«Die Romandie ist übertransparent»

Kaum einer kennt die Westschweizer VAR-Landschaft zu so gut wie Max Tschabuschnig, der Leiter von Actebis Schweiz. IT Reseller befragte ihn zu den Unterschieden zwischen West- und Rest-Schweiz.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/08

     

Seit Mai 93 ist Max Tschabuschnig (Bild) in der Westschweizer Distribution tätig. Der Distributionsstratege erlebte seitdem zwei Fusionen und Übernahmen: Von Merisel zu CHS, von CHS zu Actebis Schweiz. Der Name hat sich geändert, aber die Tatsache, dass Actebis die Westschweizer Distribution dominiert, ist geblieben.
IT Reseller: Wie hat sich die Westschweizer Reseller-Landschaft seit 1993 verändert?
Max Tschabuschnig: Wir beobachten eine starke Konzentration unter den Resellern. Viele Namen sind verschwunden, darunter auch prominente wie zum Beispiel Prodata und Macinfo.
Weiter beobachte ich, dass der Markt für B-Brands immer schwieriger wird. Verschiedene Händler, die mit Marken wie QMS, Xerox und natürlich Texas Instruments oder Olivetti Erfolg hatten, sind heute verschwunden. Die Konzentration auf Top-Brands ist grösser als in der Deutschschweiz. Das hat mit der Grösse des Marktes zu tun. Die Resourcen, die mittlere Hersteller für die Romandie einsetzen können, sind einfach zu gering.
ITR: Welche Schlüsse ziehen Sie für den Distributions-Markt in der französischen Schweiz?
MT: Der Markt in der Romandie ist noch kompetitiver als jenseits der Saane. Ich schätze, dass die Durchschnittsmarge der Distribution etwa 0,5% Prozent tiefer liegt als in der Deutschschweiz.
Warum ist das so? Fast alle grösseren Händler verkaufen heute mehrere Brands. Bei grösseren Endkunden-Projekten sind jeweils auch alle A-Brands und alle grossen Händler in der Ausmarchung dabei.
Ausserdem sind Geschäfte in der Romandie bei grossen Projekten für unsere Kollegen Also, Tech Data und Alltron willkommene Zusatzgeschäfte, die sich auch noch mit geringerer Marge lohnen. Zusammen führen diese Faktoren zu einem starken Konkurrenzkampf, so dass die Preise ‘bis auf die Knochen abgenagt’ werden.
Dazu kommt, dass der Hersteller-Support in der Romandie aufgrund des kleinen Marktes eher geringer ist. Dies zwingt uns als Distributoren dazu mehr zu leisten. Hersteller konzentrieren sich fast ausschlieslich auf den sehr grossen Endkunden, wie zum Beispiel eine Nestlé oder die Stadt Genf, die Händler werden oft vernachlässigt.
ITR: Muss sich ein Distributor in der Romandie also mehr wie ein Hersteller verhalten und Leistungen erbringen, die er in der Deutschschweiz dem Lieferanten überlassen kann?
MT: Sicher, aber damit können wir uns auch von der Konkurrenz abheben. Wir müssen zum Beispiel als Kupplung zwischen den Kreditversicherern und den Resellern dienen. Sehr oft haben Kreditversicherungen nur Dokumente auf deutsch und kein Personal mit den notwendigen Sprachkenntnissen. Ausserdem ist es für einen Reseller in der Deutschschweiz einfacher, rechtzeitig an die nötigen Informationen heranzukommen. Dort haben wir von Actebis unsere Stärke, denn wir können Informationen schnell weitergeben.
ITR: In der Deutschschweiz gab es 1999/2000 den Trend, dass sehr grosse börsenkotierte deutsche VARs und Systemhäuser sich Niederlassungen in der Schweiz kauften. Gibt es französische Systemhäuser, die versuchen, in der Romandie Geschäfte zu machen? Und gibt es französische Distributoren, die in die Schweiz verkaufen?
MT: Nein, bis heute gibt es dafür nur ein Beispiel. Man darf die Unterschiede zwischen dem französischen und dem Schweizer Markt nicht unterschätzen. In der Westschweiz haben wir die gleichen Qualitätsanforderungen wie in der Deutschschweiz. Es ist äusserst schwer, von Frankreich aus in der Romandie Fuss zu fassen.
Die Kostenstruktur eines Distis ist in der Schweiz ganz anders als in Frankreich. Es gibt höchstens Broker, die von Frankreich aus mit sehr tiefen Preisen einzelne Geschäfte tätigen. Doch schon Broker im restlichen Europa treffen auf Sprachprobleme in der Romandie. Ein Deutschschweizer Reseller beschafft überall, der Westschweizer hat da schon eher Sprachprobleme und schliesst nicht überall Geschäfte ab.

ITR: Wie kann ein Deutschschweizer VAR in der Romandie Fuss fassen?

MT: Sehr schwer! Das geht praktisch nur, wenn er eine Niederlassung in der Westschweiz aufbaut und die Zeit, Mittel und Geduld hat, um diese Schritt für Schritt zu vergrössern. Der Markt ist sehr klein und alle kennen sich. Dazu kommt dann noch der ‘Röstigraben’. Westschweizer haben eine eigene Vision des Geschäfts. Eine Alternative zur eigenen Niederlassung sind höchstens noch Allianzen. Aber der Markt hier ist sehr gesättigt und eigentlich gibt es noch zuviele Reseller in der Romandie.
Es ist auch nicht einfach, durch Übernahmen in der Romandie Fuss zu fassen, denn viele Firmen sind von Persönlichkeiten abhängig.
ITR: Wie gross sind die berühmten Mentalitätsunterschiede? Zum Beispiel redet man ja in der Deutschweiz von der schlechten Zahlungsmoral der Romands...
MT: Ich kenne beide Seiten sehr gut. Der Mentalitätsunterschied ist eher ein Mythos. Westschweizer und Deutschschweizer halten sich für sehr unterschiedlich, doch von aussen betrachtet sind die Unterschiede dann doch wieder klein. Es gibt zum Beispiel grosse Händler in der Romandie, die schneller bezahlen als ihre Deutschschweizer Kollegen. Die Sprachbarriere lässt die Unterschiede grösser erscheinen, als sie sind.
Aber Endkunden sind oft sehr schlechte Zahler in der Romandie. In vielen Fällen beträgt die Zahlungsfrist 65 Tage und dies setzt einen riesigen Druck auf Reseller. Die Eigenkapitaldecke der VARs ist in der Romandie generell ein Problem.
(Interview: hc)


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