«IT Reseller»: Herr Grädel, Anfang Juli haben Sie bei Akros den Posten als CEO übernommen. Wir waren die ersten Wochen und Monate für Sie?
Manuel Grädel: Sehr spannend. Es ist auch eine Herausforderung, die mir guttut. Ich mag es, in neue Rollen zu schlüpfen, neue Dinge umsetzen zu können und mich neuen Herausforderungen zu stellen. Bisher hat es mir also sehr viel Freude gemacht.
Kamen denn viele neue Anforderungen und Aufgaben auf Sie zu oder war der Übergang fliessend?Beides. Auf der einen Seite gab es sehr viel Kontiunität, ich kenne die Akros sehr gut, ich kenne die Kunden und die Menschen im Unternehmen. Das hilft natürlich. Aber auf der anderen Seite ist es auch eine neue Perspektive für mich, vor allem mit Blick auf die Verantwortung.
War es für Sie persönlich schwierig, in die neue Rolle hineinzuwachsen? Immerhin sind Sie bereits seit über 20 Jahren im Unternehmen und sicher mit dem einen oder anderen Kollegen die Karriereleiter hochgeklettert. Muss man sich als CEO nochmals neu etablieren?Sicherlich gibt es eine Erwartungshaltung. Aber auf der anderen Seite ist der Wechsel nicht plötzlich passiert, sondern wurde sorgfältig vorbereitet. Und auch mit Blick auf unsere Kultur war das nie problematisch. Ganz im Gegenteil. Ich war sehr positiv überrascht, wie viel Support ich erfahren habe. Von Geschäftsleitungskollegen und von den Menschen innerhalb der Akros und der Gruppe. Letztlich ist es aber sicher auch eine Umgewöhnung für mich selbst und die Menschen in meinem Umfeld, dass ich eine neue Rolle habe.
Und ihr Vorgänger, Herbert Ender, ist jetzt auf Gruppenebene tätig?Genau, er hatte seit mehr als 13 Jahren die operative Leitung bei Akros inne. Seit April 2025 ist er Verwaltungsratspräsident der Noser Group. Der Wechsel in der Geschäftsleitung von Akros war entsprechend Teil einer vorausschauend geplanten Nachfolgelösung.
Warum ist die Entscheidung für eine interne Nachfolgelösung und nicht etwa eine externe Kandidatin oder einen externen Kandidaten gefallen?Es liegt in unserer Kultur und unseren Werten, dass wir Nachwuchs fördern. Das zieht sich von der Lehre durch die gesamte Karriere. Und wir haben bewusst auf eine interne Lösung gesetzt, weil uns Kontinuität wichtig ist. Sicher geht es auch um frische Impulse, aber vor allem wollen wir das, was Herbert Ender und die Geschäftsleitungskollegen in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, mit einer gewissen Konstanz weiterführen.
Was unterscheidet Sie denn von Ihrem Vorgänger? Welchen frischen Wind bringen Sie mit ein?Herbert Ender und ich sind sicherlich ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, mit unterschiedlichem Hintergrund. Was uns aber vereint, ist der Blick auf
Akros. Wir haben über die Zeit, in der wir zusammengearbeitet haben, ein gemeinsames Verständnis entwickelt, ohne unsere Standpunkte gänzlich aneinander anzugleichen. Dieser Mix ist gut für das Unternehmen. Und ich freue mich, in Zukunft auch eigene Akzente zu setzen.
Sie haben aber doch sicherlich schon Änderungen oder Projekte angestossen?Akros hat ein paar zentrale Stärken, die für mich im Fokus stehen, die man noch weiter entwickeln kann. Wir haben beispielsweise eine extrem gute Delivery-Struktur und sind sehr nahe beim Kunden, auch lokal. Wir können beispielsweise innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen solide Angebote erstellen. Das hebt uns auch von der Konkurrenz ab, die oft längere Entscheidungsprozesse hat. Das wollen wir noch weiter ausbauen. Gleichzeitig wollen wir künftig vermehrt die gesamte Verantwortung für Informatiklösungen übernehmen. Das haben wir in Vergangenheit vereinzelt gemacht, aber noch ein wenig zaghaft. Auch das wollen wir stärken.
Sie übernehmen also den Lead im Projekt? Liegt diese Entscheidung nicht beim Kunden?Ja, diese Entscheidung liegt natürlich beim Kunden. Aber der Bedarf ist ohne Frage da, dass Kunden Probleme in Summe an Unternehmen wie Akros übergeben können, die sich dann um die gesamte Lösung kümmern. Wir fokussieren uns dabei auf unsere Kernkompetenzen, wenn es aber um Aufgaben wie beispielsweise den Betrieb von Serverlandschaften geht, holen wir wiederum selbst Partner mit an Bord.
Und wo sehen Sie denn die aktuellen Kernkompetenzen von Akros?Akros ist ein Schweizer IT-Dienstleister mit starker Verankerung im öffentlichen Sektor und in regulierten Branchen. Unsere Kernkompetenzen liegen in der Softwareentwicklung, in der professionellen Qualitätssicherung und Testautomatisierung sowie im Datenmanagement und der Geschäftsprozessintegration. In letztgenanntem Bereich übernehmen wir Projektleitung, Beratung und Business-Analyse für komplexe Geschäftsprozesse. Ergänzend verfügen wir über tiefes Know-how in IT-Architekturen und Systemintegration sowie über eine hohe Kundennähe dank lokaler Delivery-Strukturen. Dafür steht
Akros: für zuverlässige Umsetzung, methodische Exzellenz und partnerschaftliche Zusammenarbeit in anspruchsvollen Projekten.
Wie verändern sich wiederum Ihre Anforderungen und Prozesse, wenn Sie verstärkt die Gesamtverantwortung in den Projekten übernehmen?Vor allem verändern sich die Sales-Zyklen. Teils sind wir ein halbes oder auch ein ganzes Jahr dran, um die Anforderungen abzuklären und alles abzustecken, bis letztlich das Go und auch die Umsetzung folgen. Zudem verändert sich das Risikoprofil. Wir haben zwar mehr Freiheiten, tragen aber natürlich auch mehr Risiko. Was für uns aber wichtig ist, weshalb wir das auch machen wollen, ist die längerfristige Zusammenarbeit. Denn wenn man für den Kunden eine Lösung baut, diese weiterentwickelt und betreibt, dann entstehen Partnerschaften, die über 10 bis 15 Jahre laufen.
Das Geschäft wird also besser planbar?Genau, zumeist gibt es eine Projektphase, und anschliessend folgen Wartung, Weiterentwicklung und Betrieb. All das können wir mit unserer Expertise anbieten, bis auf wenige Ausnahmen wie beispielsweise den erwähnten Betrieb der Rechenzentren.
Hier wollen Sie kein eigenes Know-how aufbauen?Wir haben uns strategisch entschieden, dass wir das bei Akros nicht aufbauen wollen. Das überlassen wir den Spezialisten. Hinzu kommt, dass wir mit Sublieferanten in Projekten auch ein Backup haben, falls wir etwas nicht umsetzen können oder das Personal ausgelastet ist.
Sie sind mit Akros sehr stark im öffentlichen Sektor aktiv. Wo sehen Sie hier die aktuell grössten Business-Chancen?Es mag schon etwas abgedroschen klingen, aber es ist weiterhin die Digitalisierung. Gerade die E-Government-Themen haben noch viel Potenzial nach oben. Das gilt besonders für Künstliche Intelligenz. Hier sind wir in Tat und Wahrheit meist noch auf der Seite des Ausprobierens. Es gilt, überhaupt erst die Grundlagen zu schaffen, um Geschäftsprozesse und Dienstleistungen um KI ergänzen zu können.
Es braucht also noch Zeit, bis im KI-Bereich ein grösseres Geschäftspotenzial entsteht?Das vermute ich, ja. Der Druck wird sicher weiter zunehmen, auch international. Es geht nicht nur darum, rein den technischen Aspekt umzusetzen. Man muss auch das Vertrauen bei den Menschen aufbauen. Das wird uns sicher noch zwei bis drei Jahre beschäftigen.
Und wie ist grundsätzlich Ihre Einschätzung als Profi: Wo sehen Sie den öffentlichen Sektor aktuell beim Thema Digitalisierung?Also im Bundesumfeld, aber auch bei Banken, Versicherungen und im Energiesektor, wo wir unterwegs sind, findet man in Hinblick auf Technologien und Tools schon viel Modernes. Behörden gelten in vielen Köpfen oft als etwas verstaubt und zwei Schritte hinterher. Aber tatsächlich sind viele Bereiche sehr agil und modern unterwegs. Sie haben ein gutes Verständnis moderner Architekturen und Softwareentwicklung aufgebaut. Daher sehe ich hier keine grossen Defizite. Aber sicherlich gibt es im Rahmen der Digitalisierung noch viel mehr Möglichkeiten für Vernetzung, Vereinfachung und Optimierung, die wir ausschöpfen können.
Im Digitalisierungsumfeld sind Kundenprojekte meist hochindividuell. Ist das auch die Zukunft von Akros? Wenig Standardisierung, viel Individualisierung?Unser strategischer Fokus liegt auch weiterhin auf massgeschneiderten Lösungen. Grössere Projekte können sicher auch Standardkomponenten enthalten, aber der Beitrag von Akros ist die Expertise rund um diese Standardlösungen beziehungsweise die Individualsoftware-Entwicklung.
Steigt in diesem Umfeld der Wettbewerb – wie in vielen anderen IT-Bereichen auch?Auch wir spüren einen steigenden Wettbewerb. Das benachbarte Ausland ist dabei ein Thema. Viele Wettbewerber kommen mittlerweile aus Deutschland und Österreich. Der zweite Punkt ist, dass der Fachkräftemangel in den vergangenen Jahren dafür gesorgt hat, dass viele Unternehmen ihre Hürden immer weiter gesenkt haben und nun andere Bedingungen gelten. Beispielsweise gewinnt ein Dienstleister einen Rahmenvertrag und kann nun mehrere Subunternehmen im Hintergrund an Bord haben. Damit verbreitern sich die Kanäle, der Wettbewerb steigt. Aber auch wir haben uns das zunutze gemacht und ein breites Netzwerk an Subunternehmen aufgebaut. Wir binden sie eng ein, stellen sicher, dass die Zusammenarbeit partnerschaftlich funktioniert und lösen so die Probleme unserer Kunden.
Und wie können Sie sich darüber hinaus gegen diesen starken Wettbewerb behaupten?Für uns ist es die erwähnte Mischung aus Kontiunität und neuen Impulsen. Wir haben sehr gute Kundenbeziehungen. Kunden schätzen unsere Qualität, unsere Zuverlässigkeit, unsere Geschwindigkeit. Das müssen wir aufrechterhalten, lokal sein, bei den Kunden sein und uns so über unsere Nähe und gute Arbeit weiterempfehlen.
Aber sicher spielt doch auch bei öffentlichen Ausschreibungen der Preis eine entscheidende Rolle?Das stimmt, der Preis spielt eine grosse Rolle. In Vergangenheit hatten wir hier meist ein Spektrum, in das wir uns einreihen können und wissen, dass das gewinnfähige Preise sind. Aber gerade durch den veränderten Wettbewerb haben wir heute immer öfter einen Preisbrecher drin, der es irgendwie schafft, noch niedrigere Preise anzubieten. Das stört das zuvor sehr berechenbare Gefüge. Gleichzeitig haben unsere Kunden aber gemerkt, dass Qualität an vielen Stellen wichtig ist. Dafür sind sie auch bereit, einen angemessenen Preis zu bezahlen. Denn bei den erwähnten Preisbrechern gibt es viele durchwachsene Erfahrungen. Auch das stärkt wieder unsere Position als verlässliche Partnerin.
Sind Sie denn grundsätzlich zufrieden mit dem Ausschreibungsprozess? Oft hört man die Kritik, dass er zu komplex und unflexibel sei. Wir sind nicht unzufrieden. Aber bei
Akros kennen wir den gesamten Prozess auch sehr gut. Nicht ideal ist allerdings, dass es sehr lange dauert, bis es tatsächlich um Menschen geht. Denn letztlich sind es ja die Menschen, die den Projekterfolg ausmachen. Man arbeitet aber erst sehr lange an formalen Hürden, und erst wenn alles grün ist, dann geht es mal um den Menschen. Ich kenne noch Zeiten, da hiess es: «Schau, der kann das, das kommt gut». Man hat etwas besprochen und dann ist das auch schnell gelaufen. Das ist heute etwas eingeschränkter und komplexer. Aber das ist auch verständlich, man muss eine gewisse Konformität einhalten.
Haben Sie eine Empfehlung, auch fernab der Ausschreibungen, um die Digitalisierung im öffentlichen Sektor zu fördern oder zu beschleunigen? Wir haben oft erst die Möglichkeit ein Angebot zu machen, wenn schon einigermassen klar ist, was der Kunde will. Aber gerade bei Digitalisierungsthemen steht eben sehr lange nicht fest, was genau umgesetzt werden soll. Daher könnte ein stärkeres Miteinander mit externen Partnern helfen, frische Perspektiven und Erfahrungen einzubringen, um letztlich gute Entscheidungen zu treffen. Das Fachliche ist in den Behörden sicherlich gut verankert, aber gerade beim Technologischen würde ich mir dieses frühere Miteinander wünschen.
Um abschliessend den Bogen zu Ihrer neuen Rolle zu schlagen: Was steht für Sie in den nächsten Monaten an?Wir wollen einen klaren Fokus auf die Portfolioentwicklung legen. Also die Frage, was es in den nächsten Jahren braucht. Hier wird die KI-Thematik sicher eine zentrale Rolle spielen. Es geht aber auch darum, in welche Richtung wir uns als Unternehmen entwickeln wollen und wie wir unsere Ingenieurinnen und Ingenieure weiterbilden. Und der zweite Schwerpunkt ist die Übernahme der Gesamtverantwortung für die Lösungen. Zum einen gibt es dafür einen wachsenden Bedarf, zum anderen haben wir als Unternehmen so mehr Möglichkeiten, Projekte aktiv zu gestalten und langfristig zu begleiten.
Haben Sie sich konkrete Ziele oder Meilensteine für diese Aufgaben gesetzt?Ich bin als Nachfolger von Herbert Ender in grosse Fussstapfen getreten und wie besprochen ist auch der Wettbewerb im Markt stärker geworden. Dennoch wollen wir weiter wachsen. Das möchten wir aber mit einem Schritt nach dem anderen tun – und nicht irgendwie auf einen Sprung. Es geht also darum, das Resultat hoch zu halten und in wichtigen Bereichen noch ein bis zwei Schippen draufzulegen. Dann sind wir zufrieden. Das andere ist: Ich bin selbst vom Informatiklehrling zum Geschäftsführer aufgestiegen. Diese Möglichkeit der Weiterentwicklung möchte ich auch anderen Menschen geben. Wir werden die Nachwuchsförderung also konsequent weitertreiben, egal auf welcher Stufe. Das hilft
Akros langfristig und ist für mich persönlich ein sehr motivierendes Anliegen.
Sprechen wir dabei also von rein organischem Wachstum?Es ist primär organisches Wachstum. Wir sind nicht verschlossen, wenn sich die Chance für einen Kauf ergibt. Dann schauen wir uns das auch an. Aber unser Fokus liegt auf nachhaltigem internem Wachstum, auch als Beitrag zur Weiterentwicklung der Noser Group.
(sta)
Über Akros
Akros ist ein Schweizer IT-Dienstleister, primär konzentriert auf massgeschneiderte und anspruchsvolle IT-Lösungen und spezialisiert auf Geschäftsprozessintegration, Datenmanagement, Qualitätsmanagement und Softwarelösungen in den Branchen öffentlicher Sektor, Energie, Gesundheits- und Finanzwesen. Akros gehört seit 2006 zur Noser Group, die mit ihren aktuell über 730 Mitarbeitenden zu den grössten IT-Anbietern der Schweiz zählt. Sie besteht neben Akros aus Bucher + Suter, Danexis, Frox, Noser Engineering, Noser Young, Noser Bulgaria und der Muttergesellschaft Noser Management. Die Unternehmen der Noser Group sind auch über die Grenzen der Schweiz hinaus tätig.