Tamedia: Der 90-Millionen-Deal wankt

Der im Mai angekündigte 90-Millionen-Deal mit Tamedia ist für T-Systems nicht gesichert: Nach anfänglichen Zusagen an die Tochter der deutschen Telekom steht das Schweizer Verlagshaus jetzt in Verhandlungen mit Swisscom IT Services.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/14

     

In einer Pressemeldung hatte
T-Systems Schweiz im Mai dieses Jahres die bevorstehende Vertragsunterzeichnung eines grossen Outsourcing-Deals mit dem Schweizer Verlagshaus Tamedia in Zürich öffentlich gemacht. Demnach war geplant, dass Tamedia seine gesamte IT zu
T-Systems auslagert. Der Deal sollte über eine geplante Laufzeit von acht Jahren gehen und ein Volumen von rund 90 Millionen Franken erreichen.
Inzwischen präsentiert sich die Lage allerdings anders. Tamedia hat bis dato keinen Vertrag mit T-Systems unterschrieben – sondern steht erneut in Verhandlungen mit Swisscom IT Services: «In der Due-Diligence-Prüfung mit T-Systems hat sich gezeigt, dass die finanziellen Aspekte, wie sie anfänglich formuliert wurden, aufgrund des Einbezugs der Tamedia-Töchter nicht realistisch waren», bestätigt Franziska Hügli, Leiterin Unternehmenskommunikation bei Tamedia. Aus diesem Grund habe sich das Verlagshaus entschieden, noch einmal mit Swisscom IT Services in Verhandlungen zu treten,
die anlässlich der ersten Ausschreibungsrunde die «zweite valable Offerte» beigesteuert habe.

Entscheid bis Mitte September

Swisscom-Sprecher Josef Huber bestätigt, dass sich Swisscom IT Services in Verhandlungen mit Tamedia befindet, will diese allerdings nicht weiter kommentieren: «Wir haben anlässlich der Ausschreibung eine Offerte eingereicht, die immer noch gültig ist», so Huber zu IT Reseller. Auch von T-Systems kommt eine ähnliche Stellungnahme: «Wir haben ein technisch professionelles und finanziell kompetitives Angebot abgegeben, das wir nach wie vor als gut betrachten», sagt Daniel Hinz, Head of Corporate & Marketing Communications bei T-Systems Schweiz. Bis Mitte September – nach Abschluss der offenbar gegenwärtig stattfindenden Due-Diligence-Prüfung mit Swisscom IT Services – soll ein Entscheid kommuniziert werden: «Dann werden wir darüber informieren, was mit der Informatik der Tamedia weiter passiert», präzisiert Hügli.
Auffallend ist, dass sich die Tamedia hier klar eine Hintertür offen hält: Mitte September wird nicht zwingend das Outsourcing der IT an einen der beiden externen Anbieter erfolgen, sondern denkbar ist auch, dass die Informatik bis auf weiteres im Hause Tamedia verbleibt.

Kritischer Punkt war die Arbeitsplatzgarantie

In der ersten Ausschreibungsrunde hatten T-Systems, Swisscom IT Services sowie der Schweizer Ableger des amerikanischen Outsourcers EDS Offerten für den Betrieb der Tamedia-Informatik eingereicht. Den Ausschlag für die anfängliche Zusage an T-Systems soll laut einem am Prozess beteiligten Insider die «Arbeitsplatzgarantie» gewesen sein. In der Tat war dieser Punkt für die Tamedia stets zentral: «Für uns war von Anfang an klar, dass mit dem Outsourcing der IT die Mitarbeitenden zum Anbieter übergehen. Dies sollte verbunden mit einer Besitzstandgarantie für eine gewisse Zeit erfolgen», so Hügli weiter.
Konkret heisst das: Jeder Tamedia-Mitarbeiter hätte als frischgebackener T-Systems-Angestellter seine angestammte Tätigkeit weiter ausüben können (mindestens für eine gewisse vertraglich geregelte Zeit), bevor er innerhalb der T-Systems mit der Wahrnehmung einer neuen, nicht mehr zwingend mit Tamedia verbundenen Aufgabe betraut werden kann. Es ist allerdings fraglich, wie die von allen Parteien gewünschten Kosteneinsparungs- und Skaleneffekte erreicht werden sollen, wenn beim Outsourcing-Anbieter über mehrere Jahre alles so bleibt, wie es beim auslagernden Unternehmen schon war.

Swisscom IT Services braucht dringend Projekte

Im ersten Halbjahr des Jahres 2004 hat Swisscom IT Services laut dem Halbjahresbericht der Swisscom-Gruppe einen Umsatzrückgang um 9,4 Prozent hinnehmen müssen. Die IT-Tochter des ehemaligen Monopolisten habe «tiefere Umsätze mit externen Kunden» erwirtschaftet, heisst es dort auch. Diese seien auf das «schwache konjunkturelle Umfeld» zurückzuführen.
In der Branche wird schon lange gemunkelt, dass Swisscom IT Services kaum Projekte abschliessen könne. Im Falle von Ascom soll der Zuschlag an die Berner laut Insidern erfolgt sein, weil sie preislich so tief offeriert hätten, dass andere nicht mehr mitziehen konnten. Fest steht nur, dass es Swisscom IT Services noch nicht im gewünschten Umfang gelungen ist, sich als Dienstleister für externe Kunden am Schweizer Markt aufzustellen. Nur wenige Umsatzprozente soll das Unternehmen gegenwärtig mit externen Kunden erwirtschaften.
Ob und wie lange die Swisscom-Tochter in der bisherigen Form weitermachen kann, scheint unklar. So wurde etwa die verselbständigte IT-Tochter der deutschen Rheinmetall von IBM übernommen, nachdem sie eine Zeit lang vergeblich versucht hatte, sich am Markt als eigenständiger IT-Dienstleister für Outsourcing-Projekte zu etablieren. Viele Beobachter erwarten auch in der Schweiz mittel- bis langfristig eine Konsolidierung bei den Anbietern. (bor)


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