Microsoft-Voip - die bessere Lösung?

Telefonieren mit der vor einem Jahr lancierten Kommunikationsplattform Office Communications Server 2007 macht trotz einigen Schwachstellen für Firmen Sinn, die bereits über eine Microsoft-Infrastruktur verfügen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/15

     

Wenn Microsoft in einem Marktsegment aktiv wird, ist das immer ein wichtiges Signal - weil sich die Wettbewerbssituation verändert und weil ein Eintritt von Microsoft in einen Markt immer auch ein Zeichen für dessen Bedeutung und Reife ist. Die Redmonder waren zwar nicht bei allen Versuchen, in neuen Marktsegmenten Fuss zu fassen, sehr erfolgreich. In vielen Bereichen hat sich Microsoft aber erfolgreich etablieren können. Mit dem vor rund einem Jahr veröffentlichten Office Communications Server 2007 (OCS) hat Microsoft aber zum Angriff auf den Markt der Unified Communications und von Voice over IP (Voip) geblasen und möchte sich auch dort eine grosse Scheibe abschneiden. Den Grund dafür hat Gurdeep Singh Pall, VP der Unified Communications Group, zusammengefasst: «Wir glauben, dass sich die Infrastruktur für sämtliche Formen der Unternehmenskommunikation – inklusive Voip – von hardwarebasierten Systemen in Richtung Software bewegt.»

Verlagerung von Hard- nach Software

Microsoft geht also davon aus, dass sowohl die Telefonanlagen klassischer Prägung als auch die herkömmlichen Telefone zunehmend von Computern abgelöst werden. Serversysteme sollen die Telefonanlage ersetzen und alle Kommunikationsansätze integrieren. Der Client wird wiederum ein PC oder ein entsprechend leistungsfähiges mobiles Endgerät sein, das dann aber eben nicht nur zum Telefonieren, sondern auch für E-Mail und andere Kommunikationsformen geeignet ist. Diesen Markt möchte Microsoft sowohl auf der Server- wie auf der Client-Seite besetzen.
Dass hier eine gewisse Skepsis angebracht ist, steht ausser Frage. Zum einen gibt es genug Situationen, in denen man eben doch ein ganz klassisches Telefon am Arbeitsplatz oder im Besprechungsraum nutzen möchte oder muss. Das wird sich auch nicht so schnell ändern. Und bis zum Ersatz der Telefonanlage in grösseren Unternehmen ist es auch noch ein weiter Weg. Zudem setzt ein solcher Ansatz auch Offenheit voraus - und gerade hier gibt es (teils durchaus begründete) Einschränkungen bei den Microsoft-Lösungen. Dennoch hat der Ansatz von Microsoft auch seinen Charme, weil Microsoft klassische Ansätze der Kommunikation mit neuen Formen integriert und eine Einbindung in bestehende Anwendungen wie die Office-Applikationen schafft. Zudem ist die Strategie in wichtigen Bereichen durchaus auf Integration angelegt, beispielsweise in Form der Partnerschaften mit führenden Anbietern von Telefonanlagen.

Messaging als Hebel

Microsoft ist in verschiedenen Teilbereichen der Unternehmenskommunikation schon seit langem erfolgreich positioniert. Mit dem Exchange Server wird ein führender Messaging-Server angeboten, und Outlook ist einer der am häufigsten eingesetzten E-Mail-Clients. Auch andere Teilthemen wie Integrationsschnittstellen für die Telefonie, Fax-Server-Funktionen und vieles mehr sind schon seit langem auf dem Markt. Auch beim Exchange Server 2007 stand das Thema der vereinheitlichten Kommunikation schon weit oben auf der Tagesordnung. Funktionen wie Outlook Voice Access, also die Integration von Sprachnachrichten und deren flexible Verarbeitung, waren eine der wichtigsten Neuerungen bei diesem Release des Microsoft Exchange Server.


Mit dem Live Communications Server 2005 gibt es zudem auch ein Vorläuferprodukt für den Office Communications Server 2007, mit allerdings im Wesentlichen auf Chats und Videokonferenzen beschränkter Funktionalität.

Voip als Teil von UC

Aus Sicht des Benutzers ist jede Verbesserung in der Kommunikation ein Muss. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben aber dazu geführt, dass es mehr und mehr verschiedene Kommunikationswege gibt, die man beherrschen sollte. Das Mobiltelefon zusätzlich zum Office-Telefon, Skype für die Voip-Kommunikation, virtuelle Meetings oder Chats auf verschiedenen Kanälen - beispielsweise Skype extern, MSN oder Lotus SameTime intern - ergänzen die schon länger vertrauten Mechanismen von Telefon und E-Mail. Die Zahl der Kommunikationskanäle ist deutlich gestiegen. Dabei würden eigentlich ein oder maximal zwei Telefone, ein Chat-Mechanismus und ein Kanal für E-Mails völlig ausreichen. Ebenso gibt es auch im Back-end Infrastruktur-Herausforderungen. Die Konvergenz von Telefonanlagen und der Serverinfrastruktur sowie den darunterliegenden Netzwerken ist noch im vollen Gang. Der erste Schritt war die gemeinsame Nutzung von Backbone-Netzwerken, der nächste die Unterstützung des IP-Protokolls bei Telefonanlagen für die Übertragung auch von Sprache - aber typischerweise noch zu gesonderten Voip-Telefonen.
Die Herausforderung bei Unified Communications ist aber, unterschiedlichste Kommunikationsformen zu unterstützen. Dabei müssen Funktionen wie die Präsenzanzeige oder Verzeichnisdienste für alle Kommunikationsdienste angeboten werden. Auch Sicherheitsfunktionen und Richtlinien müssen über verschiedene Kommunikationswege hinweg angeboten werden. Damit sind monolithische Systeme wie die klassische Telefonanlage aber zunehmend ein Problem. Sie müssen sich mit solchen Diensten integrieren und öffnen. Und dann stellt sich durchaus die Frage, ob nicht der Ersatz von Telefonanlagen durch Serversysteme der bessere Weg ist. Über die nächsten Jahre hinweg wird es aber in den meisten Fällen zunächst einmal um die Integration gehen, also den parallelen Betrieb von bestehenden, klassischen Telefonanlagen und Unified-Communications-Infrastrukturen wie der von Microsoft. Schon die oft lange Laufzeit von Verträgen mit Herstellern von Telefonanlagen und der Umstellungsaufwand sprechen gegen einen «Big Bang»-Ansatz.

Universelle Messaging-Drehscheibe

Diese Herausforderung wird deutlich, wenn man die verschiedenen Kommunikationswege betrachtet. Das klassische Telefon, das Mobiltelefon, die dazugehörige Sprachbox, E-Mail, Online-Konferenzen mit und ohne Video, Chats und Kollaborationslösungen wie Microsoft Groove gehören dazu. Das Ganze soll möglichst in allen Kommunikationssituationen funktionieren. Die Anzahl der Telefone und Anrufbeantworter soll ebenso reduziert werden wie die der Chat-Kanäle. Und es soll möglichst so funktionieren, dass der Benutzer nicht umlernen muss. Dazu gehören Funktionen wie die automatische Weiterleitung von Anrufen abhängig von Präsenzinformationen auf das Mobiltelefon oder eine - wie beim Exchange Server 2007 - mit dem E-Mail-System integrierbare Sprachbox.


Gleichzeitig muss das System aber flexibel genug sein, um eben die bestehenden Systeme einzubinden, neue Möglichkeiten wie spezialisierte Voip-Anbieter zu nutzen und die Kosten für die Kommunikation in Grenzen halten zu können. Eine perfekte Lösung dafür gibt es nicht. Letztlich geht es darum, die Kompromisse bezüglich der Investitionen, laufender Kosten, der Umstellung von Benutzern und der Bequemlichkeit der Nutzung von Kommunikationswegen in Grenzen zu halten.

Microsoft-Voip - die bessere Lösung?

Auch wenn die Interoperabilität auf den ersten Blick nicht überragend ist - Microsoft hat sich hier in den meisten Bereichen für das Machbare entschieden. Ausnahmen wie die fehlende Skype-Integration bestätigen die Regel. Wünschenswert wäre es sicher auch, wenn Microsoft eine Portie­rung der mobilen Version des Office Communicator auf andere gängige Betriebssysteme von mobilen Endgeräten vornehmen würde, um hier mehr Wahlfreiheit und einen leichteren Übergang zu ermöglichen.

Innerhalb einer OCS-Umgebung ist die Integration aber vorbildlich, weil eben Office-Anwendungen, SharePoint, Exchange und alle anderen Kommunikationsfunktionen miteinander verwoben sind. Hier setzt Microsoft Massstäbe. Der Preis dafür ist eine Bindung zu Microsoft an vielen Stellen, angefangen vom Exchange Server und hin bis zu Microsoft Office, wenn man diese integrierte Kommunikation wirklich voll nutzen möchte.
Wer aber ohnehin mit einer Microsoft-Infrastruktur arbeitet, kann mit dem OCS schnell Vorteile erzielen. Für kleine Unternehmen dürfte die relativ komplexe Infrastruktur dabei zunächst eine Hürde sein. Zudem gibt es noch einige Lücken wie fehlende Failover-Lösungen für kleinere Zweigstellen, die Microsoft schliessen muss. Andererseits bietet Microsoft ein hohes Mass an Skalierbarkeit und eine flexible Umgebung, die den OCS auch für grosse Unternehmen interessant machen.


Durch die langfristige Bindung an einen solchen Ansatz, beginnend bei den erforderlichen speziellen Endgeräten und endend bei der Abhängigkeit von anderen Microsoft-Kommunikationslösungen, ist der Schritt zum OCS aber in jedem Fall eine strategische Entscheidung von erheblicher Tragweite, die entsprechend wohl überlegt sein will. Es spricht aber einiges dafür, dass Microsoft mit dem OCS einen erfolgreichen Einstieg in den Voip-Markt schaffen kann - nicht, weil man in allen Punkten besser ist, aber doch in manchen Bereichen Vorteile vor allem für die unternehmensinterne Kommunikation schafft. (Martin Kuppinger)


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