Abraxas neu aufgestellt und expansionsfreudig

Nach der Ausgliederung und Zusammenlegung der Informatikämter der Kantone St.Gallen und Zürich blieb bei der neuen Abraxas nur wenig beim Alten. Sehr viele der Mitarbeitenden sind neu und der Outsourcer, Systemintegrator und ASP kämpft sich durch die rauhen Winde der Marktwirtschaft.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/07

     

Der Zürcher Standort von Abraxas, ein Gebäude der kantonalen Steuerverwaltung, liess mich erschauern. Ich stellte mir unter Abraxas, den zusammengelegten und ausgelagerten ehemaligen Informatikbetrieben der Kantone St.Gallen und Zürich, einen behäbigen, quasi-staatlichen Betrieb vor. Als Geschäftsführer erwartete ich einen älteren, grauhaarigen, erfahrenen und mit allen Wassern der Bürokratie gewaschenen Herrn.
Weit gefehlt. Abraxas hat heute ausser der Tatsache, dass die Aktionäre zwei Kantone sind, nicht mehr viel mit einem Staatsbetrieb zu tun. Der Chef, Oscar Schwark (Bild), nennt sich selbst einen «Vollblutverkäufer». Er wurde im Herbst 2000 von aussen geholt, nachdem er beim MBO einer Ascom-Abteilung mitgemacht und seine Qualitäten im freien Markt unter Beweis gestellt hatte.
Im Verwaltungsrat von Abraxas, darauf legt Schwark sichtlich Wert, sitzen keine Politiker, sondern Fach- und Geschäftsleute. Abraxas muss profitabel arbeiten und geniesst keine politischen Privilegien mehr. So muss der Systemintegrator die Aktionärsdarlehen der beiden Kantone zu normalen Konditionen verzinsen und zurückzahlen.

«Doppelter Kulturschock»

Der Start von Abraxas sei im Zeichen eines «doppelten Kulturschocks» gestanden, sagt Schwark im Rückblick. Da war einerseits die Ausgliederung aus der kantonalen Verwaltung und andererseits die Zusammenlegung der St.Galler und der Zürcher Organisation. Das Ziel war, eine «Firma aus einem Guss» zu schaffen.
Per Anfang 99 stiessen 70 Leute vom Kanton St.Gallen, per 1.1.2000 dann 150 Mitarbeitende des Kantons Zürich zur Abraxas. «Bis Herbst 2000 ging es turbulent zu und wir hatten eine sehr hohe Fluktuation», sagt Schwark. Die extreme Fluktuation von über zwei Dritteln der Mitarbeitenden in 1999/2000 hatte aber auch ihre Vorteile. Der Wechsel in der Mentalität erfolgte so fast automatisch.
Unterdessen hat Abraxas einen Mitarbeiter-Bestand von über 300 Personen, weitere sollen laufend dazukommen. Die Personalsituation hat sich wie überall völlig entspannt. «Wir werden mit Bewerbungen von guten Leuten überflutet», so Schwark. Marketing, Verkauf, Rechnungs- und Personalwesen mussten in den Jahren 1999 und 2000 völlig neu aufgebaut werden. Mit 25 Mitarbeitenden bei Marketing und Verkauf habe man jetzt eine gute Grösse, meint Schwark.

Jagd und Bundessteuer

Heute betreibt Abraxas mit zwei Rechenzentren eine Vielzahl von Applikationen (Bundessteuer, Quellensteuer, Personal, Strassenverkehrsämter, Dokument-Management), woraus etwa 70% des Umsatzes resultiert. Unter den Applikationen gibt es exotische, wie eine komplexe E-Lösung für Jagd und Fischerei. Jäger können über das Web selbst Abschüsse melden und Fischer können Patente beantragen.
Für Gemeinden und kantonale Verwaltungen fungiert Abraxas als ASP (Application Service Provider). Abraxas betreibt und «vermietet» die E-Mail- und Internet-Infrastruktur an kantonale Verwaltungen und Gemeinden.

Harte Konkurrenz

Wer glaubt, Abraxas könne sich auf bestehenden, de facto unkündbaren Verträgen ausruhen, sieht sich getäuscht. Die st.gallisch-zürcherische Firma ist harter Konkurrenz ausgesetzt. So läuft zur Zeit die Ausschreibung für Betrieb und Wartung des kantonal-zürcherischen Kommunikationsnetzes.
Um das Auftragsvolumen von 60 bis 80 Mio. Franken balgen sich Grössen wie Siemens, T-Systems, Cablecom und Abraxas. Die Ausschreibung selbst erfolgt nach WTO-Regeln, bei denen die Entscheidungskriterien äusserst transparent sind. «Wir haben das immer schon gemacht» reicht als Argument nirgendwo hin. «Wir stehen im härtesten Wettbewerb, den es überhaupt gibt», kommentiert Schwark.

Wider den Kantönligeist

Ob nicht eine Standardisierung der verschiedenen Kantons-spezifischen Applikationen sinnvoll, da kostengünstiger, wäre, fragten wir Oscar Schwark. Seine Antwort fällt differenziert aus: «Die Gesetzgebung ist in jedem Kanton anders. Die direkte Bundessteuer ist beispielsweise in jedem Kanton anders geregelt.»
Ausserdem ist beispielsweise das Strassenverkehrsamt von Zürich nicht mit Nidwalden vergleichbar. Zürich regelt bis zu 1000 Zulassungen pro Tag, in Nidwalden kann man die gleiche Aufgabe im «Handbetrieb» erledigen. «Trotzdem schauen wir uns Branchenlösungen sehr gut an, die sich Schweiz-weit entwickeln und vertreiben liessen. Es gibt den Trend zur Standardisierung bei SAP-Lösungen. Wir werden diese Standardisierung vorwärts treiben und unsere Dienstleistungen auch anderen Kantonen anbieten.» (hc)

SAN über 105 km

Unter dem Projektnamen «Relieff» hat Abraxas die eigene Infrastruktur mit den beiden Rechenzentren in Zürich und St.Gallen vereinheitlicht. Als Plattformen werden NT, AIX und S/390 eingesetzt, für das Management der Infrastruktur entschied man sich für Tools von BMC, für das Backup für Tivoli Storage Manger.
Zusammen mit EMC baute man ein «Wide Area SAN» (über grosse Distanzen verteiltes Speichernetzwerk). Die Speicherschränke in St.Gallen und Zürich sind über ein Fibre-Channel-Netzwerk verbunden. Die theoretische Maximaldistanz von 80 km für diese Art von Verbindung wurde in einem mutigen Schritt auf 105 km ausgedehnt. Es hat geklappt.


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