1:0 für amerikanische Wettbewerbshüter:Microsoft missbraucht Monopolstellung

Thomas P. Jackson, der zuständige Richter im Kartellprozess der US-Justizbehörde gegen Microsoft, hat seine mit Spannung erwarteten Tatsachenfeststellungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Artikel erschienen in IT Reseller 1999/20

   

Jackson hält unter anderem fest, dass Microsoft nicht nur eine Monopolstellung einnehme, sondern diese auch bei Betriebssystemen für PCs zu «räuberischen Taktiken» gegenüber Konkurrenten missbrauche und so die Interessen der Verbraucher verletze.
Das Unternehmen habe seine ganze Markt- und Kapitalmacht eingesetzt, sobald konkurrierende Firmen für Microsoft gefährliche Produkte entwickeln wollten. «Auf diese Weise sind Innovationen, die den Verbrauchern wirklich genutzt hätten, aus dem einzigen Grund nie verwirklicht worden, dass sie den Interessen von Microsoft im Weg standen», heisst es in den «Findings of Facts» des Richters.
Das eigentliche Urteil wird zwar erst Anfang nächsten Jahres erwartet, doch zeigen die harschen Feststellungen die Einschätzungen des Richters und somit dessen Stossrichtung. Microsoft-Sprecher äusserten ein grosses Interesse an einem aussergerichtlichen Vergleich. Die Parteien haben 30 Tage Zeit, Ihre Stellungnahme abzugeben.

Auswirkungen und Aussichten

Sicher ist eines: Auch nach dem Urteil wird der Fall Microsoft die Gerichte über Jahre hin weiter beschäftigen. Einerseits ist mit einer Flut von Klagen zu rechnen, wenn das Urteil gegen Microsoft ausfällt. Andererseits wird die Frage nach möglichen Sanktionen zur Beilegung der Monopolstellung weitere Verfahren nach sich ziehen. Eine Möglichkeit ist die oft besprochene und fragwürdige Aufsplittung in sogenannte «Baby Bills», also die Aufspaltung des Imperiums in Firmen nach Produktegruppen.
Bill Gates meinte am Freitagabend, der Kampf seines Unternehmens hätte einen erheblichen Beitrag zum Fortschritt, zur Produktivität und zum Lebensstandard geleistet. Dies habe den Verbrauchern genutzt und nicht geschadet. US-Justizministerin Janet Reno hingegen sprach in einem Kommentar von einem Sieg der Regierung und einem «grossen Tag für die Verbraucher».
Der Kurs der Microsoft-Aktie fiel im nachbörslichen Handel um zwei auf 89 Dollar. Bis zum Redaktionsschluss sank der Kurs jedoch nicht weiter als drei Prozent unter den Schlusskurs vom Freitag, dem 5. November, dem Tag der Veröffentlichung der «Findings of Facts». Die führenden Analytiker der Wall Street zeigten sich von den Schlagzeilen unbeindruckt. Im Gegenteil: Sie empfahlen die Microsoft-Aktie gar als Kaufgelegenheit.
Nicht eben unbedeutend für den möglichen Verlauf des Prozesses ist die Tatsache, dass die von Microsoft früher angerufenen Berufungsrichter Verständnis für das Argument zeigten, dass auch Microsoft das Recht zur Innovation und Verbesserung ihrer Produkte habe und konkret das Appellationsgericht in der Bündelung von Windows mit dem Internet Explorer keine missbräuchliche Verdrängung von Netscape sah. (mh)


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