Gebrauchtlizenzen: Vielversprechend, aber endlich
Quelle: MRM Distribution

Gebrauchtlizenzen: Vielversprechend, aber endlich

Das Geschäft mit gebrauchten Softwarelizenzen ist für Channel und Endkunden attraktiv – und hat längst sein zwiespältiges Image abgelegt. Doch das Business hat ein Ablaufdatum. Daher denkt Distributor MRM bereits in die Zukunft.

Artikel erschienen in IT Reseller 2025/05

   

Von gebrauchten Lizenzen möchte sie eigentlich gar nicht mehr sprechen, wie Melanie Achten, Geschäftsführerin des deutschen Spezialdistributors MRM, im Interview erklärt. Der Begriff «wiederverwendbare Lizenzen» passe ohnehin viel besser – und zudem ist er nicht vorbelastet beziehungsweise negativ geprägt. Immerhin klingt Gebrauchtsoftware nicht nur ein bisschen nach Wühltisch, sondern verweist auch auf die teils zwiespältige Vergangenheit des Lizenzhandels im Channel. An der die Hersteller nicht ganz unschuldig sind, wie Melanie Achten unterstreicht. Sie hätten sich lange gegen den Weiterverkauf gestellt und entsprechenden Anbietern allerhand Steine in den Weg gelegt. Hinzu kommen aber auch schwarze Schafe im Channel, die Lizenzen teils über dubiose Quellen und undurchsichtige Lieferketten bezogen haben.

Zumindest an der rechtlichen Grundlage gibt es heutzutage aber keine Zweifel mehr. Gerichtliche Urteile sowohl in der Schweiz als auch auf europäischer Ebene haben die entsprechende Rechtssicherheit bereits vor Jahren zementiert. Und Anbieter wie MRM tun viel dafür, das Vertrauen der Unternehmenskunden zu gewinnen und etwaige Zweifel auszuräumen. Der Distributor aus der Nähe von München, der auch in der Schweiz aktiv ist, wirbt mit «maximaler Transparenz» und «sorgfältig geprüften Partnerunternehmen». Aber natürlich auch mit finanziellen Anreizen. Je nach Aktualität der gewünschten Lizenz lassen sich mit Gebrauchtsoftware zwischen 50 und 70 Prozent des Neupreises einsparen. Umso älter die Software, umso höher das Sparpotenzial.


Und so unliebsam es ist: Mit dem Wiederverkauf müssen sich dann auch Hersteller wie Microsoft, ­Adobe und Co. abfinden. «Sicher, begeistert ist man bei Microsoft nach wie vor nicht», berichtet Achten gegenüber «IT Reseller». «Aber es wird natürlich lieber gesehen, als wenn die Kunden Produkte eines Wettbewerbers wählen.» Hinzu komme, dass Gebrauchtlizenzen ein erster Schritt in das Ökosystem eines Herstellers sein könnten. Und dann ist auch der Weg von einer On-Premises-Installation in die Cloud deutlich kürzer. Aber ohnehin: «Bei MRM arbeiten wir mit klar nachverfolgbaren Lizenz- und Rechteketten. Jeder An- und Verkauf wird sauber dokumentiert und lässt sich detailliert nachweisen», erklärt die Geschäftsführerin. «Damit hat Microsoft keinen Grund zur Beanstandung» – und die Kunden seien auditsicher lizenziert.

Preisvorteil im Wettbewerb

Für IT-Dienstleister lohnen sich wiederverwendbare Lizenzen schon allein aufgrund des Preisvorteils. Denn die Softwareaufwendungen sind in Projekten meist ein gewaltiger Kostenblock. Der Wiederverkauf könne hier das Quäntchen an der Waage sein, um sich gegen den Wettbewerb durchzusetzen, unterstreicht Melanie Achten, die vor ihrem Wechsel zu MRM über viele Jahre lang bei Bechtle beschäftigt war. Dass der Preis oftmals das letzte Argument im Für und Wider des Kunden ist, weiss sie also aus eigener Erfahrung.


Wie Partner dabei mit MRM zusammenarbeiten, ist flexibel. Der Distributor bietet zwei grundlegende Modelle an: einerseits ein klassisches Margenkonzept mit der entsprechenden Kalkulation in Richtung Endkunde, andererseits ein Provisionsmodell. Bei Letzterem erhalten Dienstleister eine Vermittlungsprovision zwischen 8 und 15 Prozent auf den Lizenzumsatz, die weitere Kommunikation und Abwicklung mit dem Kunden übernimmt wiederum MRM. «Das ist für viele besonders attraktiv. Immerhin nehmen wir ihnen eine Menge Arbeit ab», so Achten. Darüber hinaus gebe es aber auch individuelle Ansätze, beispielsweise für grössere Projekte, bei denen die Software ein Baustein von vielen ist.

Anspruchsvoller Markt

Allerdings: Ein Selbstläufer ist der Lizenz-Wiederverkauf nicht. Zum einen ist der Preiskampf im Markt enorm, vor allem aufgrund der zuletzt hohen Zahl an konkurrierenden Anbietern. Zum anderen haben aktuell viele Unternehmen ihre Budgets mit Blick auf die gesamtwirtschaftlich turbulente Situation eingefroren oder reduziert, wie Achten berichtet. Das bekommen dann auch MRM und Partner zu spüren. Hinzu kommt – vor allem für den Distributor –, dass der Wiederverkauf von Software stets von der Verfügbarkeit der entsprechenden Lizenzen im Markt abhängig ist. Besonders die Nachfrage nach aktuellen beziehungsweise jüngeren Produkten (beispielsweise Office 2024) sei derzeit sehr hoch, so die MRM-Geschäftsführerin. Entsprechend schwierig gestalte sich die Beschaffung. Daher sei der Spezialdistributor auch für jeden Partner offen, der Lizenzen nicht nur den Kunden anbietet, sondern gebrauchte Software auch umgekehrt an MRM verkauft. Eine (unverbindliche) Beispielrechnung auf Basis des MRM-Kalkulators: 1000 Lizenzen von Office Standard 2019 bringen noch 10‘000 Euro beziehungsweise umgerechnet rund 9‘300 Franken.


Ein sicheres Standbein für die nächsten 30 Jahre ist das Geschäft mit On-Prem-Lizenzen allerdings nicht. Der Wiederverkauf ist endlich, denn nahezu alle grossen Softwareanbieter drängen in die Cloud. Das sorgt nicht nur für knappe Ware, sondern auch für eine sinkende Zahl potenzieller Kunden. Zwar gibt es nach wie vor mehr als genügend Nachfrage nach lokalen Installationen, wie Achten bekräftigt, deren Anteil wird über die kommenden Jahre aber fraglos sinken. Vor diesem Hintergrund will sich MRM für die Zukunft rüsten und das eigene Geschäft auf weitere Säulen stellen. So ist MRM mittlerweile CSP-Partner (Cloud Solution Provider) von Microsoft, kann also auch Neulizenzen verkaufen. Hier führt der Weg zum Endkunden allerdings nicht immer über die Partner. Das sei schlicht nicht wettbewerbsfähig. «Aufgrund unserer Microsoft-Expertise übernehmen wir gern die Beratung. Da sind wir einfach erfahrener und tiefer im Thema als so mancher Partner.» Dennoch: MRM ist und bleibt ein Distributor, verspricht die Managerin.

«Es gab viel zu tun»

Neben den Neulizenzen stösst MRM zudem in den Bereich VMware vor, holt sich Security-Hersteller ins Portfolio und setzt sich auch mit dem Thema KI auseinander. Der Spezialdistributor hat also viel vor. «Es geht darum, MRM auf die nächste Evolutionsstufe zu heben», so Achten. Das sei ihr Auftrag gewesen, als sie Mitte 2024 von Bechtle zum MRM gewechselt ist. Sie sollte frischen Wind in das Unternehmen bringen und externe wie interne Strukturen für die Zukunft rüsten. «Zu meinem Start gab es viel zu tun. Es gab viele Herausforderungen, die angepackt werden mussten», blickt die Managerin auf die vergangenen Monate zurück. Doch mittlerweile sei viel geschafft, die Arbeit aber noch lange nicht abgeschlossen. «MRM soll wachsen. Dafür müssen wir intern vorbereitet sein.»


Wachsen will MRM auch in der Schweiz. Derzeit arbeitet der Distributor hierzulande laut eigenen Angaben mit über 100 IT-Dienstleistern zusammen, die ihren Kunden «wiederverwendbare Lizenzen» verkaufen. Einen eigenen Standort gibt es aktuell zwarnoch nicht. Aber: «Die Flamme ist entfacht», so die MRM-Geschäftsführerin. «Und die Zeichen stehen klar auf Wachstum». (sta)


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