Wie man die Spreu vom Weizen trennt

Nur ein Bruchteil der Verkäufer kann mit wirklich überdurchschnittlichen Leistungen aufwarten.Wenn man sicher sein will, dass der Kandidat die an ihn gestellten Anforderungen erfüllen kann, ist es deshalb entscheidend, beim Rekrutierungsprozess gewisse Vorgehensweisen und Regeln zu befolgen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/10

     

«Bestimmt habe ich in meiner 30-jährigen Karriere weit über 200 Vertriebsmitarbeiter rekrutiert. Doch rückblickend betrachtet, hat gerade mal einer von zehn die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt. Die anderen waren Mittelmass!» So formulierte es neulich ein langjähriges Geschäftsleitungsmitglied eines global tätigen IT-Konzerns. Er unterstrich mit seiner Aussage die Theorie des Nationalökonomen Vilfredo Pareto (1848 bis 1923). Dieser fand heraus, dass mit 20 Prozent des Aufwands oft 80 Prozent des Ergebnisses erzielt werden kann. Adaptiert auf ein Verkaufsteam bedeutet dies, dass 20 Prozent der Top-Verkäufer 80 Prozent des Gesamtumsatzes erzielen. Und in der Tat: Vielfach tragen ein oder zwei Vertriebsmitarbeiter überproportional mehr zum positiven Gesamtergebnis bei als alle anderen Verkäufer zusammen. Dies mag im Einzelfall vielleicht an einer ungerechten Kundenverteilung liegen. Mindestens ebenso wahrscheinlich ist aber, dass im Rahmen des Rekrutierungsprozesses der falsche Vertriebsmitarbeiter eingestellt wurde. Wie also lassen sich gravierende Fehler bei der Kandidatenbeurteilung schon in der Evaluationsphase vermeiden? Wie soll das Bewerbungsgespräch aufgebaut sein, damit man nur die guten Verkäufer einstellt?

Verkaufspräsentation machen

Meistens beschränkt sich ein Auswahlverfahren mit potentiellen Vertriebsmitarbeitern auf ein paar Gespräche mit Personal- und Linienverantwortlichen. Dadurch erfährt man zwar einiges über die Bewerber. Wie diese sich in einer konkreten Verkaufssituation tatsächlich verhalten werden, weiss man damit aber noch nicht. Dabei liesse sich auch dies einfach testen: Indem man den Kandidaten bittet, eine Verkaufspräsentation abzuhalten, wird der Prüfende in einem praxisnahen Umfeld gefordert und muss sein Verkaufstalent unter Beweis stellen. Ergänzt werden kann diese Live-Simulation durch ein anschliessendes Verkaufsgespräch, wo vertieft Reaktionsvermögen und Standhaftigkeit untersucht werden. Zugegebenermassen verlangt so eine Vorgehensweise dem Kandidaten viel ab. Er wird unter Druck gesetzt, fühlt sich allenfalls in die Ecke gedrängt und mitunter auch überfordert. Doch sagen solche Reaktionen den Prüfungsexperten weitaus mehr über Charakter und Persönlichkeit des Bewerbers aus als tausend Worte in einem Interview.

Nach Erfolgen fragen

Jeder Verkäufer, den ich interviewe, frage ich nach seinen grössten Verkaufserfolgen. Das Erschreckende dabei ist: Viele Vertriebsmitarbeiter, die mir eine halbe Stunde lange ihre Vertriebsphilosophie heruntergeleiert haben, sind nicht in der Lage, diese einfache Frage innert nützlicher Frist zu beantworten. Anstatt eine klare Antwort zu geben, beginnen sie herumzustottern und starren verlegen an die Decke. Welche Rückschlüsse lassen sich damit auf den Mitarbeiter ziehen? Ganz einfach: Er ist nicht der Starverkäufer, für den er sich hält. Er nennt sich zwar Account Manager, trägt aber diesen Titel völlig zu Unrecht, da andere für ihn in der Vergangenheit den Job gemacht haben. Er selber war vermutlich nie wirklich aktiv im Verkaufsprozess involviert und kennt die Schlüsselpersonen des Endkunden, wenn überhaupt, nur vom Namen her.


Ganz anders die wirklich guten Verkäufer: Sie haben sich mit Haut und Haar dem Erfolg verschrieben. Sie haben mit Mühe, harter Arbeit und viel Schweiss für ihre Projekte über Monate gekämpft. Haben persönliche Beziehungen mit den Entscheidungsträgern ihrer Kunden aufgebaut. Dass sie mühelos ihre grössten Verkaufserfolge aufzählen können, versteht sich deshalb von selbst. Und genau diese Vertriebsmitarbeiter werden eine solche Verhaltensweise auch bei ihrem neuen Arbeitgeber wieder an den Tag legen. Denn für sie ist ihr Beruf nicht nur ein Job, sondern meistens eine Berufung, der sie mit viel Leidenschaft und Herzblut nachgehen.

Referenzen einholen

Man kann es nicht anders ausdrücken: Einen Mitarbeiter einzustellen ohne vor Vertragsunterzeichnung mindestens eine Referenz eingeholt zu haben, ist fahrlässig. Ein Job-Interview dauert gerade mal knapp zwei Stunden. Richtig geführt kann man zwar schon einiges über den Kandidaten erfahren. Doch wer als ehemaliger Vorgesetzter oder Kunde über Jahre mit einem Verkäufer zusammengearbeitet hat, wird diesbezüglich noch viel detailliertere Informationen abgeben können. Im Bewerbungsgespräch zu tricksen, mag manchem gelingen. Dies wird aber im beruflichen Alltag auf die Dauer so nicht möglich sein. Mit der Einholung einer Drittmeinung hat man die Chance, sich ein weitaus umfassenderes Bild über den Kandidaten zu machen.

Keine Stereotypen

Das Gute vorweg: Es gibt sie tatsächlich, die Charaktermerkmale, die ein richtiger «Sales» mitbringen muss, um in seinem Beruf erfolgreich sein zu können. Dazu gehören zum Beispiel Hartnäckigkeit, Abschlussstärke, Biss und Durchsetzungsvermögen. Doch aufgepasst: Nicht jeder, der aussieht wie Brad Pitt und redet wie Bill Clinton, ist damit schon ein Top-Verkäufer. Persönlich habe ich Kandidaten erlebt, die in Wollsocken zu einem Interviewtermin erschienen sind und anfänglich verschlossen und distanziert auftraten. Wie sich erst später herausstellte, waren aber einige dieser Kandidaten höchst erfolgreich in ihrem Beruf. Ihr zur Schau gestelltes Understatement hatte fast schon etwas Rühriges und machte sie schlussendlich sogar besonders sympathisch.

Wer sich allein auf den ersten Eindruck verlässt und mit der Checkliste im Kopf krampfhaft nach Charaktereigenschaften und äusserlichen Merkmalen sucht, die Rückschlüsse auf verkäuferischen Qualifikationen des Bewerbers zulassen würden, neigt mitunter zu krassen Fehlbeurteilungen.


Besser ist es darum, wenn man als Interviewer möglichst offen in ein Bewerbungsgespräch geht und sich vergegenwärtigt, dass man mit spontanen Bauchentscheidungen hinsichtlich der Einstellung von Vertriebsmitarbeitern meistens schlecht beraten ist.

Das nächste Mal

Ein gutes Netzwerk ist für jeden Verkäufer ein Muss, will er langfristig erfolgreich sein. Lesen Sie im nächsten Heft, wie man ein Netzwerk aufbauen, vergrösseren und pflegen kann, selbst wenn man ab und zu die Stelle wechselt und welches die Vorteile gegenüber der Kaltakquise sind.

Der Autor

Markus Schefer (40) ist selbständiger Personalberater. Daneben ist der ausgebildete Primarlehrer Dozent für das Fach «Verkauf» an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Er verfügt über langjährige Vertriebs­erfahrung im In- und Ausland, unter anderem bei IBM und Reuters.
www.scheferpersonal.ch
markus@scheferpersonal.ch


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