Lucent auf Partnersuche

Lucent macht aus der Not eine Tugend und besinnt sich auf den Partnergedanken. Können Partner dem ehemaligen Direktverkäufer trauen?

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/08

     

«Ericsson and Lucent do it again», titelte CNN einen Bericht über die aktuelle Lage der Netzwerkausrüster. Was sie wieder tun, ist Leute entlassen. Ericsson will weitere 17’000 Jobs streichen, nachdem seit Anfang des letzten Jahres bereits 25’000 Stellen wegfielen. Für Lucent betrug der Nettoverlust im letzten Quartal 495 Mio. Dollar.
Das ist zwar kein Milliardenverlust mehr, wie einige Male zuvor, aber doch der achte in Folge. Immerhin hat man endlich operativ den Break-even erreicht – das war die letzte Vorraussetzung um endlich den lange geplanten Spin-off von Agere (Komponenten) durchführen zu können. Das Umsatzziel, mit dem auch netto der Break-even erreicht werden soll, wurde aber noch einmal auf etwas unter 4 Mrd. Dollar pro Quartal nach unten korrigiert.
Das würde bedeuten, dass die Belegschaft bis Ende September um weitere 6000 Arbeitskräfte auf 50’000 reduziert werden müsste. Anfangs 2001 arbeiteten bei Lucent noch 105’000 Leute.

Strategieänderung

Wie reagiert Lucent auf diese brutale Abmagerungskur? Eine der Konsequenzen, welche die neue Chefin Patricia Russo Lucent verordnet hat, ist die Konzentration auf gestandene Telcos als Hauptzielkunden, anstatt der vorher heiss geliebten Newcomer. Bei deren Zusammenbrüchen, zum Beispiel Global Crossing, dürften auch einige Lucent-Dollars verschüttet worden sein.
Eine weitere Konsequenz ist die Reduktion des Direktverkaufs und der Einbezug von Partnern. 28 Kunden weltweit hat sich Lucent noch als Direktkunden reserviert, alle anderen sollen über Partnerunternehmen bearbeitet werden. «In der Schweiz ist nur Swisscom ein Direktkunde», sagt Bernhard Isemann (Bild) klar. Isemann hat vor zwei Jahren die Lucent-Niederlassung in Österreich aufgebaut und ist jetzt für den Aufbau einer Partnerlandschaft in der DACH-Region zuständig.

Kein Weg zurück

Der Zielkundschaft entsprechend kommen eigentlich nur grosse Systemintegratoren als Partner für Lucent in Frage. Isemann befindet sich denn auch mit den üblichen Verdächtigen (IBM, T-Systems usw.) in Verhandlungen. Bis zum Sommer hofft er, Ergebnisse vorweisen zu können, wobei es am Schluss einer, höchstens zwei Partner sein werden. In Österreich hat Lucent bereits mit Kapsch einen Vertrag abgeschlossen, der Vorbild für die Form einer solchen Partnerschaft sein könnte.
Kapsch, ein Unternehmen ähnlich wie Ascom, das auch selbst Ausrüstung herstellt, übernimmt alle Aufgaben bis hin zum First Level Support. Ein weiteres wichtiges Ziel einer Partnerschaft wäre der Aufbau des Marktes, denn hierzulande sind bisher vor allem die direkten Lucent-Konkurrenten Alcatel und Siemens präsent.
«Wir versuchen, die Verhältnisse zwischen uns und Partnern klar abzustecken», erklärt Isemann. Dass man einem ehemaligen Direktverkäufer ein gewisses Misstrauen entgegenbringt, ist ihm bewusst. Aber: «Der Prozess ist irreversibel», zerstreut er allfällige Bedenken. «Auch wenn ein Kunde nach zwei, drei Jahren grösser wird, könnte Lucent nicht wieder direkt gehen. Die Beziehung zwischen Kunde und Partner ist bis dahin viel zu eng.» (hjm)

Kundschaft Netzwerkbetreiber

«In der Schweiz», gibt Isemann offen zu, «hat Lucent bisher noch kaum Spuren hinterlassen.» Darum ist auch das Bild, das man hierzulande von Lucent hat, oft etwas verschwommen. Nach dem früheren Spin-off von Avaya und dem bevorstehenden von Agere habe Lucent heute noch drei Produktbereiche, erklärt er:
Infrastruktur für Telcos
Infrastruktur für Mobile Operators, bis hin zu einer Lösung zur Rechnungsstellung
Nur für Regierungen: Hardware und Software für Verschlüsselung/ Überwachung. Als Nebenprodukt daraus hat Lucent noch gewisse Security-Lösungen (Firewall, Verschlüsselung) für mittlere Unternehmen im Angebot.


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