Am ROI kommt bei der IP-Telefonie niemand vorbei

Es greift zu kurz, für die Einführung einer IP-Telefonie-Infrastruktur mit Kosteneinsparungen zu argumentieren.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/07

     

Die meisten Unternehmen sind sich darüber einig, dass der Trend klar in Richtung IP-Telefonie (IPT) geht. Dennoch haben viele noch keinen strategischen Ansatz dafür entwickelt, oder sie wissen nicht, wo sie anfangen sollen. Die meisten multinationalen Unternehmen geben die Hälfte oder mehr von ihrem IT- und Kommunikationsbudget für Sprachdienste aus.
Die endgültige Definition der IPT ist zwar noch nicht erreicht, weil manche Standards noch nicht gesichert sind. Dies kann Unternehmen dazu veranlassen, Entscheidungen zu diesem Thema zu vermeiden oder aufzuschieben. Es gibt aber auch Unternehmen, die ihre Investitionen nicht mehr aufschieben können, weil die installierten Telefonsysteme ersetzt werden müssen. Dann müssen Ressourcen bereitgestellt werden für eine korrekte Analyse und Definition einer Strategie. Um nun die Kapitalrendite (Return on Investment, ROI) der Telefonie einzuschätzen, müssen ein paar grundlegende Voraussetzungen geschaffen werden.

Klare Verantwortlichkeiten

Die IPT bietet eine einzigartige Chance, die Telefonie auf dieselbe Weise zu harmonisieren und zu konsolidieren, wie es viele Firmen bei E-Mail bereits unternommen haben. Das Schlimmste wäre, nichts zu tun und alles so zu lassen, wie es ist. Solche Unternehmen werden plötzlich gezwungen sein, überstürzt auf einen Erneuerungsbedarf zu reagieren.
Bevor es an die Analyse geht, müssen als erstes die Verantwortungen klar geregelt sein. Erstaunlicherweise bestehen hier bei den Telefoniediensten Lücken. In einigen Firmen ist die IT-Abteilung dafür verantwortlich, in anderen die Immobilien-Verwaltung, und in vielen Fällen tragen beide einen Teil der Verantwortung. Es ist schon vorgekommen, dass zwei verschiedene Abteilungen zwei verschiedene Ausschreibungen für dieselbe Telefonielösung in ein und derselben Firma durchgeführt haben.

Keine allgemeingültigen Kennzahlen

Neben klaren Zuständigkeiten ist das Verständnis der tatsächlichen Kostenbasis eine entscheidende Voraussetzung für eine ROI-Analyse. Häufig unterschätzen die Firmen die Ausgaben für Sprachkommunikation, da die Kosten für Sprache oft durch verschiedene Budgets abgedeckt werden.
Wenn eine ROI-Analyse nicht sorgfältig und umfassend durchgeführt wird, ist das Resultat beeinflusst und zeigt lediglich das, was der Initiator will. Dadurch verkommt die Analyse zu einer nutzlosen Übung. ROI-Berechnungen von Ausrüstungslieferanten sind auch nicht der beste Einstieg. Diese Berechnungen sind meistens nicht transparent und stützen sich auf Verfahren, die dem Unternehmen möglicherweise nicht gerecht werden.
Leider gibt es auch keine allgemeingültigen Kennzahlen, wie etwa eine Mindestkapitalrendite, da diese von der individuellen Situation jedes Unternehmens abhängen. Deshalb sind nur auf die jeweilige Umgebung abgestimmte ROI-Analysen hilfreich. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, ROI-Elemente quantifizierbar zu halten, da vage finanzielle Vorteile von einem Finanzchef nicht abgenommen werden.

IPT nicht immer günstiger

Unternehmen sollten nicht generell glauben, dass LAN-IPT billiger ist als eine herkömmliche Lösung. Wenn eine Investition jedoch über einen Zeitraum bewertet wird, d.h. im Rahmen einer ROI-Analyse, sind die Chancen wesentlich grösser, zu einem positiven Ergebnis zu kommen. Dies ändert aber nichts daran, dass IPT durchaus teurer sein kann.
Kostenvorteile durch IPT ergeben sich oft erst aus einem vereinfachten und zentralisierten Management und durch zentralisierte Anwendungsintegration, die allen Anwendern (Standort unabhängig) ermöglicht, von den Vorteilen der Anwendungen und Leistungsmerkmalen zu profitieren.
Damit wird auch deutlich, wie wichtig es ist, eine Telefoniestrategie zu haben. Heute muss eine Investition in die Telefonie unbedingt unter den Gesichtspunkten der flexiblen Investition, den möglichen Risiken und den Vorteilen, die ausserhalb des IT-Bereichs entstehen, bewertet werden. Eine Telefoniestrategie ist unverzichtbar, da sonst durch rein finanzielle Aspekte die Einführung von IPT blockiert werden könnte. Man kann nicht davon ausgehen, dass es einfach billiger ist.

Wer braucht was?

Mit wenigen Ausnahmen fällt bei den meisten Firmen der Löwenanteil an Gesprächsminuten ausserhalb der Unternehmung an, wodurch die Möglichkeiten für Einsparungen beim Transport beschränkt sind. Eine herkömmliche Telefonanlage auf IP umzurüsten ist oft kostspielig und bietet mitunter nur wenig Zukunftssicherheit. Finanzielle Vorteile ergeben sich schneller, wenn Anrufe zwischen Standorten bereits IP-basierend vermittelt werden.
Was IP-Telefonie heute noch teurer als TDM-Technologie macht, sind die Kosten der Telefonapparate (bis zu 50% der IPT-Investition). Daher stellt sich die Frage, ob wirklich alle Anwender ein Telefon, ein Handy, einen Computer und einen PDA brauchen. Bei der Berechnung des ROI ist es zudem wichtig, die Konvergenz der verschiedenen Geräte zu berücksichtigen.
Schliesslich ergibt sich der wahre Nutzen und die Effizienzsteigerung für den Endanwender durch Konvergenz von Geräten und Anwendungen: Ein drahtloses Telefon beispielsweise, das innerhalb der Firma mit WiFi und ausserhalb mit GSM arbeitet, nur eine Zugangsnummer hat und mit den Anwendungen des Unternehmens (Telefonbuch) verknüpft ist. Dieser Aspekt ist natürlich eng mit Strategie und Kultur der Firma verknüpft. Er muss behandelt werden, bevor man irgendeine ROI-Analyse durchführt.

Der Autor

Michael Schellenberg ist Director, Consultancy Switzerland beim Kommunikationsservice-Anbieter Equant und ist spezialisiert auf Konvergenz von Voice and Data.


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