«Es geht nicht mehr darum, irgendwelche Software­lizenzen bereitzustellen»
Quelle: Pax8

«Es geht nicht mehr darum, irgendwelche Software­lizenzen bereitzustellen»

Cloud-Marketplace-Betreiber Pax8 ist auch in Europa im Aufwind und positioniert sich als Herausforderer der klassischen Distributon. DACH-Vertriebschef Thorsten Oevel spricht im Interview über Alleinstellungsmerkmale, die Partnerschaft mit Brack.Alltron und Managed Intelligence Provider.

Artikel erschienen in IT Reseller 2025/12

   

«IT Reseller»: Herr Oevel, vor einigen Monaten hat Pax8-CEO Scott Chasin nicht an Kritik an den Broadline-Distributoren gespart und sie in einer grossen Anzeige in der New York Times frei übersetzt als Modell der Vergangenheit bezeichnet. Anders gefragt: Sind Cloud Marketplaces also die Zukunft des Channels?
Thorsten Oevel:
Für Managed Service Provider auf jeden Fall. Die klassische Broadline-Distribution wird zwar weiterhin ihre Berechtigung haben, insbesondere im Hardware-Geschäft. Das ist aber nicht der Fokus von Pax8 und wir werden uns auch künftig nicht in diese Richtung orientieren. Gleichzeitig möchte ich es positiv hervorheben: Unternehmen, die zu Hundert Prozent ihre Ressourcen und Know-how konsequent auf den Ausbau und die Weiterentwicklung ihres Marketplace konzentrieren, mit voller Leidenschaft und Fokus, positionieren sich als starke Partner für MSPs in der Zukunft. Zudem beobachten wir seit Jahren eine deutliche Bewegung und Transformation bei den Broadlinern, die sich neu ausrichten und an die veränderten Marktbedingungen und Anforderungen anpassen.

Wollen Sie damit im Channel also jene Führungsrolle übernehmen, die bisher die Broadline-Distribution als Multiplikator innehatte?
Absolut, das ist unser Anspruch. Es ist unser Anspruch, inhaltlich, mit unserer Philosophie, mit unserer gesamten Strategie und mit den Impulsen, die wir setzen, den Finger auch ein bisschen in die Wunde zu legen und mit einem Wake-up-Call ein Ausrufezeichen in der Community zu setzen. Ohne übermütig und arrogant zu sein, aber doch in einer führenden Rolle. Das ist die Erwartungshaltung, die wir an uns haben.


Verändert sich in diesem Zuge auch die grundlegende Channel-Struktur? Ist das klassische dreistufige Vertriebsmodell obsolet?
Ich denke nicht, dass es gänzlich obsolet ist. Aber die Rolle der Distribution beziehungsweise des Marketplace-Anbieters wird sich ändern. Es geht nicht mehr darum, irgendwelche Softwarelizenzen bereitzustellen, sondern darum, einen Mehrwert zu schaffen und als Enabler im Channel zu agieren. Es geht darum, den Partner zu begleiten und ihm Werkzeuge und Chancen an die Hand zu geben, aufzuzeigen, wo die Reise in Zukunft hingeht. Hier stellen wir Ressourcen zur Verfügung, Trainings, Consulting und unsere Marketplace-Features, um Managed Service Provider bestmöglich zu unterstützen.
Gleichzeitig ist Pax8 aber nicht der einzige Cloud-Marketplace-Anbieter am Markt. Vor allem die Hyperscaler verfolgen mit ihren Plattformen ähnliche Ansätze, unterstützen die Partner und entwickeln sie. Lässt das noch genug Raum und wie kann man sich hier differenzieren?
Zum einen durch unseren Innovationsanspruch. Wir wollen mit unserem Marketplace, seinen Features und einer End-to-end-Automatisierung jederzeit einen Schritt voraus sein und Partnern dabei helfen, zu wachsen. Besonders, indem wir Cross- und Upsell-Potenziale in unserem Portfolio aufzeigen. Dieses umfasst in der Region derzeit mehr als 80 Vendoren. Der Marketplace ist dabei das Herzstück. Zum anderen geht es aber auch darum, was wir um dieses Angebot drumherum bauen. Wie erwähnt bieten wir Lernpfade, Trainings, Consulting, um den Partner zu enablen und weiterzuentwickeln. Ich denke, hier unterscheiden wir uns elementar von den Hyperscalern, da wir Partner nicht nur punktuell, sondern umfassend betreuen.

Wie sind Sie mit diesem Konzept in der Schweiz gestartet? Werden der Ansatz Cloud Marketplace und die gesamte Cloud-Transformation gut angenommen?
In der Schweiz stehen wir natürlich noch ganz am Anfang, wir sind hier erst vor rund sieben Monaten gestartet. Daher gibt es quantitativ noch sehr viel Luft nach oben. Aber wir haben bereits ein riesiges Momentum durch die Zusammenarbeit mit Brack.Alltron im CSP-Geschäft. Wir gewinnen jeden Tag Partner dazu und befinden uns weit vor unserem eigentlichen Zeitplan. Und grundsätzlich sehen wir sehr viel Offenheit im Markt. Komplett durch die Bank. Es gibt sicherlich Unterschiede, wie schnell Partner diese Transformation angehen. Aber es gibt wiederum auch keinen Partner, der sich im Gespräch mit uns nicht offen zeigt oder sich nicht weiterentwickeln möchte.


Die Zusammenarbeit mit Brack.Alltron ist also gut angelaufen?
Die Zusammenarbeit mit Brack.Alltron ist fantastisch. Die Chemie stimmt, ebenso wie die Philosophie, der Anspruch und die Ziele. Wir arbeiten Hand in Hand. Jetzt sind wir kurz davor, auch die Brack-Endkunden onzuboarden und in die Pax8-Welt zu überführen. Wir werden für jeden Brack-Endkunden Pax8 Storefronts live schalten. Das ist ein ganz wichtiger Schritt. Auf der All­tron-Seite haben wir bereits eine dreistellige Zahl an Partnern überführt. Damit liegen wir deutlich vor unserem Plan und wir merken, dass die Zusammenarbeit auch von der MSP-Community in der Schweiz sehr gut angenommen wird. Daher auch ein Riesenkompliment an das Alltron-Team, das dazu einen ganz wichtigen Teil beigetragen hat. Und die nächsten wichtigen Eckpfeiler stehen schon. Wir werden in den kommenden Wochen verschiedene Migrationstools zur Verfügung stellen. Denn es gibt sehr viele Kleinstkunden bei den Partnern und es wäre absoluter Wahnsinn, wenn der MSP jeden Vertrag manuell anfassen müsste. Daher haben wir Tools entwickelt, mit denen er per Knopfdruck alle Kunden überführen kann. Es geht also wieder um Automatisierung, Effektivität und Effizienz: das ist unser Thema.
Ist diese Zusammenarbeit ein Paradebeispiel für den Channel der Zukunft? Auf der einen Seite ein Cloud-Marketplace-Anbieter, auf der anderen Seite ein Distributor für das klassische Geschäft? Beide Hand in Hand.
In unserem Fall ist es so und für uns beide eine Win-win-Situation. Wir bieten Zugriff auf ein deutlich grösseres Cloud- und Vendoren-Portfolio, als es Alltron zuvor möglich war. Das ist ein deutlicher Mehrwert. Und auf der anderen Seite hilft uns diese strategische Partnerschaft natürlich dabei, schnell Vertrauen im Schweizer Markt zu gewinnen. Beide Seiten profitieren also unheimlich.

Mit dem Thema Künstliche Intelligenz steht nun bereits das nächste grosse Entwicklungsthema vor der Tür, das Sie mit Pax8 unter dem Begriff Managed Intelligence Provider, MIP, aktiv vorantreiben. Sollten Partner hier Gas geben?
Mit diesem Thema sollte man sich auf jeden Fall schnell beschäftigen. Einerseits damit, wie ich KI und Agents im eigenen Unternehmen einsetzen kann, um die Effizienz und die Produktivität zu steigern. Andererseits geht es um die Frage, wie ich mein Geschäftsmodell darauf ausrichten kann, um der Nachfrage der Unternehmen aus dem KMU-Bereich gerecht werden zu können. Sonst komme ich schnell auf dünnes Eis und kann meine Daseinsberechtigung verlieren. Daher braucht es einen konkreten Fahrplan und den Willen, ihn auch umzusetzen. Niemand sollte heute eine Kerze anzünden und hoffen, dass dieses Hype-Thema morgen wieder verschwindet. Das wird nicht passieren.


Hat ein IT-Dienstleister, der sich heute nicht mit dem Thema beschäftigt, also künftig keine Daseinsberechtigung mehr?
Es wird auf jeden Fall schwierig werden, ja. Der Druck seitens der Endkunden wird steigen, ebenso wie die Nachfrage nach KI und Agenten. Zuvor ging es hier noch primär um Enterprise-Kunden, aber jetzt ist das Thema auch im KMU-Segment angekommen und damit die Bereitschaft, die Technologie zu integrieren. Daher muss sich jeder IT-Dienstleister fragen, wie risikobereit er ist, im Zweifel keine Antwort auf die Frage zu haben.
Und was zeichnet einen Managed Intelligence Provider genau aus?
Er ist nicht mehr nur ein Software-Bereitsteller, der vielleicht hier und da noch ein paar Services draufpackt. Während traditionelle Modelle für die Bereitstellung von Managed Services an ihre Grenzen kommen, sind Managed Intelligence Provider der nächste Schritt der Evolution. Sie sind Architekten einer intelligenten Infrastruktur. Sie bauen agentische Systeme auf und orchestrieren die Generierung von Mehrwert durch die Geschäftsabläufe. Ein MIP berät und transformiert seinen Endkunden. Er hilft mit einer AI-Perspektive dabei, Workflows neu abzubilden, Effektivität und Effizienz zu steigern und Prozesse zu automatisieren. Mit dem Begriff Managed Intelligence Provider wollten wir als Pax8 einen Impuls in dieses Richtung setzen und gemeinsam mit den Partnern über den Tellerrand schauen, um den nächsten transformativen Meilenstein ins Auge zu fassen. Extrem wichtig ist dabei: KI auf hohem Niveau einfach und im Sinne aller Beteiligten nutzbar zu machen. KI automatisiert Abläufe, spart Zeit ein und steigert die Effizienz. Deshalb können sich unsere Partner und alle Managed Service Provider auf ihre Endkunden und deren Bedürfnisse als Mensch konzentrieren. Für die menschlichen Aspekte wie engere Betreuung, Kreativität und individuelle Prozesse für jeden Einzelnen schafft KI Zeit. KI ist im Fokus – aber gerade das Menschliche geht durch sie nicht verloren. Es profitiert davon, das ist der Kernansatz von Pax8.

Kann der Channel bei all dieser Transformationsgeschwindigkeit überhaupt noch Schritt halten? An Entwicklungen mangelt es in der Branche aktuell nicht unbedingt.
Ich denke, dass er das kann. Aber hier sehe ich auch die Verantwortung von Pax8, dem Partner zur Seite zu stehen und mit dem Know-how, das wir in den eigenen Reihen haben, unter die Arme zu greifen. Damit grenzen wir uns von Marktbegleitern ab, weil wir ein reines Cloud-Unternehmen sind und ein Marketplace-Anbieter, der das Tempo mit einem Bauchladen an Services für den Partner an anderer Stelle auch ein bisschen rausnehmen und gewisse Themen übernehmen kann. Das schafft für ihn die Möglichkeit, seine Ressourcen auf andere Punkte zu fokussieren.


Unterscheidet das Pax8 von der klassischen Distribution? Dass Logistik, Lagerhaltung et cetera keine internen Ressourcen binden?
Ja, absolut. Nicht nur mit Blick auf Marktbegleiter ist es sicherlich von Vorteil, wenn sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzig und allein auf Cloud- und AI-Themen, auf unsere Transformation und die Gestaltung unseres Portfolios konzentrieren. Unsere Entwickler machen jeden Tag nichts anderes, als ihre Energie und ihre Kreativität in den Marktplace und die Services drumherum zu stecken. All das macht den Unterschied.

Spiegelt sich Ihr Führungsanspruch also auch im Wachstum im DACH-Raum wider? Sind Sie in der Region auf einem guten Weg?
Wir sind im DACH-Raum in diesem Jahr überproportional stark unterwegs. Wir nehmen uns aber auch Zeit und überstürzen nichts, denn wir wollen Qualität sicherstellen. Wir wollen zudem noch mehr Sichtbarkeit für Pax8 schaffen und potenziellen Partnern erklären, wie wir uns differenzieren und welchen Mehrwert wir bieten können. Das geht nicht von heute auf morgen und daher werden wir weiterhin jede Möglichkeit nutzen, um unsere Geschichte zu erzählen. (sta)


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