Die Werbe-Welt ist voller Peinlichkeiten

Frank Baumann will die Abzockerei in der Kommunikationsbranche nicht mehr tatenlos mit ansehen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/07

     

Frank Baumann, Enfant terrible des Schweizer Fernsehens mit langjähriger Werbe-Erfahrung, hat die Nase voll. Und zwar gestrichen. «Alle zocken ab, niemand sagt ‘Halt’!» empört er sich über die Werbeszene, «ich versteh das nicht, aber vielleicht ist das ja auch Altersstarrsinn.»
Er will sich nicht mehr nur ärgern, sondern etwas unternehmen. «Wörterseh Second Opinion» heisst das Ergebnis: «Das ist eine Beratungsfirma, die Kommunikationskonzepte analysiert, schonungslos kritisiert und versucht zu helfen, bestehende kreative Leistungen zu optimieren.» Er will nicht das Rad neu erfinden, sondern nur «der Scharlatanerie in der Kommunikationsbranche entgegentreten».
Die Idee wurde geboren, weil er in seinen Kommunikationstrainings für Manager wiederholt zur Seite genommen und um Beurteilung einer Kommunikationskampagne gebeten wurde. «Ich habe festgestellt, dass die Unternehmen Entscheidungshilfen geradezu herbeisehnen. Die sind von der Kommunikationsscharlatanerie schlicht überfordert.»
Er will es nicht besser machen, sondern Grenzen aufzeigen. Einfach Stop sagen, wenn eine Kampagne ganz offensichtlich so keinen Sinn macht, und statt dessen Lösungen suchen, wie man es anders machen kann: «Vielleicht gibt es etwas ähnliches ja viel günstiger woanders. Ich bin schon so lange in der Werbeszene, dass ich helfen kann, die entsprechenden Leute zu finden. Das Problem ist ja: die Schweizer Szene ist endlich. Es gibt nur einige wenige kreative Ausnahmetalente. Die wechseln dann von Agentur zu Agentur, man muss bloss wissen, wo wer gerade steckt.»

«Das ist die Höhe!»

Die Preisspirale schraubt sich immer weiter nach oben. Einfache Ideen würden in aufwendigen Präsentationen zu Potemkinschen Dörfern aufgebläht. Die CEOs der Unternehmen seien nun einmal nicht auf der kreativen Seite daheim, müssten aber wohl oder übel die von den Agenturen ausgebrüteten Kommunikationskampagnen beurteilen.
«Nach der Präsentation der Agenturleute kann der nie und nimmer zu Hause seiner Frau erklären, um was es eigentlich ging.» Darum würde ihm die Agentur gleich noch ein dickes Buch in die Hand drücken, das die Kampagne nochmals lang und breit erklärt. Dort kann er nachlesen und seiner Frau vielleicht doch noch erklären, was die Kampagne eigentlich soll.
«Wenn die Idee schlicht und klar genug wäre – und darauf kommt es ja eigentlich an – dann bräuchte es das gar nicht.» Aber die Agenturen müssten die enormen Honorarforderungen irgendwie rechtfertigen. «Das macht die Geschichte nicht einfacher. Alles ginge einfacher und schneller mit weniger Theater, aber die müssen schauen, dass ihre Leute genug zu tun haben.»

Wie es sein soll

Seine Empfehlung: «Am besten spart man sich die Präsentationen und geht statt dessen mit den in Frage kommenden Agenturleuten in aller Ruhe essen. Schliesslich muss man ja wissen, mit wem man es wirklich zu tun hat und ob es menschlich klappt. Die Chemie muss stimmen, eine gute Skizze ist dann schnell gemacht.»
Am meisten regt Baumann auf, «wenn die Leute absichtlich nicht denken.» Was könnte man also besser machen? Frank Baumann hat die Lösung schnell zur Hand:
Der «Plausicheck» löse 99% aller Kommunikationsfragen: «Beispielsweise hätten sich die Manager von «Mars» fragen können, ob es denn plausibel ist, für viel Geld ein neues Logo zu entwickeln, das dann fast aussieht, wie das alte», grinst Baumann.
«Form Follows Function» – Auf keinen Fall an der Form basteln, so lange der Inhalt nicht absolut klar ist.
KISS (Keep It Straight and Simple) – «Wozu muss man immer solch unglaubliche Verrenkungen machen? Das Zeug muss doch schnell gehen. Es kommt vor allem auf hohe visuelle Rhetorik an. Bei Marlboro denkt jeder an Cowboys und umgekehrt, strenger Farbcode und ständige Wiederholung machen’s möglich», findet Baumann.
«Steter Tropfen höhlt den Stein» – Baumann: «Die Bedeutung von Ausdauer und Lesbarkeit wird oft unterschätzt. Wenn man ständig etwas ändert, kriegt man seine Marke nie in die Köpfe der Leute.»
Eigentlich, findet Frank Baumann, genügen oft schon einfache Fragen, etwa: Was machen eigentlich die fünf Assistentinnen und zwei Werbeberater während der 200 Arbeitstage pro Jahr, die da auf der Rechnung stehen?» (ava)


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