Differenzieren in einer standardisierten Cloud-Welt

Differenzieren in einer standardisierten Cloud-Welt

Der Wettbewerb ist im Cloud-Business enorm, althergebrachte Geschäftsmodelle stossen an ihre Grenzen. ­Behaupten können sich vor allem jene Anbieter, die Beratungs­expertise mitbringen und sich darauf verstehen, die Komplexität von Multi- und Hybrid-Cloud-Umgebungen zu bewältigen.
12. Dezember 2025

   

Lange Zeit war das Geschäftsmodell von IT-Dienstleistern in Stein gemeisselt: Hardware und Softwarelizenzen beschaffen, Lösungen entwickeln und deren Wartung und Support übernehmen. Doch mit dem Aufstieg von Cloud-Technologien und dem (Managed-)Services-Vorstoss bei Herstellern und Endkunden hat eine neue Zeitrechnung im Channel eingesetzt. Damit einher geht nicht nur eine Anpassung des Portfolios und etablierter Vertriebsansätze, sondern ein grundsätzlich neues Denken mit einer angepassten Positionierung am Markt. Sprich: vielerorts ist eine strategische Neuausrichtung notwendig, die in den meisten IT-Unternehmen noch in vollem Gange ist.

Bereits seit mehreren Jahren gilt dabei das Mantra: IT-Dienstleister müssen sich weg vom reinen Reselling, hin zu Beratung, zum Trusted Advisor ihrer Kunden entwickeln. Es zählt, das Geschäftsmodell und die Anforderungen der Unternehmen bestmöglich zu verstehen, um dazu passende Lösungen und Services anzubieten – und im Idealfall gemeinsam eine Business-Transformation anzustossen, die über die IT-Abteilung hinausreicht. "Im Vertrieb von Cloud-Services ist die Kombination aus technischem Expertenwissen und Business-Verständnis entscheidend", unterstreicht auch Yannic Graber, Mitgründer von Joker IT aus Goldau. "Wir agieren als Trusted Advisor und nicht als IT-Dienstleister. Beratungskompetenz ist dabei unverzichtbar, denn Produkte sind heute überall verfügbar."


Graber spricht damit eines der wichtigsten Vorzeichen des Cloud-Marktes an. Dieser zeichnet sich naturgemäss durch eine gezielte Standardisierung der Services aus, die aus vielen Quellen bezogen werden können – während Preis- und Konkurrenzdruck hoch sind. So berichtet auch Marc Zimmermann, Head of Business Development bei UMB, von zunehmendem Wettbewerb von internationalen Anbietern, starkem Preisdruck und dem Wegfall klassischer Transaktionsmargen. Sich in diesem Kontext abzuheben und Alleinstellungsmerkmale herauszuarbeiten, ist daher eine der grössten Herausforderungen. "Wir differenzieren uns durch Automatisierung, individuelle Beratung und die Verbindung von Standardisierung im Kern mit gezieltem Tailoring für den Partner. So entstehen Lösungen, die effizient und wartbar sind, aber optimal auf das jeweilige Business abgestimmt", berichtet Graber. Automatisierung sei dabei ein zentraler Mehrwert sowohl für den Anbieter als auch den Kunden selbst. Dem hohen Preisdruck begegnet Joker IT wiederum mit schlanken Prozessen und "fairen, transparenten Modellen". "Als Boutique-Unternehmen arbeiten wir effizient und auf Augenhöhe. Wir zeigen echten Impact, indem wir die Cloud als strategisches Werkzeug für nachhaltigen Erfolg positionieren und durch die gesamte Cloud-Journey begleiten."
Marc Zimmermann unterstreicht ebenfalls, dass das tiefe Verständnis der Geschäftsanforderungen des Kunden im heutigen, komplexen Cloud-Business unerlässlich ist, um Lösungen bestmöglich an individuelle Anforderungen anzupassen. "Auch UMB setzt auf Standardisierung und Automatisierung, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Dank unserer Multi-Vendor- und Cloud-Strategie können wir aber die Kunden neutral beraten und Lösungen genau an ihren geschäftlichen Anforderungen ausrichten – unabhängig von einzelnen Providern und mit klarem Fokus auf die Business-Anforderungen, und weniger auf die Technik." So biete UMB gepaart mit Cybersecurity-Dienstleistungen und einem breiten Service-Portfolio eine ganzheitliche Betreuung aus einer Hand.

Services klar definieren und skalieren

Automatisierung und Standardisierung von Cloud-Services sind somit Herausforderung und Chance zugleich. Einerseits setzen sie die Entwicklung neuer, beratungszentrierter vertrieblicher Ansätze voraus, um sich weiterhin differenzieren zu können, andererseits schaffen sie die Möglichkeit, mehr Kunden schneller und effizienter zu beliefern, interne Prozesse zu optimieren und diese schlanker zu gestalten. "Im Cloud-Geschäft funktioniert Vertrieb nur, wenn Services klar definiert und wiederholbar sind", bekräftigt Stephan Mahler, CEO von Procloud. "Kunden wollen verstehen, was sie bekommen und welche Verantwortung wir übernehmen. Für uns heisst das: standardisierte Angebote, transparente Flat-Fee-Modelle und ein Support, der zuverlässig und schnell reagiert." Der klassische Projektverkauf passe dazu schlicht nicht mehr. Erfolgreich sei laut Mahler hingegen der Anbieter, der langfristige Services verkaufe, nicht einzelne Installationen. Differenzieren könnten sich IT-Dienstleister in Summe durch einen in der Schweiz verankerten Support, klare, SLA-basierte Managed Services, stabile Abläufe sowie fixe Preise für den Kunden. "Ausserdem ist es wie in vielen Bereichen immer noch so: die individuelle, persönliche Betreuung zählt", unterstreicht der Procloud-CEO.

Ein Selbstläufer ist die Umsetzung dieses Anspruchs selbstredend nicht. Auch IT-Dienstleister müssen sich in der komplexen Cloud-Welt zurechtfinden, entsprechendes Know-how aufbauen und das eigene Team auf die neuen Betriebs- und Vertriebsanforderungen vorbereiten. IT-Spezialisten, die zuvor auf Entwicklung und Wartung von Hardware- und Softwareumgebungen fokussiert waren, sind nun gefordert, sich primär mit Cloud-Architekturen und Service-Management auseinanderzusetzen. Das stellt gerade kleine IT-Dienstleister, die stark im Tagesgeschäft verankert sind, vor grosse Herausforderungen. Hinzu kommt Konkurrenz nicht nur aus den Channel-Reihen, sondern auch vonseiten der Cloud-Provider selbst, die mittlerweile eigene Self-Service-Marktplätze auch für Endkunden betreiben. Somit treten sie in den direkten Wettbewerb zu ihren Partnern, wie Marc Zimmermann von UMB bestätigt. "Die Marktplätze der Hyperscaler sind durchaus eine Form von Konkurrenz. Es ist nachvollziehbar, dass die grossen Cloud-Provider versuchen, einen grösseren Teil der Wertschöpfung selbst zu übernehmen – wie das zum Beispiel SAP mit SAP Rise tut." Dennoch bestehe aber Bedarf für das Angebot von IT-Dienstleistern, eben gerade in der Beratung der Kunden und der Erarbeitung von gemeinsamen Lösungen.


Yannic Graber von Joker IT betont zudem die Chancen der Provider-Portale für das Partnernetzwerk. "Diese Plattformen stehen auch uns zur Verfügung, um eigene Services gemeinsam mit den Hyperscalern zu platzieren, beispielsweise unser umfassendes M365 Security Audit." Self-Service-Angebote decken dabei laut Graber einfache Szenarien ab. Sobald es jedoch um Governance, Security, Compliance und die Integration in bestehende Prozesse geht, brauche es Expertise und spezifisches Know-how. "Wer Standard-Tools einfach nach Standard einführt, ohne die individuellen Anforderungen zu berücksichtigen, wird kaum einen Wettbewerbsvorteil erzielen." Eine Einschätzung, die auch Stephan Mahler von Procloud teilt. So seien die Marktplätze zwar ein Vertriebskanal für die Hyperscaler, jedoch kein Ersatz für IT-Dienstleister. "Kunden erhalten dort Produkte, aber niemand kümmert sich um Architektur, Security, Monitoring, Backup oder Incident Management. Auch keine Beratung, kein Governance, kein persönlicher Support. Unser Wert liegt genau dort: Wir betreiben die Umgebung und stehen dem Kunden im Alltag zur Seite."

Die Komplexität meistern

Hier zeigt sich einer der wichtigsten Business-Hebel der Cloud-Welt: steigende Komplexität. Ein grosser Teil der Unternehmen kann und will sich heute nicht mehr auf einen Cloud-Provider konzentrieren, sondern jeweils die für das individuelle Szenario besten Dienste beziehen. Und das oft über zahlreiche Anbieter und Plattformen hinweg. Diese heterogene Service-Landschaft zu managen, erfordert aber Ressourcen, Know-how und Expertise. Hier kommt der IT-Dienstleister ins Spiel: "Komplexe Multi-­Cloud-Modelle sind für uns als IT-Dienstleister eine grosse Chance. Da wir die Technologien und Eigenheiten aller führenden Cloud-Anbieter kennen, können wir deren Sprache sprechen und ihre Stärken gezielt kombinieren", erklärt Zimmermann. "So treten wir als neutraler Vermittler zwischen Providern und Kunden auf, schaffen Transparenz und unterstützen dabei, die optimale Balance zwischen Leistung, Kosten und Sicherheit zu erreichen. Vor allem aber vertreten wir die Interessen unserer Kunden gegenüber den Cloud-Providern."


Und der Ansatz eines unabhängigen, breitgefächerten Portfolios gewinnt im Zuge der aktuellen Diskussion um digitale Souveränität weiter an Bedeutung. IT-Dienstleister können abermals eine Schnittstellenfunktion übernehmen und Unternehmen dabei beraten, welche Dienste in welcher Cloud nicht nur effizient, sondern auch sicher und konform betrieben werden können. "Seit der Ära Trump & Co. sind die sicherheitspolitischen Bedenken wieder grösser geworden. Technologisch, preislich und sicherheitstechnisch sind die Hyperscaler-Angebote jedoch unangefochten zu alternativen Angeboten", konstatiert Stephan Mahler. Daher bedürfe es tiefgreifender Expertise, um Kunden möglichst die beste Lösung bieten zu können. Und gleichzeitig wachse durch diese Komplexität der Wunsch vieler Kunden nach vollständigem Outsourcing: eine Chance für den IT-Partner. "Viele KMU wollen einen Partner, der den Alltag zuverlässig übernimmt." Marc Zimmermann unterstreicht ebenfalls: "Als Multi-Cloud-Provider mit unserer eigenen UMB Cloud sowie den führenden Hyperscalern im Portfolio entwickeln wir echte Multi-Cloud-Lösungen. Lokale Anbieter bieten dabei Vorteile wie direkte Verträge, dedizierte Service Manager, feste Ansprechpartner und die Kommunikation in Landessprache." Zudem ermöglicht dies laut dem UMB-Manager mehr Flexibilität, auch in Hinblick auf die geopolitische Situation, die den Trend zu souveränen Cloud-Lösungen verstärkt – "auch wenn man unter Souveränität nicht immer das gleiche versteht."

Abkehr vom reinen Projektdenken

Beraten, individuelle Lösungen entwickeln, Komplexität reduzieren: IT-Dienstleistern bieten sich auch im wettbewerbsintensiven Cloud-Umfeld nach wie vor beachtliche Chancen. Der Markt wächst in der Schweiz, während das klassische Geschäft rund um Installation und Wartung zusehends an seine Grenzen stösst. Wer heute aber erfolgreich sein will, muss mehr leisten, als nur Services von A nach B zu schieben. Das setzt ein strategisches Umdenken voraus und den Aufbau eines verinnerlichten Service- oder Managed-Service-Vertriebsmodells – bis hin zu sogenannten Cloud-Brokern, die sich nur noch in der Cloud-Welt bewegen und ausschliesslich als Vermittler und Manager agieren. Anbieter wie Joker IT und Procloud haben in diesem Spannungsfeld ohne Frage Vorteile, da sie bereits von der Pike auf als Cloud-zentrierte IT-Dienstleister konzipiert wurden, "dadurch konnten wir früh auf wiederkehrende Prozesse setzen, auf Automation, Servicepakete definieren, Flat Fees einführen und Support sowie Betrieb konsequent nach Cloud-Prinzipien aufbauen", so Mahler. "Viele traditionelle Anbieter müssen das erst umstellen – das dauert und tut manchmal weh."
Nichtsdestotrotz sind IT-Dienstleister gut beraten, diese Hürden anzugehen, den Weg lieber früher als später zu gehen und Cloud-Services nicht nur als Add-on für ihr Geschäft zu verstehen. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre hat mehr als einmal unterstrichen, dass die grösste Wertschöpfung für den Channel mittlerweile im Services-Bereich liegt und das Projektgeschäft zusehends auf dem Rückzug ist.

"Cloud ist kein Produkt, sondern ein ­Betriebsmodell"

Quelle: Joker IT
Wie sieht eigentlich die ideale Wertschöpfung im Cloud-Business aus? An welchen Stellen der Cloud Journey können IT-Dienstleister besonders profitieren?

Die ideale Wertschöpfung im Cloud-Business entsteht über den gesamten Lifecycle. Cloud ist kein Produkt, sondern ein Betriebsmodell. Deshalb begleiten wir unsere Partner durch alle Phasen der Cloud Journey: Orientieren, Durchstarten, Optimieren und Evolvieren. Jede Phase ist gleichermassen relevant, abhängig davon, wo sich der Partner gerade befindet. Das ist unsere Stärke: Wir sind ausgewiesene ­Spezialisten und können die gesamte Journey abdecken.


Automatisierung schafft Effizienz, reduziert Risiken und ermöglicht Skalierung. Projekte sind attraktiv, aber nachhaltige Partnerschaften sind für beide Seiten langfristig wertvoller. Wiederkehrende Services bieten Planungssicherheit und kontinuierlichen Mehrwert. Unsere Managed Services sind so ausgelegt, dass wir die gleichen Ziele wie unsere Partner verfolgen. Wir setzen nicht auf möglichst viel Aufwand, sondern auf Effizienz und gemeinsame Erfolge (Fairness / win-win). Denn nur gemeinsame Ziele können gemeinsam erreicht werden. Joker IT übernimmt die Rolle des Trusted Advisor für Strategie und Umsetzung und ist gleichzeitig Betreiber für einen sicheren, automatisierten Betrieb mit Fokus auf Security und Governance.


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