Macromedia Vizepräsidentin und General Manager Europe, Sue Thexton, versichert: «Wir tun alles, um näher an die Leute in den Firmen zu kommen und ihre Bedürfnisse kennen zu lernen.» Und Greg Rewis, Chief Web Technologies Evangelist, doppelt nach: «Wir haben uns zu lange um die Technologie und zu wenig um die Bedürfnisse der Unternehmen gekümmert.» Die Parallelen zu
Apple, wo Rewis früher arbeitete, sind offensichtlich.
Macromedia will nicht mehr länger nur die ausgeflipptesten Web-Seiten für Freaks ermöglichen, sondern auch seriöse Geschäfte. Zeichen dieses Wandels ist etwa das «Corporate Champion» Programm: «Die Anwender in den Unternehmen wollen oder dürfen oft nicht in öffentlichen User Groups über ihre Projekte berichten. Die Corporate Champions bilden daher eine User Group innerhalb der Unternehmen.» Rewis versichert aber, dass der neu angepeilte Kundenkreis nicht dazu führen dürfe, dass sich die Kreativen vernachlässigt vorkommen.
Mit verschiedenen Ad-Ins bestehe die Möglichkeit, die Programme an alle Bedürfnisse anzupassen. Rewis zu ITR: «Wir werden die Fehler der Mac-Hersteller nicht wiederholen, denn wir verstehen den Business-Markt besser. Allaire war schon immer dort tätig.» Von Allaire, im Frühjahr von
Macromedia übernommen, stammt der Web-Application Server Coldfusion. Nach dem Merger entstand eine neue, verbesserte Version 5 des Servers und der Entwicklungstools.
Web-Design für Unternehmen
Jetzt soll der Business-Markt mit einer Web-Suite aufgerollt werden: «Macromedia Coldfusion 5 Ultradev 4 Studio» – ein Name, der zwar jeden Marketing-Strategen aufschreien lässt, aber genau umschreibt, worum es sich handelt. Das Paket führt die beiden Entwicklungsumgebungen, Coldfusion 5 Studio und Ultradev 4, zusammen und stellt damit ein ziemlich vollständiges, relativ leicht zu beherrschendes Toolset für Produktion, Debugging, Management und die Verbreitung von Web-Anwendungen für den Coldfusion Server zur Verfügung.
Coldfusion 5 Studio ist eine neue Version des CFML (Coldfusion Markup Language) Code-Editors. CFML arbeitet wie HTML mit Tags, bietet aber mehr Funktionalität. Interessant ist vor allem die Möglichkeit der Abfrage einer Abfrage: Das Ergebnis einer Datenbanksuche lässt sich mit einer weiteren SQL-Abfrage nochmals durchforsten. Auch für komplexe Abfragen verkehrt Coldfusion auf diese Weise nur ein einziges Mal mit der Datenbank und verkürzt damit die Verarbeitungszeit. Ausserdem können Ergebnisse aus verschiedenen Datenbanken in einer einzigen, virtuellen Datenquelle zusammengefasst werden.
Als praktisch für die Programmierung erweist sich dabei der Query Builder, mit dem sich Abfragen per Drag and Drop zusammenstellen lassen. Coldfusion 5 ermöglicht nun auch Anwender-definierte Funktionen und erlaubt, Bibliotheken anzulegen. Auf diese Weise können sie dann immer wieder verwendet werden. Integrieren lassen sich auch Java Beans und CORBA. Mit einem neuen «Wizard» wurden diese Möglichkeiten nochmals erweitert.
Eine integrierte Chart-Engine verwandelt Datenbankinhalte direkt in Balken-, Torten- oder Liniendiagramme. Die Grafiken werden im GIF-, JPG oder im Flash-Format ausgeliefert. Das Web-Grafik-Programm Fireworks lässt sich direkt aus Coldfusion heraus starten.
Ultradev 4 anderseits ist im Grunde nichts anderes als das Webdesign-Programm Dreamweaver, ergänzt um zusätzliche Datenbank-Anbindungen für Web-Inhalte. Es beinhaltet ein Set von vordefinierten Objekten, die mittels Serverside-Scripts Datenbankeinträge und –aktualisierungen, Master-Detail-Beziehungen sowie Statistik- und Navigationsfunktionen ermöglichen. Die Serverdaten werden live dargestellt. Die Objekte können editiert und in Bibliotheken gesichert werden.
Der Code Editor zeigt in einem gesplitteten Fenster auf der einen Seite das Web-Layout und auf der anderen den entsprechenden, editierbaren Code, egal ob in HTML, Javascript, ASP oder CFML. Weitere Features von Ultradev erleichtern in erster Linie die visuelle Seitenentwicklung, beziehen sich jedoch nicht direkt auf dynamische Web-Inhalte.
Der nächste Schritt
Coldfusion Server 5 ist deutlich schneller geworden. Laut
Macromedia sollen manche Anwendungen unter Windows 2000 bis zu drei Mal schneller laufen. Doch unter dem Code-Namen Neo wird bereits die nächste Version vorbereitet. Laut Rewis soll sie irgendwann im nächsten Jahr auf den Markt kommen.
Neo enthält eine auf Java basierende Server-Architektur und wird sowohl als Stand-alone-Server als auch auf Java Application Servern wie IBMs Websphere oder Weblogic von
BEA arbeiten.
Von
IBM wie von BEA sei Lob für das Vorhaben gekommen, versichert Rewis, obwohl Coldfusion Server eigentlich ein Konkurrenzprodukt darstelle. Ob Neo das Licht der Welt als Coldfusion Server 6 erblicken wird, darauf mochte sich Rewis nicht festlegen lassen. Dass der Weg aber in Richtung Java-Server führt, dürfte ziemlich klar sein. (fis)