«Wir kennen die Wellen»

Die Wettinger AC-Service gehört zu den mittelgrossen Outsourcern. Hinter der börsenkotierten Gruppe stecken 40 Jahre Erfahrung.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/06

     

Ist der Wettinger Outsourcer AC-Service nicht zu klein, um im Wettbewerb um das Vertrauen der Outsourcing-Kunden mit den «Grossen» wie IBM, EDS, T-System, und Swisscom mithalten zu können? Die Antwort von Beat Finkbeiner (Bild), VR-Delegierter der deutsch-schweizerischen Gruppe, fällt dezidiert aus: «Wenn ein Kunde uns aus der ‘Portokasse’ kaufen könnte, kommen wir als Outsourcer für ihn nicht in Betracht. Da sind wir zu klein.
Unsere Kunden sind ähnlich kapitalisiert wie wir. Sie schätzen, dass man mit uns vernünftig reden kann. Wir schicken Leute zum Kunden, die ihn schnell verstehen. Ausserdem sind auch die «Grossen» nicht immer stabil. Denken Sie an die Übernahme von DEC durch Compaq oder jetzt die HP/Compaq-Fusion. Weil wir an der Börse kotiert sind, sind wir transparent - das spricht für uns.»
Interessant ist Finkbeiners Analyse des Outsourcing-Marktes in der Schweiz: «Die multinationalen Outsourcer sind im Mittelstand meistens nicht sehr präsent. Sie haben eine überdimensionierte Leistungsstruktur. Ein Mittelständler lässt nicht drei Berater aus Hamburg einfliegen und bezahlt dann die Spesen. Dann gibt es mittelgrosse Outsourcer wie AC-Service und die ehemaligen IT-Abteilungen von Firmen. Diese sind oft nicht auf den freien Markt eingestellt. Sie haben beispielsweise keinen Verkaufsapparat.»

ERP-Outsourcing, HR und Consulting

AC-Service betreibt mit einer ganzen Reihe von Rechenzentren drei Geschäftsbereiche. Zentral ist das Geschäft mit komplettem oder (öfter) partiellem Outsourcing, meist rund um eine ERP-Lösung. Dabei steht oft SAP im Zentrum. In Deutschland vor allem, wo die Personalverwaltung aus rechtlichen Gründen oft extrem komplex ist, wird ein eigenes HR-Produkt angeboten. AC-Service erstellt über 300’000 Lohnabrechnungen pro Monat. Als dritten Geschäftsbereich wird ein Consulting-Arm mit Fokus auf SAP-Lösungen für Handel und Dienstleistungen aufgebaut.
Ob sich heute der Gang an den «Neuer Markt» in Frankfurt nicht als Nachteil herausstelle, wollten wir von Finkbeiner wissen. «Wir sind seit 40 Jahren am Markt. Wir wollten mit dem IPO nicht jene kopieren, die unbedingt schnell wachsen müssen. Der IPO war für uns angesichts der Situation eine vernünftige Lösung. Wir sind nun öffentlich kotiert und können unsere Unabhängigkeit so langfristig sichern», lautet die Antwort des Firmenchefs.
AC-Service ist heute gemäss Finkbeiner keineswegs auf schnelle Expansion aus («Das wäre zu riskant»). Die Wettinger wollen zwar wachsen – dies aber mit dem Markt und innerhalb von klar definierten Kernsegmenten.

Mischformen überwiegen

Versprach man einst den Kunden grosse Kosteneinsparungen, wenn er seine IT komplett einem Dienstleister übergibt, so setzen sich heute im KMU-Segment meist Mischformen durch. Kunden lagern den Betrieb und Unterhalt der ERP-Lösung oder auch nur Teile davon (beispielsweise die Personalverwaltung) zu einem Outsourcer aus. Für Kommunikation und Unterhalt der Netzwerke wird ein Spezialist, z.B. einer der grossen Carrier, eingespannt während ein weiterer (oder der gleiche) Outsourcer für Desktop-Services und Helpdesk verpflichtet wird.
Finkbeiner sagt: «Full-Outsourcing war ein Konzept der achtziger Jahre. Das Problem war, dass ein Full-Outsourcer in drei von vielleicht 10 Geschäftsfeldern nicht gut war. «One-stop-shopping» ist für den Mittelstand ein kritischer Punkt. Das Konzept wird wieder verschwinden.»

Geschichte und Analyse

AC-Service ist ursprünglich aus den IT-Abteilungen der AMAG-Gruppe und der Bank Aufina hervorgegangen und war einer der ersten IT-Dienstleister in der Schweiz. In den neunziger Jahren wurde die Gruppe an die holländische Firma Raet verkauft. Die erhofften Synergien liessen sich aber nicht finden und der Outsourcer wurde 93/94 vom Management übernommen und 1999 an die Börse gebracht.
Die jahrzehnte lange Erfahrung könnte die Firma von der tödlichen Euphorie nach dem IPO bewahrt haben. Finkbeiner kommentiert: «Die Risikokapitalisten haben während des E-Business-Hype sehr viel Geld in die Rechenzentren gepumpt. Die stehen jetzt leer. Wir kennen die Wellen im Geschäft und sind sicher nicht jene, die um jeden Preis expandieren wollen.»

Die Strategie

Bei AC-Service gruppiert man gemäss Finkbeiner Zusatz-Services rings um den zentralen Bereich des ERP-Outsourcings. Dazu gehören Dienste für Back-Up (AC-Service erfüllt die Vorschriften der Bankenkommission), Desktop-Services, zentrale Helpdesks, Software-Entwicklung, Kommunikation und beispielsweise auch die Entwicklung von Autorisierungs-Konzepten.
«Wir versuchen Schritt für Schritt von unten her an grössere Leads zu kommen», erklärt Finkbeiner. «Je grösser unsere Kunden sind, desto eher gewinnen wir andere grosse Kunden.»
Das Wachstum von AC-Service hat sozusagen «natürliche Grenzen», denn die Einführung eines neuen Kunden bringt jeweils eine Spitzenbelastung mit sich. «20% Wachstum pro Jahr wäre keine schlechte Zahl für uns», sagt Finkbeiner. (hc)

Die vier Faktoren, die für Outsourcer sprechen

«Der Markt für Outsourcing wächst», unterstreicht Finkbeiner. Bei allen Firmen mit mehr als 50 Arbeitsplätzen komme das Thema der kompletten oder öfters teilweisen Auslagerung der IT jetzt auf den Tisch. Finkbeiner sieht vier Faktoren, die ihm heute die Kunden in die Arme treiben.
1. Rasch wechselnde Businessmodelle durch Abspaltungen von Firmenteilen, Fusionen, Übernahmen. Als Beispiel nennt Finkbeiner Batigroup, ein Kunde von AC-Service. Der Neubau der Firmengruppe unter grossem Termindruck an vielen verschiedenen Standorten habe das Outsourcing der IT-Landschaft erzwungen.
2. Schnelle technologische Entwicklung der IT, inklusive der Applikationen, sowie der Zwang zur Entwicklung von anspruchsvollen Backup-Strategien.
3. Das Teilen von Ressourcen. Finkbeiner: «Reines Outsourcing der IT ist nicht à priori billiger für den Kunden. Aber er kann Ressourcen teilen.»
4. Weniger Abhängigkeit von personellen Resourcen und Management-Kapazität. «Die Systemingenieure beim Kunden sind meist gute Leute. Aber sie sind Risikofaktoren. Was macht der Kunde, wenn der IT-Verantwortliche ausfällt oder der CFO durch eine Umstrukturierung, Fusion oder Übernahme völlig ausgelastet ist?»


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