Dov Bar-Gera - Der Querdenker

Dov Bar-Gera hat schon ein paar Startup-Firmen zum Erfolg geführt und darauf verkauft. Surf EU, ein Gratis-Internet-Provider, war dabei oder auch die erste private Paging-Firma in Österreich. Zur Zeit ist er dabei, Wimax europaweit voranzutreiben. Von der Wimax-Entwicklung in der Schweiz ist er enttäuscht.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/06

     

Drei Firmen hat Dov Bar-Gera (im Bild mit seiner Familie) bereits gegründet, aufgebaut und weiterverkauft. Jetzt ist er mit dem vierten Unternehmen beschäftigt: Wimax Telecom. Der gebürtige Israeli lebt seit 1988 in der Schweiz. Dass seine Geschäftsaktivitäten, wenn nicht gleich in ganz Europa, vor allem in Öster­reich stattfinden, hat nicht zuletzt mit regulatorischen Gegebenheiten zu tun. In unserem östlichen Nachbarland war und ist es einfacher für ihn, seine Ideen umzusetzen.
Bereits zwei Jahre nach seinem Studienabschluss merkte Bar-Gera, dass die Vermessungstechnik nicht seine Domäne war und heuerte bei ECI Telecom an. Zuerst als «Kofferträger» des Verkaufsdirektors, als das Unternehmen den deutschen Markt zu be­ackern begann. Bald darauf übernahm er die Verantwortung für den deutschen Markt selbst. Nach fünf Jahren Telekommunikation folgte ein dreijähriger Abstecher in die Chemie zu Sandoz, wo er als Controller tätig war. Danach kehrte er in die Telekommunikationsindustrie zurück und leitete das deutsche Geschäft der Firma Telesystem of Canada, eines Anbieters von Bündelfunk. Bündelfunk war zu jener Zeit, man schrieb das Jahr 1992, die Technologie, der man zutraute, die aufstrebende Handytechnologie GSM herauszufordern.
Die nächste Etappe folgte: die Selbständigkeit. Über einen Freund hörte er von einer Paging-Lizenz, die in Österreich zu haben war. Paging, mittlerweile zur Nischenanwendung verkümmert, stand 1995 noch am Beginn einer verheissungsvollen Zukunft.

Mit 25 Watt vom Grossglockner

«Dann versuchen Sie mal», sagte Frau Franzl vom österreichischen Amt der Sektion 4, das für die Erteilung von Funkfrequenzen verantwortlich war, lakonisch, als sich Dov Bar-Gera um die Paging-Lizenz bemühte. Das hat ihn angestachelt, und die Begeisterung merkt man ihm heute noch an – seine Augen leuchten beim Erzählen, der Pioniergeist erscheint.
Er wollte der Welt und Frau Franzl zeigen, dass es ein erfolgreicher Versuch wird. «Das Equipment erhielten wir von Ericsson über Vendor Financing. Im Backbone schickten wir die Meldungen über Astra-Satelliten. Die Schüsseln dazu kauften wir im Media Markt», erzählt er. Zu Fuss und mit dem Rucksack voller Material und Werkzeug machten sie sich auf, um die Funkeinrichtigungen aufzubauen. Wehe, wenn man ein Werkzeug vergessen hatte. Am Schluss verfügte die Firma Airpage über 180 Antennenstandorte und gewann in einem Jahr 70’000 Kunden. Vom Grossglockner sendete die Firma mit 25 Watt. «Beim Landeanflug auf Kloten konnte ich meine letzten Meldungen empfangen», schmunzelt Bar-Gera über eine Zeit, in der es noch keine Verordnung über die nicht-ionisierende Strahlung gab und Elektrosmog ein Thema an Esoterik-Kongressen war. Als er Airpage schliesslich an Telenor verkaufte, hielt er zum ersten Mal einen Check über einen siebenstelligen Betrag in den Händen. Ein Teil von Airpage, das Call Center, lebt auch heute noch weiter.

«Die Spielregeln verändern»

Die weiteren Startup-Projekte von Bar-Gera verliefen ähnlich. «Die Spielregeln verändern und beweisen, dass man als Newcomer erfolgreich sein kann», beschreibt er, was ihn antreibt. Mit New Telco gelang es ihm, die erste Lizenz für Festnetztelefonie neben dem Monopolisten Telekom Austria zu ergattern. Diese Firma konnte Bar-Gera bereits kurz nach der Gründung 1997 an RSL Com verkaufen und widmete sich zwei Jahre später dem nächsten Projekt: Er gründete zusammen mit seiner Frau, Anat Bar-Gera, den Gratis-Internet-Provider Surf EU.
Bei Surf EU, die Firma wurde von seiner Frau geführt, wurde die Marktmacht von Media Markt ausgenutzt. Bei den Verhandlungen profitierte das Ehepaar von den Beziehungen aus Airpage-Zeiten. Media Markt machte gute Geschäfte mit den ­Pagern von Airpage. So gelang es ihm, diesen Partner für den Vertrieb der CD für den Gratis-Internetzugang zu gewinnen. Surf EU verkaufte er 2001 zwei Jahre nach der Gründung und gerade rechtzeitig vor dem Platzen der New-Economy-Blase an Tiscali. Danach kehrte so etwas wie Ruhe ein ins ­Leben von Dov Bar-Gera.

Kritik am Schweizer Markt

Diese Ruhe währte nicht lange. Er begann sich mit Wimax auseinanderzusetzen, der Breitbandtechnologie für die drahtlose Datenübertragung. Mit seiner neuen Firma, Wimax Telecom, ersteigerte er in Österreich flächendeckend Lizenzen. Zuerst wollte Bar-Gera auch in der Schweiz an der Wimax-Auktion teilnehmen. Die Lizenzkosten (Mindestgebot 6,1 Millionen Franken) sind ihm aber zu hoch, und die Baubewilligungsverfahren für Antennen dauern ihm hier (bis zu 22 Monate) im Vergleich mit Österreich (8 bis 12 Wochen) zu lange. Deshalb begruB er die Schweizer Pläne. Er hat nun andere Länder im Visier: Wimax Telecom ist mittlerweile auch in Kroatien und der Slowakei aktiv und unterhält in Warschau ein Büro.
Binnen der nächsten 18 Monate will Dov Bar-Gera aber einen CEO einsetzen und sich aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Langweilig wird es ihm sicher nicht. Da gibt es die bedeutende Sammlung mit Kunst russischer und spanischer Dissidenten des verstorbenen Vaters, für die ein Museum gefunden werden muss. Und seit die Familie Bar-Gera erlebt hat, was es für einen behördlichen Spiessrutenlauf bedeutet, ein Kind zu adoptieren, hat er ein weiteres Projekt: dem Amtsschimmel Beine machen.

Dov Bar-Gera

Dov Bar-Gera (50) ist europäisch geprägt. Bis zu seinem achten Lebensjahr verbrachte er seine Kindheit in Israel. Dann wurde sein Vater als
einer der ersten israelischen Diplomaten nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland berufen. Dort besuchte er eine belgische Schule, wodurch Französisch neben Hebräisch zur zweiten Sprache wurde, die er von Grund auf lernte. Sein Abitur machte er schliesslich auf einer deutschen Schule in Köln.
Um den Militärdienst und das ­Studium als Vermessungstechniker zu absolvieren, kehrte er nach Israel zurück. Seit 1988 lebt er mit seiner Frau (47) und den drei Kindern (2, 12 und 15) in der Nähe von Zürich.


Drei Dinge für die einsame Insel:
- Das Buch «Catch 22» («Für mich das genialste Buch überhaupt.»)
- einen iPod mit Rolling Stones, Eric Clapton, John Lee Hooker («Ich gehe gerne in die Oper, aber zwischen den Besuchen müssen mindestens drei Monate verstreichen.»)
- einen Golfschläger («Um vielleicht doch noch zu einem Handicap zu kommen.») (map)


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