Cisco Systems kennt keine Grenzen. Seit dem Börsengang 1990 ist der Umsatz von bescheidenen 69 Millionen auf 12,2 Milliarden Dollar 1999 angewachsen und die Börse findet,
Cisco sei mit 450 Milliarden mehr wert als
Microsoft. Gross gemacht hat Cisco vor allem das Internet, der Netzwerkhersteller hat seine Strategie früh gezielt darauf ausgerichtet.
Doch Cisco will nicht nur der bevorzugte Lieferant von Netzwerk- und Internet-Ausrüstung sein. Ziel ist es, der Ansprechpartner für alle Belange der «Neuen Ökonomie» zu werden. Solche und ähnliche Schlagworte wie «Neue Weltordnung» oder «Internet-Ökosystem» hört man bei Cisco andauernd. «Wir bieten Firmen nicht bloss Internet-Connectivity, wir helfen ihnen das Geschäft für das Internet zu restrukturieren», erklärt Don Listwin, Executive Vice President, verantwortlich für Ciscos sogenannte «New World Business Strategy». «Neue Welt» will er dabei durchaus wörtlich verstanden wissen: «Erst vor kurzen war der König von Jordanien bei John Chambers, um darüber zu sprechen, wie er sein Land für die Internet-Ökonomie umbauen soll», sagt Listwin.
Die Zielmärkte
Im Allgemeinen richtet
Cisco ihr Augenmerk auf drei Zielmärkte: Enterprise, Service Providers und Small/Medium Businesses. Im Enterprise-Bereich ist Cisco der Marktführer für Netzwerkinfrastruktur. «Lucent hat es nicht geschafft und
3Com verzettelt sich zu sehr. Beide sind faktisch aus dem Rennen», meint Don Listwin. Bleibt Konkurrent
Nortel mit einem Marktanteil von 19%. «Nortel ist vor allem bei Optical-Networks stark, und dort sind wir am Aufholen. Das einzige, das wir momentan im Enterprise-Bereich fürchten müssen, ist zu wenig Konkurrenz. Das kann nicht ungefährlich sein», sagt Listwin, ohne dass er sich allerdings gross Sorgen darüber zu machen scheint.
Der Service-Provider-Bereich wächst bei Cisco jährlich über 80% und es scheint kein Ende in Sicht. Larry Lang, Marketingleiter des Providergeschäfts, rechnet in Zukunft gar mit einem noch höheren Wachstum. «Der Datenverkehr ist drauf und dran, den klassischen Telefonverkehr zu überholen». Um diese Entwicklung noch zu beschleunigen, versucht Cisco ihre Voice-over-IP-Systeme den klassischen Telecoms schmackhaft zu machen. Damit tut sich für Cisco ein Markt auf, der mit 247 Milliarden Dollar sechsmal grösser ist, als der für Data-Networking alleine.
Bei den Klein- und Mittelbetrieben, die zu einem grossen Teil über den Resellerchannel angesprochen werden, sieht Ron Willis, zuständig für das Marketing in diesem Bereich, zwei Segmente, die in den nächsten Jahren stark wachsen werden: IP-Telefonie und Wireless-Networking. Während Cisco mit gutem Beispiel vorausgeht, und die ganze Firma auf IP-Telefone umrüstet, läuft bei
Microsoft ein Test von Ciscos 11-Mbps-Funknetzlösung Aironet.
Wachstumsmarkt Software
Die Ankündigung im Mai, dass der traditionelle Hardwarehersteller
Cisco ins Softwaregeschäft einsteigen wird, hat viele aufhorchen lassen. Eugene Lee, der Marketingverantwortliche für die Internet Communications Software Group (ICSG), versichert, dass Cisco nicht vorhat, Bill Gates Konkurrenz zu machen: «Gewisse Überschneidungen mit unserem Partner
Microsoft werden in Zukunft vielleicht auftreten, aber wir planen nicht, ins klassische Applikationsgeschäft einzusteigen.»
Die ICSG ist aus drei Firmen entstanden, die Cisco letztes Jahr assimilierte; Webline, Geotel und Amteva. Das Angebot besteht zur Zeit aus Software für Call-Center-Lösungen und Unified Messaging. Ciscos «Customer Contact Platform» kombiniert Contact-Management, Web-Collaboration und E-Mail-Response-Management mit IP-Telefonie. Ein Kundendienstzentrum soll damit in die Lage versetzt werden, Kundenkontakte über diverse Kanäle wie Telefon, Fax, E-Mail, Web, Chat usw. transparent zu verwalten.
Ihre Middleware für Unified-Messaging nennt Cisco «Unified Communications Platform». Zusammen sollen die Märkte für Unified Messaging und für Contact-Center bis in drei Jahren 20 Mrd. Dollar schwer werden. Cisco hofft, sich ein gutes Stück von diesem Kuchen abschneiden zu können. «Wir müssen uns in einen neuen Markt vorwagen, um das Wachstum der Firma auch in Zukunft zu gewährleisten», sagt Richard Steranka von der ICSG.
Cisco will zusammen mit Consultants, Systemintegratoren, ASPs und Outsourcern Gesamtlösungen verkaufen. Eugene Lee gibt zu, dass dafür neue Channels aufgebaut werden müssen. «Wir sind uns bewusst, dass die bestehenden Hardware-Partner möglicherweise nicht qualifiziert sind, diese Softwarelösungen zu verkaufen.»
Widerstand ist zwecklos
Cisco wird dieses Jahr 2,5 Milliarden Dollar für Forschung und Entwicklung ausgeben, und dennoch alleine nicht in der Lage sein, den Bedürfnissen der ausgewählten Märkte gerecht zu werden. Kaum überraschend sollen die Löcher in der Produktepalette auch künftig durch Firmenübernahmen gestopft werden, wie dies z.B. letztes Jahr mit der 7,2-Milliarden-Übernahme von Cerent im Bereich Optical-Networking geschah. Noch vor zehn Monaten hatte
Cisco in diesem Marktsegement nichts zu bieten, heute ist man
Nortel Networks bereits dicht auf den Fersen.
Seit 1993 wurden 53 Firmen von Cisco geschluckt und integriert. In diesem Jahr waren es bereits fünf, und Chambers will weiter aufdrehen. Künftig soll alle zwei Wochen ein Unternehmen vom Netzwerkgiganten absorbiert werden. «Wir können selbst gar nicht schnell genug in neue Technologien investieren», sagt Larry Lang. «Durch Akquisitionen nutzen wir das gesamte Silicon Valley als Innovationspool.»
Bisher ist diese Strategie aufgegangen, Konkurrenten wie Lucent Technologies und Nortel Networks haben sogar begonnen, sie zu kopieren. Doch es gibt auch Kritiker, die sagen, dass Cisco seit dem Router nichts Bedeutendes mehr erfunden habe, und das R&D-Budget vor allem dazu verwende, die aufgekauften Technologien zusammenzubasteln. Der Erfolg gibt Cisco zwar momentan recht, man darf aber trotzdem gespannt sein, wie John Chambers den stetig wachsenden Koloss in den nächsten Jahren weiter auf Kurs halten will.
(Cuno Schneeberger, Palo Alto)