«Software-Herstellern fehlt der Mut»

Application Service Providing wurde lange Zeit als der IT-Trend schlechthin bezeichnet – die Erfolge blieben bisher allerdings aus. André Stutz, Präsident des Schweizer ASP-Konsortiums, macht sich dennoch stark für das Software-Mietmodell.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/18

     

IT Reseller: Herr Stutz, woran liegt es, dass dem ASP-Modell allen Vorteilen zum Trotz der Erfolg bisher nicht beschieden ist und welches sind Ihrer Meinung nach realistische Erwartungen für den Schweizer Markt?

André Stutz: Die grossen Erfolge der ASP-Modelle sind vor allem deshalb ausgeblieben, weil mit Beendigung des E-Hype auch viele der damaligen Randthemen wie beispielsweise ASP mit beerdigt wurden.
Die Kunden wären für ASP-Modelle vielleicht offener gewesen, wenn sich die Softwareanbieter diesem Thema etwas mehr gewidmet hätten. Erst im Jahr 2003 gab es wieder vermehrt Referenzstories, kommuniziert wurden diese aber selten bis nie. Die Kunden hatten aufgrund mangelnder Aufklärung in den letzten zwei bis drei Jahren nie wirklich die Chance, die Vorteile von ASP-Lösungen im Kern zu verstehen. Viele der heutigen «On Demand»-Lösungen sind aber letztlich klassische ASP-Modelle.
Das Potential für ASP-Modelle ist vor allem im KMU-Umfeld gross. Klare und offene Kosten-Kalkulationen und die professionelle Betreuung durch den Provider/Software-Partner dürften mit Sicherheit im Vordergrund stehen. Dass die Kunden, die ASP-Lösungen einsetzen, sich ihren Kernkompetenzen widmen können geht leider oft vergessen. KMU sollen und müssen keine IT-Profis sein. Es stellt sich vielmehr die Frage, wie die jeweiligen ASP-Lösungen zu den Kunden kommen. Hier sind die Software-Hersteller aufgefordert, mehr Mut an den Tag zu legen. Viele der modernen Systeme sind ohne viel Aufwand als ASP-Lösungen anbietbar. Wir stellen glücklicherweise fest, dass in den letzten Monaten die Anzahl der Software-Anbieter, die ein fertiges ASP-Pricing für Ihre Lösung haben, kontinuierlich stieg.

Könnte es neben den psychologischen Effekten bei den Endkunden nicht auch Gründe für den bisher ausbleibenden Erfolg geben, die bei den Herstellern selbst zu suchen sind?

Ich würde weniger von psychologischen Effekten, sondern eher von Unkenntnis über die Möglichkeiten und die Sicherheit dieser Systeme sprechen. Wie schon gesagt, sind die Hersteller selber Ursache für den ausbleibenden Erfolg. Aufklärung, Marketing und der Wille, ein Business-Modell am Markt zu etablieren, sind Voraussetzung für den Erfolg des Modells. Was der Markt nicht kennt und nicht beurteilen kann, wird er immer mit Vorbehalten annehmen.
Bei den drei grossen Software-Anbietern Microsoft, SAP und Oracle stellen wir in der Schweiz ganz unterschiedliche Phänomene fest. SAP und Microsoft gehen zum ASP-Modell eher auf Distanz und überlassen den Implementierungspartnern die Marktdurchdringung beziehungsweise das Risiko, das Modell am Markt zu plazieren. Oracle hingegeben geht mit attraktiven Offerings ihrer Business Suite voll in die Offensive.

In welchen Bereichen sehen Sie die grössten Chancen für ASP-Software?

Hier wären vor allem die Bereiche der ERP-Lösungen zu nennen, oder zumindest Teile aus ERP-Lösungen, die sich für den ASP Betrieb in KMU hervorragend eignen. Auch die relativ grosse Anzahl von CRM-Lösungen, die heute schon im ASP-Modell angeboten werden – manche sogar ausschliesslich – haben enormes Potential.
Daneben sind diverse Angebote aus den Bereichen graphische Lösungen, Archivierung, Dokumententen-Management-Systeme, Content-Lösungen, Lösungen im E-Learning-Bereich, aber auch Lösungen für Verbände und Kleinbetriebe der verschiedensten Branchen vertreten. Die Breite der angebotenen ASP-Systeme wird immer umfangreicher. Leider hinkt das Marketing nicht selten den Möglichkeiten hinterher.

Welche Bedeutung kommt den Soft- und Hardware-Herstellern, Dienstleistern und Wiederverkäufern zu?

Die Hardware-Hersteller stellen Infrastruktur im Rechenzentrum zur Verfügung, der Kunde erwartet hier nur volle Professionalität, die er selber nicht erbringen kann. Kontakt möchte der Kunde nur zum Software-Hersteller als quasi Generaltunternehmer für die Lösung des Kunden. Es kann und darf nicht sein, dass Kunden die Fehlersuche zwischen Rechenzentrum, Software-Betreiber und Kommunikationsdienstleister betreiben müssen. Das wäre definitiv der Tod des Modells. (Interview: mh)


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Was für Schuhe trug der gestiefelte Kater?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER