Wiedergeburt der grössten IT-Messe

In diesem Jahr geht die weltgrösste IT-Messe Cebit zum ersten Mal mit einem neuen Konzept an den Start. Lösungen, nicht Produkte stehen im Mittelpunkt. Fachbesucher sollen so schneller finden, was sie suchen. Ausserdem erhält der Cebit-Kongress mehr Gewicht. Mit diesen und weiteren Massnahmen will die Messeleitung dafür sorgen, dass die Cebit auch künftig der Nabel der IT-Welt bleibt.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/03

     

Vor nunmehr 28 Jahren nahm die weltgrösste IT-Messe in Hannover ihren Anfang. Als Teil der Industriemesse hatte das «Centrum der Büro- und Informationstechnik», besser bekannt unter dem heute gebräuchlichen Kurznamen Cebit, seinen Platz in der Halle 1 des riesigen Hannoveraner Messegeländes. Sechzehn Jahre später wurde das Kind flügge: 1986 fand die erste eigenständige Cebit mit rund 2100 Ausstellern und 200’000 Quadratmetern Ausstellungsfläche statt. Rund 330’000 Besucher waren Zeuge der Premiere.
Die Halle 1, sozusagen das Geburtshaus der Messe, wird in diesem Jahr nicht mehr belegt. Sie passe nicht ins neue Messekonzept und sei zu wenig flexibel einsetzbar, lautet die offizielle Begründung. Tatsache ist auch, dass die diesjährige Cebit mit klareren Strukturen aufwarten soll, ein Anspruch, dem das Ausstellerdurcheinander und der irrgartenähnliche Innenausbau der Halle nicht gerecht werden kann. In der Folge wird die Cebit 2008, zumindest was die Ausstellungsfläche angeht, etwas kleiner als die Ausgabe 2007. Insgesamt werden aber noch immer rund 240’000 Quadratmeter zur Verfügung stehen, 30’000 weniger als im Vorjahr. Parallel dazu nimmt auch die Zahl der Aussteller ab: Waren 2007 noch 6153 Firmen vertreten, sprechen die Veranstalter in diesem Jahr von «über 5500 Ausstellern aus 75 Nationen».

Fachmesse für Fachleute

Die Cebit beachte die Bedürfnisse der Fachbesucher zu wenig, lautete die in den letzten Jahren wohl am häufigsten geäusserte Kritik an der Messe. «Die Cebit ist keine Spiele- und Unterhaltungsmesse, sondern eine Business-Veranstaltung», mäkelte noch im letzten Jahr der deutsche IT-Branchenverband Bitkom. Diesem Vorwurf wollen die Veranstalter der Deutschen Messe AG in diesem Jahr Rechnung tragen: Ein «Paradigmenwechsel» wurde angekündigt, der dem Fachbesucherschwund Einhalt gebieten soll. «Effi­zienter, kürzer, vielfältiger», bringt der Titel einer Pressemitteilung des Veranstalters die Ziele des neuen Messekonzepts auf den Punkt. «Beutelratten», wie die werbegeschenksammelnden Privatbesucher manchmal etwas abfällig genannt werden, sollen bald zur Minderheit gehören. Konkret wird die Messe um einen Tag verkürzt und öffnet ihre Tore in diesem Jahr vom Dienstag, dem 4. bis zum Sonntag, dem 9. März. Damit rutscht das Wochenende an das Ende der Veranstaltung und liegt nicht wie bis anhin inmitten der Messezeit.

Am Besucher ausgerichtet

«Es fand ein wichtiger Umdenkprozess bei uns statt», erklärt Alexander Wurst, Projektleiter der Deutschen Messe in Hannover, anlässlich einer Pressekonferenz in Zürich. Man habe den Fokus bisher zu einseitig auf die Aussteller gerichtet und dabei den Bedürfnissen der Fachbesucher zu wenig Beachtung geschenkt. Nun hob die Deutsche Messe eine neue Abteilung aus der Taufe, die sich ausschliesslich um die Anliegen der Gäste kümmert. In einem weiteren Schritt wurden die Marktsegmente in drei grossen Ausstellungsbereichen gebündelt: «Business Solutions», «Public Sector Solutions» sowie «Home & Mobile Solutions». Das Fundament für diese drei Säulen bilde wiederum der Bereich «Technology & Infrastructure».
Homogene Hallen, die ausschliesslich mit Rechnern, Software oder Beratungsangeboten aufwarten, wird es nicht mehr geben. Das in Zusammenarbeit mit der Industrie ausgearbeitete Konzept zielt auf Lösungen ab. «Die Besucher sind mehr als in den vergangenen Jahren an Lösungen von komplexen Fragestellungen interessiert», so Ernst Raue, Vorstand der Deutschen Messe. «Die neue Drei-Säulen-Struktur wird diesem Anspruch gerecht.»
Zudem wird auch das Rahmenprogramm massiv ausgebaut. Auf dem Programm des parallel stattfindenden Cebit-Kongresses finden sich über 1200 Foren und Seminare, womit die Messe zu einem der grössten IT-Kongressen der Welt mutiert. Erstmals wird an jedem Tag eine Ansprache aus dem Mund eines «Spitzenvertreters der Industrie» zu hören sein, darunter beispielsweise SAP-Chef Henning Kagermann oder der Microsoft-COO Kevin Turner.

«Business Solutions» im Mittelpunkt

Im Einklang mit dem Fachmesse-Bekenntnis trägt die «Business Solutions»-Säule die Hauptlast der Veranstaltung. Sie umfasst neben Software-Angeboten auch Branchenlösungen und Spezialthemen, wie die Innova­tionsplattform «Future Parc», Netzwerktechnologien oder Banken-IT. Der Bereich ist schwerpunktmässig in den Hallen 2 bis 7 untergebracht.
In der Halle 2 finden sich Anbieter von Speicherlösungen, Server, IT-Dienstleistungen und Virtualisierungssoftware. Vertreten sind beispielsweise IBM, Novell, Hitachi und Promise Technology.
Die Halle 3 steht wie bis anhin im Zeichen von Enterprise- und Web Content Management. Allerdings wird sie in diesem Jahr durch den Bereich Dokumentenmanagement ergänzt. System-Software, Business Intelligence und Enterprise Informa­tion Integration runden das Angebot ab.
Der Software-Riese Microsoft, der ERP-Marktführer SAP und der Infrastruktursoftware-Spezialist Software AG finden sich zusammen mit weiteren kleinen und mittelständischen Unternehmen in der vierten Halle. Neben ERP-Produkten stehen hier serviceorientierte Architekturen und Geschäftsprozess-Management-Sys­teme im Mittelpunkt. Ergänzt wird das Portfolio mit CRM-Systemen und Online-Marketing-Lösungen. Die eigentliche ERP-Halle ist jedoch die fünfte. Hier gibt es laut Organisatoren das «Rundum-Wohlfühl-Paket» für die effiziente Ressourcenplanung. Ausserdem werden in dieser Halle die Initiative «Cebit Mittelstand» und der Linuxpark eingerichtet.
Gar als einen Messehöhepunkt preisen die Veranstalter die Zusammenführung der Themen Human-Ressources- (HR)-Management und Sicherheit in Halle 6. Aussteller wie Kaba oder Interflex seien traditionell eng mit der Sicherheits-Branche verbunden. Ebenfalls in dieses Gebiet fällt der «Cebit Job & Career Market» und die neue Sonderpräsentation «Learning & Knowledge Solutions».
Am Ende des «Business Solutions»-Rundgangs in Halle 7 sind die Gebiete AutoID/RFID sowie Professional Output- und Office-Solutions zu Hause. Aussteller wie Kyocera, Xerox und Metro Group präsentieren hier ihre Lösungen. Der Vorteil der neuen Struktur liegt darin, dass sich ergänzende Themenschwerpunkte in unmittelbarer Nachbarschaft angesiedelt haben. So kann sich der interessierte Fachbesucher umfassend informieren, ohne sich am Abend neue Schuhe kaufen zu müssen.

Schwerpunktthema Gesundheit

Ein weiterer Schwerpunkt der diesjährigen Cebit stellt das Gebiet der Gesundheitslösungen dar. Die Halle 8 steht ganz im Zeichen der digitalen Angebote für Ärzte, Krankenversicherungen und Spitäler. Erstmals können hier Krankenhausinformationssys­teme und andere Lösungen rund ums digitale Gesundheitsdaten-Management in Augenschein genommen werden. Nicht unerwähnt bleiben dürfen natürlich auch das Fachhandelszentrum «Planet Reseller», das mittlerweile auf 10’000 Quadratmeter angewachsen ist, und der von Expo-Gate Bern extra für Schweizer Aussteller organisierte «Kompetenzpark Schweiz».

Alles grün macht der März

Um das Trendthema «grüne Informationstechnologie» (neudeutsch auch Green IT genannt) kommt die Cebit natürlich nicht herum. Mit den drei Bausteinen «Green IT Village», einem «Green IT Guide» und einem besonderen Kongressprogramm wollen die Veranstalter den Drang zu mehr Energieeffizienz in der IT thematisieren und somit eine wichtige Rolle für sich beanspruchen: «Bislang fehlt trotz der zunehmenden weltweiten Vernetzung eine Plattform, auf der die zentralen Innovationen gebündelt werden», lässt sich Ernst Raue zitieren. Nur eine Veranstaltung wie die Cebit könne den Rahmen für ein solch wichtiges Forum bieten.
Besonders auf den Magen schlägt der Branche momentan der akute Mangel an qualifizierten Fachkräften. Allein in Deutschland fehlen rund 43’000 IT-Spezialisten. Als wichtigste Branchenveranstaltung will sich die Cebit auch um dieses Problem kümmern. Die Angebote rund um das Thema Rekrutierung werden ausgebaut. Erstmals wird zudem ein «IT Fitness Campus» eingerichtet, mit dem vor allem junge Leute für das Fachgebiet begeistert werden sollen.
Zusätzlich wird der Versuch unternommen, auch Frauen auf die Vielseitigkeit der Branche aufmerksam zu machen: Am 8. März, dem Weltfrauentag, geniessen sie freien Eintritt auf das Messegelände.

Bonjour Monsieur Le President

Zu guter Letzt wird in diesem Jahr «La Grande Nation» als Partnerland auf der Cebit willkommen geheissen. «Frankreich gibt der Branche immer wieder wichtige Impulse», lobt Ernst Raue unseren westlichen Nachbarn. Als Highlight des Partnerland-Programms bezeichnet er den deutsch-französischen ITK-Gipfel. Spitzenpolitiker beider Länder wurden zu den Gesprächen geladen.
Da darf natürlich auch der quirlige französische Präsident Nicolas Sarkozy nicht fehlen: Zusammen mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet er am 3. März die Messe. Ob er dabei von seiner Angetrauten, der Sängerin Carla Bruni, begleitet wird, ist leider nicht bekannt. IT-Profis wüssten ihre Anwesenheit sicher mehr zu schätzen als die Mitglieder des saudischen Königshauses. (Markus Gross)


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