Pro und Kontra VoIP beim Mittelstand

Laut einer neuen Studie von ABA Management und der Privaten Hochschule für Wirtschaft reagieren KMU hierzulande noch eher zurückhaltend auf Voice over IP. Gegenüber IT Reseller nehmen Anbieter dazu Stellung.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/01

     

Nach dem Hype kam die Ernüchterung: Die Anbieter von Hard- und Software für VoIP mussten lange auf positive Verkaufszahlen warten. Inzwischen scheint der VoIP-Zug jedoch an Fahrt zu gewinnen. Allein im dritten Quartal 2004 ist der weltweite Absatz von Equipment gegenüber dem Vorjahr um 70 Prozent gestiegen. Weltweit soll der Voice over IP (VoIP)-Markt über die nächsten vier Jahre eine Wachstumsrate von 93,2 Prozent aufweisen und auf 1,23 Milliarden Euro anwachsen, wie das Marktforschungsunternehmen Frost & Sullivan prophezeit.

Die Situation in der Schweiz

Eine Studie der ABA Management in Zusammenarbeit mit der Privaten Hochschule für Wirtschaft hat die Situation in der Schweiz untersucht. Laut ABA ist das Interesse an der IP-Telefonie hierzulande vor allem bei grösseren Unternehmen vorhanden. KMU dagegen scheinen zurückhaltender. Rund 20 Prozent der befragten Unternehmen haben noch Projekte mit herkömmlicher Telefonie laufen. Viele glauben, VoIP habe eine ungenügende Sprachqualität, sei nicht zuverlässig und sehr teuer. Bei einer VoIP-Lösung, in die sich etwa Outlook integrieren lässt, könnten sich allerdings über 60 Prozent vorstellen, dass sie das Telefon künftig durch den PC ersetzen. Armin Baumann, CEO der ABA Management: «Was eine vermehrte und nachhaltige Einführung von VoIP in Schweizer Unternehmen bisher verhinderte, scheinen nicht nur die Investitionskosten zu sein, sondern vor allem auch die fehlende Aufklärung und Information über die Möglichkeiten und Vorteile von VoIP.»

Die Ansichten der Praktiker

Cisco-Marketingleiter Patrick Buck mag das so nicht stehenlassen. Er weist darauf hin, dass es auch unter den KMU durchaus «Early Adaptors» gebe, gesteht aber ein, dass ihnen die grosse Masse noch nicht gefolgt ist. Immerhin: «Bei Ausschreibungen – so sie denn stattfinden – ist heute praktisch immer auch VoIP dabei. Es wäre auch Aufgabe des Channels, vermehrt auf die Möglichkeiten der neuen Technologie hinzuweisen.»
Das Problem scheint darin zu liegen, dass das Telefonie-Know-how vieler KMU vom Elektroinstallateur stammt, dieser ist aber normalerweise auf die klassische Telefonie ausgerichtet. Unternehmen mit einem ausgeprägten Notes- oder Outlook-Umfeld mögen noch eher bereit sein, umzustellen, da sie die Vorteile der Vernetzung klarer vor Augen haben. Sinn macht VoIP letztlich nur, wenn die restliche Umgebung integriert wird.

Der Nutzen entscheidet

Hermann Graf, Geschäftsleiter der T&N Telecom & Netzwerk, kann solchen Überlegungen nur zustimmen: «Im Voice-Bereich gilt noch stärker als im Daten-Bereich: Schönheit der Lösung und Technologie sind kein Argument. Entscheidend ist der betriebswirtschaftliche Nutzen. Ab drei Standorten oder mehr als 50 Arbeitsplätzen ist VoIP daher nach unserer Erfahrung auch bei KMU durchaus ein Thema. Bezeichnenderweise hat sich im letzten halben Jahr keiner unserer Kunden mit mehr als 70 Anschlüssen für eine konventionelle Anlage entschieden.»
Für kleine Unternehmen, räumt er ein, falle ins Gewicht, dass die Umstellung auf VoIP nach wie vor teurer sei als eine konventionelle Anlage. Es gebe aber auch Beispiele dafür, dass sich kleinere und mittlere Kunden aus der Überlegung heraus, dass sie in den nächsten Jahren up-to-date sein und nicht nachrüsten möchten, für eine VoIP-Anlage entschieden.
Auch Johannes Schläpfer, Channel Manager Network Integration und Mitglied der Geschäftsleitung bei Ascom, stellt fest, dass betriebswirtschaftliche Überlegungen ausschlaggebend sind: «Wir setzen unsere VoIP-Lösung intern selber ein. Wir können daher mit gutem Gewissen sagen, dass Bedenken bezüglich Technologie und Service-Qualität nicht mehr angebracht sind. Wenn jedoch alte Anlagen noch ein paar Jahre brauchbar sind, werden die Investitionen in der heutigen Situation gern etwas hinausgeschoben und die Erfahrungen anderer abgewartet.» Als gute Option sieht er ein schrittweises Vorgehen, da manche Kunden noch nicht zu einer radikalen Umstellung bereit seien.

Bundles und Outsourcing

ABA-Marktforscher Baumann meint, VoIP könnte den Anbietern das Geschäft der nächsten Jahre etwas versüssen, wenn sie in der Lage seien, Schweizer KMU gebündelte Funktionalitäten zu attraktiven Preisen anzubieten.
Schläpfer weist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeiten des Outsourcing hin: «Die Kunden werden sich der Komplexität der Technologie und der Möglichkeiten von VoIP-Lösungen bewusst. Das macht die Auslagerung von Wartung und Betrieb, wie wir sie anbieten, zunehmend interessant. 60 Prozent unserer Schweizer Kunden nutzen diese Möglichkeit bereits.»
Auch wenn die befragten Anbieter überzeugt sind, dass VoIP bei KMU Zukunft hat, so stimmen sie doch den Marktforschern zu, dass die grosse VoIP-Welle erst am Anlaufen ist. (fis)


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