dass seine internen Prozesse komplett abgebildet sind. Seine Transaktionen müssen durchgängig automatisiert werden.
MP: Sie müssen die Zielgruppen anschauen. KMUs haben keine grosse Marketing- und Werbeabteilung. Wenn Sie in eine solche Firma gehen und die Netzwerklösung machen, merken Sie das Bedürfniss, auch den Rest abzudecken. Dadurch, dass in der IT Group auch branchenfremde Firmen integriert werden, sind wir sehr flexibel und haben ein sehr grosses Know-how.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir keinen einzigen PCs mehr ausliefern werden. Der klassische Hardware-abhängige VAR wird nicht überleben. Vor sieben Jahren waren wir noch die Clone AG. Wir assemblieren heute noch PCs und verdienen Geld damit. Dieses Geld muss jetzt arbeiten. Ich hatte mit etlichen kleinen VARs Kontakt, weil ich sie übernehmen wollte. Da gibt es Firmen mit fünf, sechs Mitarbeitern, die haben ihre goldenen Zeiten erlebt und wollen jetzt verkaufen. Doch im letzten Moment kommt der Rückzieher. ‘Ich kann doch meine Identität nicht aufgeben’, hiess es dann als Begründung.
hc: Herr Ferru. Ihr habt seit Herbst 99 englisches Kapital in der Firma. Seid ihr nicht in grossem Zeitdruck, das E-Commerce-Know-how aufzubauen?
DF: Der Zeitdruck steigt vor allem intern. Seit 21. September gibt es die MTF-Holding, seit Anfang November gibt es den neuen CEO. Was haben wir bis heute erreicht? Diese Frage wird tagtäglich intern gestellt. Wir haben intern sehr viel gemacht, aber wir ernten natürlich keine Lorbeeren damit, dass wir eine neue Rechnungslegung nach IAS eingeführen.
Man braucht zuerst eine Strategie, die auch kommuniziert wird. Dann muss man die Firmen identifizieren, die das nötige Know-how in die Gruppe einbringen können. Diese muss man überzeugen, sich übernehmen zu lassen und am Schluss muss auch noch der Preis stimmen.
Gleichzeitig müssen wir auch profitabel zu sein. Diese Aufgabe ist fast unlösbar: Man muss investieren, neue Leute finden und den Wandlungsprozess durchziehen.
Auf der anderen Seite werden wir im Change-Prozess weniger Widerstand erleben, weil die Leute sich jetzt schon ein halbes Jahr damit beschäftigen.
MP: Ich habe nicht die Geduld, und vor allem nicht die Zeit, einen grossen VAR aufzubauen, um ihren Weg zu gehen. Ich glaube, Sie werden Mühe haben, innert zwei, drei Jahren diesen grossen Elefanten auf Dienstleistungen umzupolen. Sie verkaufen immer noch Compaq, HP,
IBM usw. Dienstleistungen um die Hardware herum zu verkaufen ist ja nichts Neues.
hc: Ich kann mir schlecht vorstellen, dass ein Infrastruktur-Kunde von MTF für seine E-Business-Projekte zu MTF geht. Er wendet sich doch an eine der Dutzenden von neuen, spezialisierten Firmen.
DF: Wir sind heute in jeder Region und bieten Dienstleistungen. Sobald wir den Kunden sagen, dass wir E-Commerce-Kompetenz haben, wird er uns nach Beweisen fragen. Wenn wir unsere Kompetenz zeigen können, wird uns der Kunde uns vertrauen. Wir haben mit dem Beispiel der Schulung gezeigt, dass wir das können.
hc: Wie stark spürt Ihr die Konkurrenz durch die Hersteller selbst? Wird sie stärker oder war das eh schon immer ein Thema?
AM: Die Konkurrenz durch Hersteller nimmt durch E-Business und automatisierten Verkauf via Internet klar zu. Sie nimmt auch bei den Hardware-nahen Dienstleistungen zu. Doch je mehr man seine Kernkompetenzen herausstreichen kann, desto weniger wichtig ist die Konkurrenz. Und die Hersteller lernen langsam Partner zu schätzen.
MP: Wir sind doch dank den Herstellern überhaupt nur auf dem Markt. Wir müssen halt innovativ sein und neue Produkte, neue Hersteller finden. Direkte Konkurrenz ist das falsche Wort – es ist ein Zusammenspiel.
DF: Es ist abhängig vom Kundensegment. Wenn der Kunde bei bestimmten Segmenten einen Herstellerentscheid treffen will, dann wird er auch mit dem Hersteller direkt sprechen. Dort geht es um sehr grosse Volumen, wo wir meistens nichts zu suchen haben. Die Hersteller gehen nicht freiwillig in den Direktverkauf, sondern weil auch sie ein Margenproblem haben.
Man kann aber auch mit den Herstellern im Dienstleistungsbereich zusammen arbeiten. Wir arbeiten seit langem mit IBM Global Services. Das ist für den Kunden gut, für IBM und für uns.
Im Servicebereich sehen wir zum Beispiel
Swisscom als grösseren Konkurrenten als diverse Hersteller. Sie haben einen Namen, sind finanziell gut ausgestattet und haben die Leute. Da müssen wir aufpassen.
AM: Die Karten werden neu verteilt. Da sind einerseits die grossen Telcos, die ins Geschäft einsteigen. Um nur ein Beispiel zu nennen:
Sunrise hat Applitec gekauft und wird damit zu einem Konkurrenten. Andererseits gibt es die grossen Distributoren, die neue Service-Bereiche aufbauen. Jetzt muss jeder beweisen, wo er sich im Markt positionieren kann.
Stichwort ASP
hc:
Simultan steigt massiv ins ASP-Geschäft ein. Die Marktforscher prophezeien einen grossen Trend zur Vermietung von Applikationen. Kann man heute VAR sein, ohne ASP anzubieten?
MP: Die Kosten für ein Rechenzentrum wären zu hoch. Ich würde ASP nur anbieten, wenn ich eine eigene Lösung hätte.
DF: Wir haben uns das gut überlegt. Auch wir finden, dass es ohne eigene Lösung wenig Sinn macht. Unser Weg ist ein anderer. Wir müssen nicht selbst ASP anbieten, sondern haben eine Allianz mit
Sunrise geschlossen, wo wir die Dienstleistungen von Sunrise wiederverkaufen können. Wir haben eine Kommission auf die Dienstleistungen, die Sunrise verkauft und damit praktisch 100% Marge.
AM: Ich war überrascht, als wir von der Allianz hörten. Ihr von MTF seid damit sehr früh dabei. Auch wir sehen ein, dass es in Zukunft nicht darauf ankommen wird, wo die Maschine steht. Unser Ziel ist es, jetzt die Kernkompetenz aufbauen. Wo in Zukunft die Maschinen stehen werden, wissen auch wir nicht.