Der PC ist tot – es lebe der PC!

Wird sich der gute alte PC in neuem Glanz erheben oder stirbt er nun endlich den schon so oft pophezeiten Tod? Die Aussichten hängen davon ab, welche Industriezweige sich zu Wort melden.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/03

     

Schleche Quartalsabschlüsse, sinkende Umsätze und düstere Prognosen der Marktauguren werden von manchem Branchen-Insider als Symptome eines Paradigmenwechsels gedeutet.
Palm-Chef Carl Yankowski wurde deutlich: «Der PC hat seine Zeit gehabt» verkündete er, und zum Beweis rief er an der Consumer Electronics Show in Las Vegas auf seinem Palm VIIx innerhalb von Sekunden den Wetterbericht von Boston ab: «Das kann kein Pentium 4 schneller. Allein das Booten dauert länger.»
«Die Post-PC-Ära hat bereits begonnen», doppelt Andy Takani von Panasonic nach. Herkömmliche PCs seien Benutzer-unfreundlich und schwer verständlich. Zudem mache es einfach keinen Sinn, die Kunden «mit immer mehr Peripherie zuzudecken.» Wer das Handy und den DVD-Player benutze, habe keine Lust, für andere Aufgaben wieder den PC anzuschmeissen.
Für den Handy-Hersteller Ericsson steht dabei logischerweise das Mobiltelefon im Zentrum. Justin Chamberlain sieht das Handy als «magic wall», das es erlaubt, über Bluetooth eine Vielzahl zusätzlicher Funktionen zu erfüllen, von der Fernsteuerung der Haushaltsgeräte bis zum Datenaustausch mit anderen Benutzern: «Alle Online-Dienste werden in Zukunft mit allen Arten von Geräten verlinkt sein.»

Post-PC-Ära mit PC

Diesen Trend leugnen natürlich auch die traditionellen PC-Grossmächte nicht. Doch wenn Intel einen portablen MP3-Player oder ein Web-Pad vorstellt, so ist das nicht etwa eine Vorbereitung auf die Zeit nach dem PC, sondern, so CEO Craig Barrett, «in Wirklichkeit ein digitales Universum, in dessen Mittelpunkt der PC steht.» Und genau so sehen es Microsoft-Gründer Bill Gates und Apple-Chef Steve Jobs.
Für Jobs ermöglicht erst der Macintosh und MacOS X, all die Gadgets mit Inhalt zu versorgen. Und Gates führte am WEF in Davos aus, das Zentrum beim Zusammenwachsen von Computertechnologie und Unterhaltngslelektronik bilde der «Extended PC», der als Schaltzentrale für das ganze Haus funktioniere. So pflegen die PC-Dinos liebevoll die Vision einer Post-PC-Ära, bei der der PC im Mittelpunkt steht.
Aber ausserdem wollen sie auch die Gadgets für die neue Ära liefern. Warum nur werfen sich die PC-Firmen so vehement auf einen Markt, wo die Geräte naturgemäss billig sein müssen und daher kaum Gewinn abwerfen können?
In den 80ern war die PC-Industrie eine Goldgrube, für jeden der es wagte, einzusteigen. In 90ern lieferten die Hersteller den Kunden für gutes Geld alles, was sie benötigten, «out of the box». Doch dann kam der Kater: Die neuen Modelle werden zwar zusehends günstiger und schneller. Doch der Erfolg bei der Unterhaltungselektronik liegt anderswo, in modischen Abdeckungen für Handys und farbig gestylten Gerätchen. In dieser verspielten und juvenilen Welt zählen andere Dinge, als die PC-Industrie anzubieten gewohnt ist.
Möglicherweise gibt es aber noch einen ganz anderen Grund: Jahrelang bildete die PC-Industrie die Speerspitze bei der Digitalisierung unserer Zivilisation. Und jetzt das Feld auf einmal andern zu überlassen, darunter Firmen, die man mit dem Sackgeld aufkaufen könnte – das kann wohl niemand von Intel, Microsoft & Co verlangen. (fis)


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