Media Markt will Filialen zur Erlebnisplattform entwickeln
Quelle: Media Markt

Media Markt will Filialen zur Erlebnisplattform entwickeln

Wie langfristig den Online-Pure-Playern die Stirn bieten? Media Markt will den Besuch in den Flächenmärkten für Kunden attraktiver gestalten und eine stationäre Strategie umsetzen, die weit über den reinen Produktverkauf hinausreichen soll. Zielsetzung: "Experience Electronics" statt Consumer Electronics.
10. Oktober 2023

     

Mooswand, generalüberholte Smartphones, Reparaturstation, Kaffeemaschinen für kompostierbare Kapseln: Nachhaltige Ansätze stehen ganz im Zentrum des Anfang Oktober im Zürcher Hauptbahnhof eröffneten Pop-up-Stores von Media Markt. Auf einigen wenigen Quadratmetern im Bahnhofszwischengeschoss will das Unternehmen noch bis Mitte Januar aufzeigen, wie Technologie und ressourcenschonender Konsum Hand in Hand gehen können. Immerhin nehme die Handelskette bereits rund 2500 Produkte pro Jahr im Rahmen des eigenen Eintauschprogramms entgegen, repariere 5000 Smartphones und habe im letzten Jahr fast tausend Tonnen an Werkstoffen gesammelt und diese dem Recycling zugeführt, wie Stefan Fraude, seit Anfang 2023 CEO von Media Markt Schweiz, zur Eröffnung berichtete. Ein reines Marketing-Strohfeuer unter dem Nachhaltigkeitsdach ist der Pop-up-Store jedoch nicht, sondern auch ein erster Vorgeschmack auf die kommende Omnichannel- und Filialstrategie von Media Markt, mit der sich die Handelskette künftig gegen den immer stärker werdenden Wettbewerb der Online-Pure-Player behaupten will: Mehr Service, mehr Beratung, mehr Einkaufserlebnis.


Es ist kein einfaches Unterfangen. Denn der anhaltende Online-Trend bleibt die zentrale Herausforderung für den stationären Handel. Seit kurzer Zeit läuft erstmals der grössere Teil der Geschäfte im Schweizer Consumer-Electronics-Markt über digitale Vertriebskanäle. 52 Prozent von insgesamt 5,3 Milliarden Franken machen laut Zahlen der Analysten von GFK mittlerweile Online-Käufe beziehungsweise online eingeleitete Käufe, die anschliessend im Laden abgeholt werden, aus. Damit liegt die Schweiz beim Digitalanteil auf Platz 1 in Europa. Und während dieser in anderen Ländern teils bereits wieder rückläufig ist, soll er hierzulande gar weiter steigen – allein im nächsten Jahr abermals um zwei Prozent.
Zwar hat sich Media Markt mit seinem Web-Shop längst ein Stück des wachsenden Kuchens gesichert, noch liegt der Online-Beitrag zu den länderübergreifenden Gesamtumsätzen der Konzernmutter Ceconomy aber noch bei rund einem Fünftel beziehungsweise einem Viertel (je nach Quartal). Vorerst bleibt Media Markt also ein stark offline-orientierter Retailer und die Marktsituation daher herausfordernd, wie Fraude erklärt. Und das vor allem hierzulande, muss das Unternehmen für die Schweiz doch seit einigen Quartalen grundsätzlich rückläufige Geschäfte melden.

Das soll sich künftig jedoch ändern. Denn Media Markt will "Experience Electronics-Champion der Schweiz" werden, wie Fraude und sein Team im Rahmen der Pop-up-Store-Eröffnung unterstreichen. Ganz neu ist das Konzept nicht. Der Begriff Experience Electronics kursiert bereits seit einiger Zeit im Ceconomy-Universum. Mediamarktsaturn-CEO Karsten Wildberger sprach in diesem Zusammenhang auf der Dmexco auch von "The Future of Retail". Letztlich steht die Idee laut Fraude für die Transformation von einem Product Hardseller zu einer erlebnis- und serviceorientierten Handelsplattform, die ihre Vertriebskanäle in einem Omnichannel-Modell eng verzahnt und von Produktzentrierung, Store-first-Strategie und einem Supplier-funded-Vorgehen über Werbekostenzuschüsse (WKZ) abrückt. Stattdessen sollen in Zukunft Einkaufserlebnis, wiederkehrende Geschäfte, die Customer Journey und vor allem ein Digital-first-Ansatz im Fokus stehen. Was vorerst nach Onlinezentrierung klingt, stellt jedoch keine Abkehr vom Filialgeschäft dar. Vielmehr will Media Markt Kunden dort abholen, wo sie sich am liebsten bewegen, erklärt der Geschäftsführer. Und 70 Prozent der Customer Journeys würden nun einmal im digitalen Bereich beginnen. Auch Offline-Strategien müssten daher die digitalen Kanäle einbinden.


Onlineseitig hatte der Händler bereits zuvor begonnen, mit mehreren Initiativen an den Stellschrauben zu drehen. Für den Frühsommer 2024 ist der Start eines komplett überarbeiteten Shops geplant, zudem sollen die Logistikkapazitäten ausgebaut werden, neue Liefermethoden hinzukommen, auch Dropshipping will Media Markt einführen. Und nicht zuletzt soll das verfügbare Produktsortiment signifikant wachsen. Im Rahmen der Experience-Electronics-Strategie will das Unternehmen jetzt zudem klar ersichtliche Mehrwerte für einen Besuch in den Märkten schaffen und diese nach aussen tragen. "Ausgehend von einem Digital-First-Ansatz wollen wir mit einer umfassenden Service- und Erlebnis-Plattform ein modernes Omnichannel-Shopping-Erlebnis bieten, in dem unsere Kundinnen und Kunden massgeschneiderte Produkte und Services nicht nur kaufen, sondern auch erleben, anfassen und spüren können – und dadurch einen echten Mehrwert generieren", bekräftigt Fraude die künftige Filialausrichtung.
Vier Handlungsfelder stehen für Media Markt im Rahmen der Strategie im Fokus: die Schulung der Mitarbeitenden für eine bestmögliche Beratung, das nahtlose Omnichannel-Konzept für eine kanalübergreifende Auswahl und den Kauf der Produkte, ein weitreichendes Services- und Solutions-Angebot sowie der Punkt "Impact Experience". Unter Letzterem bündelt das Unternehmen verschiedene Massnahmen rund um das Thema Nachhaltigkeit, beispielsweise Reparatur, Trade-in-Angebote sowie Recycling-Möglichkeiten. Während sich der Online-Shop also auf das rein transaktionale Geschäft konzentriert, reicht das Angebot in den Märkten hingegen deutlich über den Produktabverkauf hinaus. Ziel ist eine umfassende Repositionierung des gesamten Brands: Weg vom einstigen Hardselling, hin zum erlebniszentrierten Plattformansatz, der den grossen Online-Konkurrenten wie Digitec Galaxus erfolgreich die Stirn bietet. Zwar sei man heute noch nicht am Ziel, aber bereits auf dem besten Weg dorthin, unterstreicht Fraude. "Wir werden Experience-Electronics-Champion der Schweiz."


Die Strukturen hinter den Vorhängen sind dafür laut dem CEO bereits geschaffen, alle Prozesse umfassend und kanalübergreifend zentralisiert. Entsprechend soll es auch keine Nachteile für das stationäre Personal mit sich bringen, wenn sich eine Kunde beispielsweise im Laden beraten lässt, aber abschliessend online kauft. Auf diesem Weg soll für die Handelskette die Transformation gelingen, ohne sich auf den reinen Preiskampf mit den Online-Pure-Playern einzulassen – und ohne gegebenenfalls Filialen zu schliessen oder die Fläche zu reduzieren. Im Gegenteil. Der Pop-up-Store im Hauptbahnhof könnte ein erstes Leuchtturmprojekt sein, vergleichbare kleine Stores in Zukunft hinzukommen, die weniger auf Produktausstellung als vielmehr auf Services ausgerichtet sind. Der kleine Shop ist ein idealer Rahmen, um die Kundenbedürfnisse weiter zu evaluieren und die Strategie daran auszurichten. (sta)


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