«IT Reseller»: Herr Wiebe, 20 Jahre Wortmann Schweiz. Was bedeutet dieser Meilenstein für Sie? Ein grosser Erfolg und ein Grund zum Feiern?
Sascha Wiebe: Das würde ich auf jeden Fall sagen. Es ist ein grosser Erfolg, dass wir uns 20 Jahre lang im Schweizer Markt behauptet haben, immer noch behaupten und weiter wachsen. Das haben wir im vergangenen September im KKL in Luzern dann auch gefeiert, zusammen mit vielen treuen Partnern. Aber auch mit neuen Partnern, die wir in den letzten Jahren gewinnen konnten.
Ein guter Zeitpunkt, den Werdegang von Wortmann in der Schweiz zu evaluieren: Sind Sie rückblickend zufrieden?Der Anfang war sicher schwierig. Wir sind von Deutschland in die Schweiz gekommen. Wir mussten Wege finden, um Fuss zu fassen und Ware in die Schweiz zu bringen, ohne den Partnern irgendwelche bürokratischen Hürden in den Weg zu legen. Dabei ging es unter anderem um Verzollung, Mehrwertsteuer und Rechnungsstellung. Aber wir haben diese Wege gefunden, auch Tipps beispielsweise von Logistikunternehmen bekommen, und so konnten wir das Geschäft ins Rollen bringen. Da haben Andy Beck und Andreas Bökemeyer wirklich Pionierarbeit geleistet und wir sind stetig gewachsen. Somit können wir heute durchaus stolz zurückblicken. Mit dem heutigen Wissen hätten wir vielleicht einige Dinge anders gemacht, um schneller zu wachsen. Aber alles in allem sind wir sehr zufrieden.
Was hätten Sie denn aus heutiger Sicht anders gemacht?Im Jahr 2017 hatten wir eine grosse Umstrukturierung des Teams vor Ort. Das war ein kleiner Schlag für das Geschäft in der Schweiz, und wenn es nicht so gekommen wäre, hätten wir den Schwerpunkt mehr auf den Vertrieb und auf den Weiterausbau legen können. Zwar haben wir auch nichts verloren, aber unsere Entwicklung hat sich so ein bisschen verzögert.
Und heute? Ist Wortmann etabliert im Schweizer Markt oder muss man das Unternehmen potenziellen Partnern noch vorstellen?Da wir nur im B2B-Geschäft und im Channel unterwegs sind, nicht in den Flächenmärkten, in der Werbung und im Endkunden-Bereich in Erscheinung treten, gibt es sicherlich immer noch Partner, die uns noch nicht kennen. Oft kennen sie zwar die Terra-PCs, aber vielleicht nicht den Umfang von dem, was wir leisten und wo wir uns als Unternehmen hin entwickelt haben. Und genau das ist es, worauf wir unseren strategischen Fokus legen.
Was genau zeichnet Wortmann heutzutage also aus? Über die Terra-Eigenmarke hinaus. Wir sind immer noch sehr stark in der Assemblierung verwurzelt, das ist ein wichtiges Standbein von uns. Aber rein in diesem Bereich unterwegs zu sein, damit hätte man zukünftig nicht die grössten Überlebenschancen im Markt. Dementsprechend haben wir uns weiterentwickelt, wir verstehen uns mittlerweile als IT-Dienstleister mit Value Add Services, mit MSP-Services und Cloud-Angeboten sowie Finanzierungslösungen. Es geht um ein Angebot, das wir unseren Partnern gepaart mit den Terra-Produkten an die Hand geben können, um sich im Wettbewerb abzuheben und Geld zu verdienen. Und in diese Richtung wollen wir uns auch weiterhin entwickeln.
IT-Dienstleister? Greift der Begriff Distributor also zu kurz?Wir sind alles zusammen, Distributor, Assemblierer, Cloud-Anbieter. Daher sehen wir uns mittlerweile als IT-Dienstleister, weil alles andere zu kurz greift.
Aber stets für den Channel und ohne direktes Geschäft zum Endkunden?Absolut, wir sind sehr Channel-treu, das schätzen die Partner auch an uns. Wir gehen nicht an den Endkunden, das könnten wir auch gar nicht. Selbst in der Cloud sind wir ausschliesslich Dienstleister und Plattform-Anbieter für die Partner, die Umsetzung beim Kunden übernehmen immer sie.
Welche Bereiche dieses breiten Angebotsspektrums kann Wortmann heute direkt aus der Schweiz abbilden – was kommt aus Deutschland?Also die ganze Hardware kommt tatsächlich aus Deutschland, das schicken wir alles aus unserem Lager am Hauptstandort Hüllhorst. Wir versenden von dort mit der Schweizer Post, die zuverlässig innerhalb von zwei Tagen alles in der Schweiz zustellt. Und wenn es mal schnell gehen muss, bieten wir auch einen UPS Express Service an, damit wir innerhalb von einem Tag liefern können. Es gibt nur wenige Regionen in der Schweiz, die wir nicht innerhalb von einem Tag beliefern könnten. Aber wer dort wohnt, der weiss auch, dass das logistisch schlicht nicht möglich ist. Darüber hinaus betreiben wir in der Schweiz ein eigenes Lager im Aargau, von dort aus können wir innerhalb von vier Stunden Ersatzteile für Server liefern. Und dann haben wir uns auch mit der Terra Cloud zum Standort Schweiz bekannt. Wir betreiben zwei Cloud-Standorte in Seuzach und Frauenfeld. Über diese bieten wir alle Cloud-Dienstleistungen, bis auf Housing und Hosting, direkt aus der Schweiz und ISO-zertifizierten Rechenzentren heraus an.
Das heisst, für Schweizer Partner entstehen keine Nachteile durch die Lieferung aus Deutschland?Nein, überhaupt nicht. Die Ware kommt für den Partner verzollt, in Schweizer Franken und mit Schweizer Mehrwertsteuer berechnet. Und wir bieten in der Regel sehr gute Distributionspreise, die marktgerecht und sehr interessant sind. Wir können dem Partner also viel mehr Vorteile an die Hand geben, auch durch unsere Value Add Services.
Wie kann man sich dieses Schweizer Partnernetzwerk heutzutage vorstellen? Handelt es sich primär um IT-Dienstleister aus dem KMU-Segment oder mittlerweile auch die Grossen?Als
Wortmann sind wir klassischerweise stark im KMU-Sektor etabliert, der Enterprise-Bereich ist keine Stärke von uns. Immerhin sind rund 80 Prozent der Schweizer Unternehmen aus dem KMU-Segment – und genau hier fühlen wir uns zu Hause, hier fühlen wir uns wohl. Das sind Partner von einem Mann bis 300 Mitarbeiter, mit denen wir üblicherweise Geschäfte machen. Europaweit arbeiten wir mit rund 16’000 Partnern, in der Schweiz derzeit mit 570 aktiven Partnern. Wir sind also sehr breit aufgestellt und das macht uns auch stark. Besonders, da wir sehr viel Wert auf persönliche Betreuung und Kommunikation legen. Das hat Wortmann schon immer ausgezeichnet, das leben wir und das schätzt der KMU-Markt.
Und für mehr regionale Nähe bauen Sie nun auch das Schweizer Vertriebsteam aus. Genau, das haben wir für Anfang des nächsten Jahres geplant. Auf unserem Jubiläum haben wir aber bereits Cornelia Elert als neue Kollegin im Aussendienst vorgestellt. Wir bekennen uns ganz klar zum Standort Schweiz, wollen hier weiter Geschäfte machen und treten daher nun mit einem Aussendienst vor Ort auf, den wir zumindest im klassischen Sinne lange Jahre nicht hatten. Zwar sind mein Team und ich, wenn möglich, immer vor Ort gewesen, aber Cornelia Elert ist aus dem schönen Hüllhorst direkt in die noch schönere Schweiz gezogen. Das wird sicherlich einen Effekt haben, das wird geschätzt und ich gehe davon aus, dass wir so auch nochmal an Bekanntheit und neue Partner gewinnen werden.
Die Zeit zum nächsten Wiedersehen mit Wortmann verkürzt sich also deutlich?Partner können uns auf jeden Fall viel schneller zu Gesicht bekommen. Ziel ist auch, verstärkt auf lokalen Veranstaltungen von Partnern präsent zu sein. Dafür haben wir jetzt eine ganz klare regionale Struktur. Natürlich trete ich persönlich nicht kürzer, aber das ist wirklich eine grossartige Ergänzung.
Das Geheimrezept von Wortmann? Zusammenarbeit auf Augenhöhe und ein stabiles, inhabergeführtes Familienunternehmen?Das würde ich so absolut unterstreichen. Jeder, der mal bei uns gewesen ist, weiss, dass wir ein sehr schlankes Unternehmen sind und dass unser Chef Siegbert
Wortmann viel Wert auf flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege legt. Manchmal staune ich selbst, wie gut das funktioniert. Es braucht nicht viele Unterschriften, Abklärungen, Sitzungen. Stattdessen heisst es: machen oder nicht machen? Und dann wird es auch schon gemacht. Hier sind wir viel schneller und flexibler als beispielsweise Mitbewerber mit Konzernstrukturen.
Würden Sie also jedem Partner empfehlen, sich mal den Hauptsitz in Hüllhorst anzuschauen?Ja, auf jeden Fall (lacht). Das ist natürlich nicht gleich um die Ecke, man fährt acht bis neun Stunden aus der Schweiz nach Hüllhorst. Aber jeder darf gerne vorbeikommen, wir sind immer präsent vor Ort und zeigen gerne unsere Arbeitsweise, unser Logistikzentrum oder auch das Rechenzentrum. Das ist doch sehr eindrücklich.
Und auf der anderen Seite ist es das angesprochene Spektrum von eigenen Hardware-Produkten bis hin zu Cloud-Diensten?
Genau, Partner können bei uns alles aus einer Hand beziehen. Und wenn man alle Angebote von uns nutzt, dann ist das auch wie ein schönes Schweizer Uhrwerk. Distribution, Terra-Produkte, Cloud und Services. Alles greift ineinander und es funktioniert. Ein Beispiel ist ein Backup-Notfallservice, den wir auf die Beine gestellt haben. Geht beispielsweise ein Server von uns beim Kunden kaputt, dann bauen wir per Express einen neuen, wir spielen das Backup auf, das bei uns im Rechenzentrum liegt, und der Kunde kann innerhalb von 48 bis 72 Stunden wieder arbeiten. Alternativ können wir das ganze in der Cloud auf virtuellen Maschinen wiederherstellen, wenn es schneller gehen muss. Und das ist genau dann möglich, wenn man alles aus einer Hand bezieht und alles bei uns läuft. Nur so können wir so schnell agieren. Natürlich kann man auch nur das Backup bei uns beziehen oder auch nur den Server bei uns kaufen. Aber dann sind wir notgedrungen nicht mehr ganz so flexibel und agil.
Gibt es in diesem Kosmos Produktbereiche oder auch Zielmärkte, die Sie Partnern derzeit besonders ans Herz legen möchten? In denen Sie gemeinsam wachsen möchten?Die Cloud ist ein absoluter Wachstumsmarkt, er legt in Deutschland nach wie vor um 30 Prozent zu, in der Schweiz zwischen 15 und 30 Prozent. Zwar ist der Schweizer Markt dem deutschen und auch dem europäischen mit Blick auf Ausstattung und Qualität voraus, aber beim Thema Cloud-Dienstleistungen noch etwas konservativer. Genau hier liegt aber das Potenzial. In Gesprächen können wir sagen: «Schaut euch unsere Plattform an, hier könnt ihr eure Infrastruktur in einem sicheren, ISO-zertifizierten Rahmen betreiben und müsst euch nicht mehr um die Hardware kümmern, sondern könnt euch auf MSP-Dienstleistungen konzentrieren.» Partner, die diesen Schritt gewagt haben, wachsen unserer Erfahrung nach rasant in der Cloud und sind froh, dass sie die Hardware-Betreuung aus der Hand gegeben haben.
Sind die Herkunft von Wortmann einerseits und die beiden Cloud-Standorte in der Schweiz andererseits ein gutes Argument im Wettbewerb? Gerade auch in Abgrenzung zu den Hyperscalern. Es ist immer auch Anliegen der Schweizer Partner, die Daten der Endkunden in der Schweiz zu halten. Vielleicht kommt man als Unternehmen manchmal nicht drumherum, die Angebote der Hyperscaler zu nutzen. Aber für das klassische KMU ist unsere Cloud die geeignete europäische Lösung mit hohem Datenschutz und ohne amerikanischen Cloud Act.
Zeichnet sich in der Partnerlandschaft also ein Shift in Richtung Cloud ab?Ja, dieser Shift passiert auf jeden Fall. Die Schweiz ist in diesem Prozess etwa drei bis fünf Jahre hinter Deutschland zurück. In Deutschland hatten wir genau dieses Umdenken vor einigen Jahren, dass sich viele Partner gefragt haben, ob sie nochmal neu investieren wollen oder in die Cloud wechseln – und sie haben sich vielfach für die Cloud entschieden. Und das sehen wir aktuell auch in der Schweiz.
Apropos Deutschland: Im Zuge der Insolvenz von Siewert & Kau hat Wortmann das CSP-Geschäft vom Mitbewerber übernommen. Siewert & Kau war aber auch in der Schweiz aktiv, gab es daher hierzulande ebenfalls Effekte?Tatsächlich hat es hauptsächlich den deutschen Markt betroffen, Siewert & Kau habe ich hierzulande ehrlich gesagt nie wirklich wahrgenommen. Aber durch die Änderungen der Microsoft-Bestimmungen für das CSP-Geschäft hat es wiederum einen deutlichen Push seitens der lokalen Distributoren gegeben. So mancher Mitbewerber konnte diese neuen Umsatzgrenzen nicht mehr erfüllen und wir sind natürlich gerne bereit, die betroffenen Partner aufzunehmen und ihnen Lizenzen bereitzustellen.
Sie sprechen von Alltron und der notwendigen Partnerschaft mit Pax8, um das CSP-Geschäft gemeinsam noch abbilden zu können. Genau, hier sind einige Partner zu uns gewechselt. Das ist natürlich ein bisschen Aufwand, aber auch ein Geschäft, das wir gerne mitnehmen.
Wortmann hat also kein Problem, die neuen Microsoft-Hürden zu erfüllen?Nein, wir sind im CSP-Markt einer der grössten Integratoren. Wir haben daher keinerlei Probleme, die Microsoft-Bedingungen zu erfüllen.
Wie entwickelt sich das Wortmann Schweiz-Geschäft eigentlich in Summe? Können Sie hier ein paar Zahlen nennen?Seitdem ich 2017 als Country Manager übernommen habe, sind wir im Terra-Bereich kontinuierlich gewachsen. Am Anfang noch etwas langsamer, die letzten drei bis vier Jahre dann zwischen 10 und 15 Prozent pro Jahr. Dieses Jahr wird dann nochmal eine positive Ausnahme mit dem End of Support von Windows 10. Hier rechnen wir mit mindestens 30 bis 50 Prozent Wachstum. Im Distributionsbereich wachsen wir mit den Partnern etwa im gleichen Rahmen, das Geschäft mit den Distributoren, die wir auch beliefern, schwankt hingegen etwas stärker. Da geht der Umsatz mal rauf, mal runter. Aber in Summe wachsen wir kontinuierlich und auch für dieses Jahr gehe ich davon aus, dass wir den bisher höchsten Umsatz erzielen werden.
Erfolgt dieses Wachstum stets über neue Partner oder können Sie auch die bestehenden Partnerschaften intensivieren?Beides. Intensiveren geht immer. Mit neuen Ideen, die wir haben und dann in den Markt bringen. Oder mit Produktbereichen, die bestehende Partner noch nicht entdeckt haben. Aber wir suchen nach wie vor neue Partner. Dafür haben wir unsere Vertriebsstruktur erweitert, neu aufgestellt, das Team vergrössert. So konnten wir bereits viele neue Partner gewinnen. Und wir stellen so auch immer wieder fest, dass wir noch viel Potenzial in der Schweiz haben.
Gibt es andererseits auch Herausforderungen, denen sich Wortmann gegenübersieht?Die Challenge ist grundsätzlich, bei der schnellen Entwicklung stets auf Augenhöhe zu bleiben und mit der Zeit zu gehen. Sonst geht man bekanntlich mit der Zeit. Aber alle Services und Produkte, die der Markt braucht, die braucht auch der KMU-Sektor. Aber hier sehe ich uns sehr gut aufgestellt, wir haben die richtigen Schritte eingeleitet. Auch wenn es immer eine Herausforderung ist, in einem immer schneller werdenden Markt zu reagieren. Mit Software, Programmierung und Assemblierung und allem, was dazugehört, sind wir aber auf einem guten Weg. Und genauso, wie wir uns entwickeln, muss sich auch das Systemhaus entwickeln. Das versuchen wir auf Veranstaltungen und in Kursen entsprechend zu vermitteln. Ein Beispiel war kürzlich ein Event zum Thema Copilot+ PCs und wie sich Copilot-Funktionen effektiv einsetzen lassen. Das wurde sehr dankbar angenommen. Uns geht es darum, präsent zu sein und die IT-Dienstleister an die Hand zu nehmen, um den Fachhandel zu stärken, gemeinsam den KMU-Bereich zu bedienen und das Geschäft zu entwickeln. Damit sind wir erfolgreich.
Also auf die nächsten 20 Jahre Wortmann Schweiz?Absolut, auf die nächsten 20 Jahre, das ist das Ziel (lacht). Ich habe ja noch ein paar Jahre im Job, mache das sehr gerne und freue mich, wenn ich diesen Weg mitgestalten kann.
(sta)