Nachhilfestunden in Marketing

Die Marketing-Gilde der Schweizer IT-Branche hat offenbar Nachholbedarf – zumindest legt die Besucherzahl des zweiten IT-Marketing-Tages in Luzern diese Vermutung nahe.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/03

     

Gutes Marketing bringt das Geschäft in Schwung. Und eine gehörige Portion Schwung kann die Schweizer IT-Branche im Moment gut gebrauchen. Vor diesem Hintergrund versteht es sich von selbst, dass der zweite IT-Marketing-Tag in Luzern auf reges Interesse stiess. Gemäss den Veranstaltern Softnet und Orange waren es über 300 Teilnehmer, die sich Ende Januar ins Kultur- und Kongresszentrum Luzern begaben. Und das Rednerprogramm reizte mit einigen illustren Namen.
Den Auftakt machte Beat Hotz-Hart, Vizedirektor Strategie und Controlling beim Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT). Er referierte über Softnet, das Aktionsprogramm, mit dem das BBT der Schweizer Software-Branche einheizen will. Wie die hiesige Software-Industrie von den Anwendern wahrgenommen wird, zeigte darauf Stefan Hitz von der Firma Jeko, die letztes Jahr im Auftrag von Softnet eine Studie durchgeführt hat.
Die Studie stellt fest, dass es die Schweizer Sofware-Industrie mit einem schwierigen Massenmarkt zu tun hat und eine mangelhafte Marktpositionierung aufweist. Die Verfasser empfehlen deshalb den Herstellern nationale Vorteile auszuspielen, Nischenmärkte zu besetzen und sich auf neue Gesprächspartner zu konzentrieren.

Profilierung als oberstes Prinzip

Mit diesen Ergebnissen im Hinterkopf betrat darauf Hauptredner Thomas Rudolf die Bühne, seines Zeichens Direktor des Gottlieb-Duttweiler-Lehrstuhls für internationales Handelsmanagement am Institut für Marketing und Handel der Universität St. Gallen. Er gab zu bedenken, dass gemäss Marktforschern die Hälfte der Software-Hersteller das nächste Jahr nicht überleben werde und die Anzahl der Nischen im Abnehmen begriffen sei.
Anhand effektvoller Beispiele, die er zusammen mit dem Publikum durchspielte, machte Rudolf in der Folge plausibel, worauf sich die Marketing-Verantwortlichen der IT-Branche in Zukunft konzentrierten sollten. Als wichtigen Faktor schälte er dabei die Profilierung heraus. Zu versuchen, der Billigste und der Beste zu sein sowie die eierlegende Wollmilchsau anbieten zu wollen, sei keine erfolgsversprechende Strategie.
Rudolph empfiehlt deshalb, Schwerpunkte zu setzen und die jeweilige Zielgruppe möglichst klar anzusprechen. Zudem sei es wichtig, emotional ansprechend aufzutreten und kurz sowie prägnant zu kommunizieren. Kaum Chancen werden Schweizer Hersteller bei Kunden haben, die das Preis-Leistungs-Verhältnis als wichtigsten Faktor beim Kaufentscheid ins Zentrum stellen.
Kurzum: Es gilt, einen klaren Produkt- oder Servicevorteil zu bieten.
Die Formel von Rudolph: «Ohne Profil kein Profit – die Preisfalle schnappt zu.» Als bevorstehende Aufgaben für die Schweizer Software-Industrie macht Marketing-Professor Rudolph das Kunden-, Ressourcen- und Netzwerkmanagement aus. Die Kunden sollen sie mit einem klaren Profil ansprechen. Investitionen sind dort zu tätigen, wo sie das Kundenprofil aufbauen wollen. Und schliesslich sollen die Anbieter sich vernetzen und Kooperationen eingehen, um überlebensfähig zu bleiben.

Aus «miracle-ösen» Fehlern lernen

Ins selbe Horn stiess als weiterer Referent Harry Holzheu (Bild) – ein begnadeter Verkäufer, der einen Eskimo überzeugen könnte, einen Kühlschrank anzuschaffen. Es gehe darum, sich von der Masse der Mitbewerber abzuheben, einzigartig zu sein, um für den Kunden unentbehrlich zu werden. Im Gegenzug sei es aber auch wichtig, dem Kunden das Gefühl zu vermitteln, er sei seinerseits etwas Besonderes.
Holzheus Vortrag selbst diente gleich auch als Beweis dafür, wie man sich überzeugend präsentieren sollte. Mit einfachen, für alle Anwesenden nachvollziehbaren Formeln, schaffte er es, das Publikum in seinen Bann zu ziehen und spürbar von seinen aufbauenden Botschaften zu überzeugen.
Diesen theoretischen Ausführungen standen die Einblicke in die Marketing-Praxis gegenüber. Als Mitveranstalter hatte Orange einen eigenen Auftritt und die Co-Sponsoren Microsoft, SAP und Smart ebenfalls. Die Referenten plauderten aus dem Nähkästchen ihres Marketing-Alltags und verstanden es, praxisnahe Eindrücke zu vermitteln. Ergänzt wurden diese Beispiele durch den CSC-Vertreter Daniel Odermatt, der die Kundensicht aus seiner eigenen Erfahrung als CIO einbrachte. Venturix-Partner Nicolas Berg steuerte einen Crash-Kurs in Sachen wirkungsvoller Medienarbeit bei. Den abschliessenden Höhepunkt machte Peter Fehlmann.
Der Micracle-Pressesprecher und spätere CEO von New Miracle bot ungeschminkte Einsichten in den Aufstieg und Fall des ERP-Unternehmens – Marketing unter verschärften Bedingungen inklusive Worst-Case-Szenario sozusagen.
Die Teilnehmer erhielten im Laufe des Tages sicherlich einige Denkanstösse und Tipps, wie sie ihr Marketing verbessern können. Oder wie es Daniel Renggli von SAP forumuliert: «Der Mix aus Theorie und Praxis ist gelungen. Weniger gefallen haben mir die Werbeveranstaltungen von Orange und Microsoft, wobei ich für den Beitrag des Hauptsponsors durchaus Verständnis habe.» Auch das gehört zum Marketing. (map)


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