Den Menschen auf’s Auge geschaut

Die Augenkamera – ein Gerät, das den Leuten genau aufs Auge bzw. auf ihre Lesegewohnheiten schaut, gibt Erkenntnisse, wie man Mailings und Prospekte wirkungsvoller gestalten kann.

Artikel erschienen in IT Reseller 2001/21

   

Täglich werden in Unternehmen eifrig Mailings und Prospekte in Briefumschläge gesteckt und zum Briefkasten geschleppt. Was davon gelesen wird, ist schwer nachzuprüfen. An seinem Institut ISN beschäftigt sich Klaus Schantz seit Jahren mit der Frage: Wie muss ein Schreiben aussehen, damit es gelesen wird? Das herauszufinden ist nicht einfach: Man kann die Leute nicht fragen, was Sie lesen und wie Sie es lesen. Niemand kann im Nachhinein objektiv beantworten, was er wie lange und in welcher Reihenfolge aufgenommen und was er schlicht ignoriert hat.

Bild und Headline ziehen Blicke an

Im Laufe seiner Beratungstätigkeit stiess Schantz auf ein Gerät, das ihm aus diesem Dilemma half: Die Augenkamera. Mit ihr lässt sich ermitteln, wie der Empfänger das Gedruckte liest. Der Forschungsleiter des Institutes, Cornelius Burghardt, erklärt das futuristisch anmutende Gerät so: «Die Augenkamera bildet die Bewegungen des Auges ab. Dabei wird der Bereich ermittelt, den die Person scharf sieht. Auf Videoband aufgezeichnet wird so erkennbar, was wie lange und in welcher Reihenfolge gelesen wird. Und welche Bereiche gar nicht beachtet werden.» Daraus zieht er Hinweise, wie ein Text aufgebaut sein sollte.
Schantz zieht als Résumé aus den Augenkamera-Tests: «Bilder sind zentral, denn sie werden immer zuerst angeschaut und auch die erste Zeile wird in 90 Prozent der Fälle gelesen. Man muss Leute also mit Bild und Headline kriegen, oder sie lesen erst gar nicht weiter.»

Der Computer in seiner natürlichen Umgebung

Burghardt stört sich an der typischen IT-Bilderwelt, da seine Tests ergeben haben, dass Menschen Abbildungen von Dingen viel weniger beachten, als Bilder von Lebewesen: «In der IT sieht man immer nur Screenshots und Kisten. Warum kann man nicht die Produkte jemandem in die Hand geben, um das Grössenverhältnis zu zeigen?
Das zeigt dann auch, dass es das Produkt tatsächlich gibt, denn jemand hat es ja in der Hand.» Am liebsten sähe er den Computer abgebildet in seiner «natürlichen Umgebung, also in der Produktionsumgebung, in der Menschen damit arbeiten. Und bei Software sollte man die Lösung darstellen, oder ein Sinnbild dazu. Wenn sie z.B. beim Geld sparen hilft, malt man eben ein Sparschwein dazu.» Ein Screenshot sollte der letzte Ausweg sein «und wenigstens eine erklärende Bildunterschrift bekommen.»

Richtig wählen


Zur Bildauswahl haben die Augenkamera-Tests ergeben:

Bild- und Headline-Aussage müssen sich logisch ergänzen.
Lieber Menschen abbilden als Dinge, denn am liebsten sieht der Mensch eben andere Menschen.
Keinesfalls Bilder hinter den Text legen, das stört die Lesbarkeit. Die Schrift sollte im Flattersatz gesetzt sein, denn, so Schantz, «Blocksatz erzeugt Lücke, Lücke erzeugt Bild, Bild kann der Mensch aber nicht erkennen - Mensch sauer.» Unterstreichungen seien für das Auge eher störend, daher sei Fettdruck zur Hervorhebung besser. Wer übertreibt und ganze Zeilen fett macht, kehrt die Wirkung ins Gegenteil. «Niemand will eine Demo, was ihr PC alles kann.»

Lesbar schreiben

Die Augenkamera-Tests zeigten, dass einfache Lesbarkeit zentral ist. Das gilt sowohl für den Aufbau als auch für den Inhalt eines Textes:
Absatzlänge 2-3 Zeilen
nur wenige Schlüsselinformationen
Kurze Worte sind besser als lange
Wichtige Informationen an den Satzanfang oder Absatzanfang
Information in schnell verdaulichen Info-Häppchen präsentieren
Unterschrift in Blau (wirkt persönlicher)
Gutschein/Antwortkarte immer separat beilegen, wird dann stärker beachtet
Gerade in der IT-Branche findet Schantz noch vieles im Argen: «Die Thematik in der IT ist sehr komplex. Es gibt eine Fülle von Fachausdrücken. Dadurch entsteht eine Kluft zwischen der Sprache der Kunden und den Fachausdrücken der Branche.»

Die Prospekt-Rückseite nutzen


Bei Prospekten stört sich Schantz vor allem an der Rückseite. «Wenn die Leute die Vorderseite gelesen haben, drehen sie in neunzig Prozent der Fälle als nächstes das Prospekt um und finden da eine Anfahrtsskizze. Nur – haben Sie schon mal wegen einer Anfahrtsskizze gekauft?» Er rät: «Warum nutzt man den Platz nicht lieber, um die Vorteile des Unternehmens oder Produktes zusammenzufassen?» (ava)


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