Der Detailhandel ist gesättigt

2007 war ein Superjahr für den Detailhandel. Die Entwicklung war vom Non-Food-Geschäft getrieben, zu dem auch das IT- und CE- und UE-Segment zählt. Trotz hartem Preiskampf legten fast alle Bereiche umsatzmässig zu. Obwohl der Detailhandel gesättigt ist, geht die Flächenexpansion weiter.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/13

     

An einer Tagung des Schweizer Marketing Forums im Seedamm Plaza Pfäffikon hat der Marktforscher IHA-GfK vorletzte Woche seine jährlich erscheinende 460 Seiten umfassende Studie «Detailhandel Schweiz» vorgestellt. Der Konsolidierungsprozess im Detailhandel hat sich auch 2007 fortgesetzt. Die beiden grossen Retailer Migros (neu 70%-Beteiligung an Denner) und Coop (Übernahme Fust und Carrefour) haben eifrig akquiriert und die wichtigsten Marktteilnehmer aus allen Bereichen des Detailhandels haben fast alle expandiert. Im Langfristenvergleich zeigt sich: Der im Handel generierte Umsatz konzentriert sich auf weniger, aber grössere Verkaufsstellen.


«2007 war ein Superjahr für den Schweizer Detailhandel und 2008 wird auch gut», liess Thomas Hochreutener, Direktor Handel IHA-GfK, in seinem Referat vor brechend vollem Saal verlauten. Die Umsätze stiegen 2007 nominell um 3,6 Prozent an, im Vergleich zu 1,1 Prozent im Vorjahr. Getrieben war die Entwicklung vor allem vom florierenden Non-Food-­Bereich, wozu auch der IT- und Consumer- und Unterhaltungselektronik-Markt zählt, der um satte 4,3 Prozent zulegte. Das Non-Food-Segment nimmt im Detailhandel eine immer wichtigere Stellung ein. Während es 1990 noch 40 Prozent zum Gesamtumsatz beisteuerte, sind es heute bereits 48 Prozent. Allein der Migros-Fachmarkt M-Electronics hat 2007 ­einen Umsatz von 699 Mio. Franken (2006: 668 Mio.) erwirtschaftet, die Coop-Tochter Interdiscount 976 Mio. Franken (+9,6%).

Gesättigt und overstored


Generell geht der Trend im Detailhandel hin zum Konsumenten, wie das Beispiel der sieben Railcity-Center in der Schweiz deutlich zeigt. Der Umsatz im Bereich Unterhaltungselektronik, Musik und Foto in den Bahnhofs-Shopping-Zonen liegt heute bereits bei 12 Prozent. Ein weiterer Trend geht hin zum Outlet-Store. Ein Beispiel dafür ist Fox Town Factory Outlet in Mendrisio, wo auch ein Electronic Planet oder der Musik-, Video- und Gameshop City Disc untergebracht sind. Alle suchen Flächen und wollen expandieren, sagt Hochreutener, zudem sei Vertikalisierung in, kurz: Alle wollen Läden mit Angeboten einer ­eigenen, einzigen Marke. Am auffälligsten laut GfK sei hierbei das Wachstum der Nobelmarke Bang & Olufsen. Das dänische Unternehmen hat seine Präsenz hierzulande um 17 neue ­Läden erweitert. Einfacher ist es für B&O jedoch nicht geworden: Schlich­tes, elegantes Design genügt nicht mehr, die Konkurrenz aus Asien hat dazugelernt und mittlerweile ähnliche Produkte zu günstigeren Preisen auf den Markt geworfen.

Auf dem Vormarsch


Auch die Interdiscount-Kette hat fleissig expandiert und sieben neue Fachmärkte eröffnet. Konkurrent Media Markt will 2009 sein zweites Konzept in der Schweiz etablieren und im Einkaufscenter Stücki in Basel mit dem höherpreisigen «Saturn»-Angebot an den Start gehen. Die Media-Markt-­Fläche erweiterte sich mit dieser ­Expansion um zehn Prozent.

Ebenfalls im Vormarsch ist der auf grosse Formate spezialisierte französische Multimedia-Spezialist Darty. Darty ist jetzt mit fünf Verkaufsstellen (+60 Prozent Fläche) in der Schweiz vertreten. Einzig und allein die Verkaufsfläche der Migros-Marke M-Electronics ist leicht geschrumpft. Auch die Anzahl der zu den Einkaufsgenossenschaften EP: Electronic Partner und Expert gehörenden Fachgeschäften ist konstant bei 50 respektive 110 geblieben.


Insgesamt sind in der Schweiz derzeit 18 neue Shoppingcenter, 8 neue Fachmärkte auf total 585’000 Quadratmetern geplant, 12 der bestehenden Center sollen erneuert werden. «Der Schweizer Detailhandel ist gesättigt und overstored», konstatiert Hochreutener. «Trotzdem geht die Flächenexpansion munter weiter.»

Harter Preiskampf

«Es herrscht ein harter Preiskampf im Multimedia-Bereich», sagt Hochreutener. Obwohl die Preise ständig schrumpfen, haben alle Marktteilnehmer 2007 trotzdem umsatzmässig zugelegt. Das stärkste, teilweise expansionsbedingte Wachstum verzeichnete Interdiscount mit einem Plus von 9,6 Prozent auf 996 Mio. Franken. Fust hat den Umsatz 2007 von 889 im Vorjahr auf 903 Mio. Franken gesteigert, wies aber mit einem Plus von 1,6 Prozent das bescheidenste Wachstum aus.


Der Media-Markt-Umsatz kletterte von 946 auf 976 Mio. Franken. M-Electronics legte von 668 auf 699 Mio. Franken zu, Steg Computer, spezialisiert auf Computer und Komponenten, wuchs von 137 auf 160 Mio. Franken. Nicht berücksichtigt wurden in der Umsatzaufstellung B&O, Conrad, Darty, Data Quest (Computer), Dell (Onlinehandel), Eschenmoser (gehört jetzt zu Fust), Letec (IT-Produkte), Mega Shop (Jet Schweiz IT), Portable Shop (inkl. Digital Home mit Fust fusioniert) und PC-Hai (Computersysteme- und -zubehör). Zusammengenommen sind diese Anbieter in der Schweiz derzeit mit 93 Läden vertreten. Viele Analysten sagen, die Mitte verschwindet und es werde bald nur noch Tiefst- und Höchstpreise geben, so Hochreutener in seinem Referat. Betrachtet man die Preise genauer, liegen die meisten davon interessanterweise im mittleren Bereich. «Die Mitte beispielsweise im Lebensmittelmarkt beträgt derzeit 95 Prozent!», widerlegt Hochreutener das Analys­ten-Preisorakel.

Konsolidierung geht weiter


Das Telekommunikations-Segment ist von stark sinkenden Preisen gezeichnet. Die Konsolidierung setzt sich in diesem Bereich weiter fort: Swisscom hat sich per 1. Mai dieses Jahres The Phone House mit 62 Filialen und einem Grossteil der 250 Mitarbeitenden einverleibt. Eine Überprüfung durch die Wettbewerbskommission (Weko) steht jedoch noch aus.

Der Handy-Spezialist Mobilezone schnappte sich das auf Mobiltelefon-Lösungen für KMU spezialisierte und im Internet-Versandhandel aktive Krienser Unternehmen Telepoint. 2007 erweiterte Mobilezone sein Verkaufsstellennetz von 11 auf sage und schreibe 126 Läden. Bei Swisscom ­kamen 15, bei The Phone House 17 neue Shops hinzu. Umsätze für den Detailhandel kommunizierten die Player aus dem Telekommunikations-Markt nur bedingt. Mobilezone wuchs um 12,4 Prozent auf 300 Mio. Franken. Sunrise hatte ein Umsatzminus von 20 Prozent zu verschmerzen.

Onlinehandel wächst

Der Online-Handel legte, entgegen mancher Unkenrufe, ebenfalls zu. Insgesamt wurden im Schweizer Versandhandel 2,7 Mrd. Franken umgesetzt, das sind 3 Prozent Marktanteil am Gesamt-Detailhandels-Umsatz. Im europäischen Vergleich hat die Schweiz laut IHA-GfK die drittgrösste Internet-Nutzungsdichte.

Vor allem Consumer Electronic und IT-Produkte sind ein Renner. Im UE- und Multimedia-Bereich wird heute bereits in einigen Warengruppen 10-20 Prozent des Umsatzes via Internet generiert. «Es sind die Freaks, die sogenannten Early Adopters, die im Online-Handel einkaufen», sagt Hochreutener. «Diese Leute kaufen die besten und teuersten Sachen im Internet und nicht etwa die Billigangebote», so der GfK-Analyst. Allein die reinen Internet-Händler und das TV-Shopping konnten im Elektronik-Umfeld die Verkäufe 2007 um 20 Prozent erhöhen. Ihr Anteil am Gesamtumsatz liegt inzwischen bei 8,2 Prozent.


Generell ist das Geschäft mit Consumer Electronic und Technik der am schnellsten wachsende Bereich im Internet. Laut einer Untersuchung in 11 europäischen Ländern legten die Online-Verkäufe in diesem Bereich im vergangenen Jahr um 40,3 Prozent zu, jene in den traditionellen Verkaufskanälen hingegen lediglich um 2,2 Prozent. Am besten liefen dabei IT-Artikel (Online-Anteil 13,8%) sowie Foto-Zubehör (Online-Anteil 13,1%). Paradoxerweise steigen die physi­schen Verkaufsflächen der grossen Retailer trotz steiler Wachstumsraten im Internet-Geschäft von Jahr zu Jahr weiter an und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen.

Die Aldi- und Lidl-Invasion


Filialen des deutschen Discounters Aldi sind im vergangenen Jahr in der Schweiz wie Pilze aus dem Boden geschossen. Derzeit unterhält Aldi 68 Verkaufsstellen hierzulande, das Ziel für 2008 liegt bei 100. Bereits heute generiert Aldi rund 30 Prozent seines Umsatzes mit Non-Food-Produkten, darunter auch Consumer- (Billig-PCs und Laptops) und Unterhaltungselektronik. Der geschätzte Umsatz von Aldi Suisse ist zwischen 2005 und 2007 von 18 auf 580 Mio. Franken gewachsen.
Für 2009 ist zudem der lang angekündigte Markteintritt von Lidl in der Schweiz nun definitiv geplant. Der Grossmarkt strebt ein flächendeckendes Verkaufsnetz von 250 bis 300 Verkaufsstellen an und hat bereits jetzt 70 Baugenehmigungen. ­Ende August soll ein grosses Logistik-Zentrum in Weinfelden fertiggestellt sein. «Wenn Lidl kommt, gibt es eine grosse Preisschlacht», sagt Hochreu­tener. «Der kommt mit einem Feuerwerk.» Trotzdem muss der CE-Retail noch keine Angst bekommen. Im Vergleich zu Media Markt, Interdiscount, Fust und Co. ist der Marktanteil der Deutschen in diesem Bereich noch verschwindend klein. (Susann Klossek)


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