Umdenken oder Abstieg in Regionalliga - Bericht von der Systems 2002

Wenn die Systems 2002 in München ein Barometer für die Situation der IT-Branche ist, sollte man ernsthaft an eine Umschulung denken. An einen Fortbestand der Messe in der gegenwärtigen Form glaubt deshalb auch niemand so recht.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/18

     

«Wir von der Messe München haben alles getan, dass von der Systems positive Signale für den Markt ausgehen.» Mit diesem Zitat von Klaus Dietrich, Mitglied der Geschäftsleitung der Messe München, beginnt die Pressemitteilung zur Hauptpressekonferenz der zweitgrössten deutschen ITK-Messe.
Was wie eine frohe Botschaft klingen soll, hat doch den faden Beigeschmack einer Ausrede, denn eine Ausstellerzahl von gerade einmal 1600 zwang die Verantwortlichen, die Ausstellungsfläche auf acht Hallen zu begrenzen, um die Leerflächen halbwegs kaschieren zu können. 2001 waren noch 2165 Firmen präsent gewesen, was einem Rückgang der Ausstellerzahlen von 24 Prozent zum Vorjahr und 41 Prozent zum Boomjahr 2000 entspricht.

Schweizer Anteil 0,5 Prozent

Gerade einmal acht Unternehmen aus der Schweiz verzeichnet der Ausstellerkatalog, und selbst da ist die Statistik geschönt. Am Stand des Sippo, des Swiss Import Promotion Programms, findet man jede Menge Aussteller, vor allem aus Osteuropa, aber keine Schweizer. Auch einen Gemeinschaftsstand wie noch vor einem Jahr gibt es nicht mehr.
Die Aussteller sind je nach Produkt in den entsprechenden Hallen untergebracht. Etwas Pech hatten dabei Umantis, Anbieter einer Personal Resource Management-Software aus St.Gallen, der sich eingekeilt zwischen Personaldienstleistern wiederfand. Während Philip Ebneter, zuständig für Marketing bei Umantis, den Messebeginn daher als eher verhalten einstufte, gibt es auch Stimmen, die vollauf zufrieden sind.

Geteilte Resonanz

Boris Bärmichl, General Manager des Security-Anbieters Netstuff, beschrieb die Security-Area der Systems als vollen Erfolg, eine Einschätzung, die auch der Schweizer Partner Netbeat teilt. Trotz aller Rezession und Kaufzurückhaltung in anderen Bereichen investieren Unternehmen verstärkt in Sicherungssysteme.
Gleich mit zwei Partnern aus der Schweiz präsentierte sich auch Command aus Ettlingen. Dort präsentierte man den Oxaion, Nachfolger der bekannten ERP-Software Frieda (Enterprise Resource Planning). Hierzulande ist die Lösung für IBM eServer iSeries (vormals AS/400)-Systeme über die Aroa Informatik, die BBI-Consulting und die Inel-Data zu beziehen.
Albert Roth, Mitglied der Geschäftsleitung bei Aroa, zeigte sich bei seinem ersten Auftritt auf der Systems auch sehr zufrieden. Für das St. Gallener Unternehmen ist die Nähe zum Grossraum München mit seinem grossen Kundenpotential einer der Gründe gewesen, trotz des zu erwartenden Besucherrückgangs präsent zu sein.

Einhellige Prognose

Dennoch sieht Albert Roth keine Zukunft für die Systems in der bestehenden Form. «Die Kunden gehen vermehrt zu Solution-orientierten Veranstaltungen», beschrieb er die Präsentationsplattformen der nächsten Jahre und liess durchblicken, dass Aroa diesen Weg begrüssen und mitgehen würde. Zu der durchgängigen Erwartungshaltung, dass die Systems 2002 zu einer aussterbenden Gattung gehört, trägt auch eine flächendeckende Verstimmung bei den Ausstellern gegenüber der Messeleitung bei.
Hauptkritikpunkt ist ein mangelndes Verständnis dafür, dass die Aussteller Kunden und nicht Bittsteller seien. Während rigide Regelungen für Aufbauzeiten, Parkdauer der Lieferfahrzeuge und umständlichste Handhabung bei der Ausgabe der Ausstellerausweise noch unter kleinkarierte Borniertheit abgetan werden, ist der Unmut über die Preispolitik begründet und tiefsitzend.
Gerade die treuesten Aussteller, die langfristig ihre Teilnahme zugesagt hatten, fühlen sich durch
die Dumpingpreise, zu denen in den letzten Wochen Ausstellungsflächen verramscht wurden, betrogen. Seitens des Veranstalters hätte es keinerlei Entgegenkommen gegeben, weder in Form von Preisnachlässen für Frühbucher, noch durch zusätzliche Standfläche oder ähnliches als kleines Dankeschön.
Auch an dem grundlegenden Marketing gibt es Kritik. «Während die Aussteller morgens wie Dummköpfe um die halbe Messe laufen müssen, um am Haupteingang Einlass zu finden, wird anschliessend der Hintereingang für die Besucher geöffnet», erläuterte Boris Bärmichl von Netstuff das Problem. «Wenn die nach ihrer Wanderung durch leere Hallen hier ankommen, ist ihr Eindruck der IT-Branche nicht gerade der eines boomenden Industriezweigs.»

Ausblick

Die Systems hat jetzt das zweite schlechte Jahr hintereinander erlebt, und der Einbruch bei Ausstellerzahlen, Besuchszahlen und Grösse der ausstellenden Unternehmen hat sich weiter beschleunigt. Die neue Messeleitung hat es mit mangelndem Feingefühl bezüglich der Wünsche und Erwartungen ihrer Kunden zudem geschafft, viele der diesjährigen Aussteller zu verärgern. Auch die Frage, ob eine zweite Cebit wirklich gewünscht und gebraucht wird, scheint man sich nicht zu stellen, wenn man die offiziellen Pressebulletins liest.
Es ist zu befürchten, dass schon nächstes Jahr die Systems nur noch regionalen Charakter haben wird, denn in vielen Zweigen der IT-Szene orientiert man sich hin zu spezialisierten Fachmessen. Und auch das Messe Centrum München ist keine unantastbare Grösse mehr. «Es gibt bessere Alternativen», brachte es ein Aussteller auf den Punkt. (tm)


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