'Die Partner kommen von einem Push- in einen Pull-Markt'
Quelle: Swisscom

"Die Partner kommen von einem Push- in einen Pull-Markt"

Unter der Leitung von Beat Bühlmann stehen für die Swisscom-KMU-Partner per Anfang 2020 grössere Veränderungen an. Es gibt ein neues Partnerprogramm und eine regionale Neuorganisation

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2019/12

     

Beat Bühlmann leitet bei Swisscom seit August dieses Jahr als Leiter SME Distribution den gesamten KMU-Vertrieb und die Sales-Organisation inklusive dem Partnermanagement. In dieser Funktion hat er es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, nicht nur KMU, sondern auch Partnern aufzuzeigen, dass Digitalisierung mehr ist als das digitale Abbilden von bislang analogen Prozessen. Digitalisierung soll Prozesse vereinfachen, automatisieren und dabei auch neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. "Längst nicht jeder hat das Thema Digitalisierung verstanden", sagt Bühlmann. Aber ein KMU, das die Digitalisierung für sich zu nutzen verstehe, könne sich ungeahnte Wettbewerbsvorteile verschaffen. "Digitalisierung ist nicht nur einfach eine Kostenstelle, sondern eine Quelle der Möglichkeiten." Beim Erkennen und Nutzen dieser Möglichkeiten könne Swisscom zusammen mit den Partnern helfen. Doch dafür müssten der Sales und die Partner in den IT-Themen fit sein, so Bühlmann im Interview.


"Swiss IT Reseller": Vor vier Jahren hatte Markus Heiniger in seiner Funktion als Leiter Partner Management die Partnerlandschaft wie folgt beschrieben: Swisscom zähle 3500 Partner, wovon 3000 aktiv und rund 700 im ICT-Lösungsumfeld tätig seien, während sich der Rest vor allem im Elektro- und Telematik-Umfeld bewege. Wie sieht diese Landschaft heute aus?
Beat Bühlmann: Noch weitgehend ähnlich wie damals. Die Gesamtzahl der Partner ist in etwa identisch, wobei wir natürlich einige Partner mehr im ICT-Umfeld zählen. Die Verschiebungen sind aber nicht gewaltig.
Der Anteil der ICT-Lösungspartner konnte also nicht signifikant gesteigert werden die letzten vier Jahre?
Sie müssen sehen, dass das Gros der Partner die letzten Jahre intensiv mit dem Thema IP-Migration beschäftigt war. Die letzten Projekte rund um dieses Thema werden erst jetzt abgeschlossen. Entsprechend gab es mehr als genug Arbeit, die Partner waren lange ausgelastet und haben oft erst jetzt den Schnauf, sich mit ihrer Zukunftsperspektive zu beschäftigen. Wir bieten ihnen unsere Hand an, auf die Reise in die Digitalisierung mitzu­kommen.


Und die Partner haben nicht antizipiert, dass ihnen die Arbeit nach der abgeschlossenen IP-Umstellung ausgehen könnte?
Natürlich gibt es Partner, die bereits vor einiger Zeit damit begonnen haben, sich vom Telematik- zum ICT-­Lösungsanbieter zu wandeln – etwa dadurch, dass die Mitarbeiter geschult wurden. Auf der anderen Seite gibt es auch Partner, die nach wie vor kein Interesse an der IT-Thematik haben. Oft haben sie dafür auch gute Gründe, etwa weil sie kurz vor der Pension stehen oder weil sie schlicht noch genug Arbeit aus ihrem angestammten Gebiet haben.
Aber spüren Sie nach dem Abschluss der IP-Migration ein erhöhtes Bedürfnis seitens Ihrer Partner, sich entwickeln zu wollen?
Ja, auf jeden Fall: Die Zahl der Partner, die mit der Bitte zu uns stossen, sie beim Verkauf von IT zu unterstützen, hat deutlich zugenommen. Und die Partner sehen sich auch einer neuen Konkurrenzsituation gegenüber. In der Telefonie waren sie regional oft der einzige Anbieter. In der IT aber gibt es auch regional meist zahlreiche Anbieter, die dazu noch etabliert sind. Die Partner kommen also von einem Push- in einen Pull-Markt, müssen plötzlich um Kunden kämpfen, sie verstehen und sich um sie kümmern. Für nicht wenige ist das eine neue Situation. Das Lösungsgeschäft stellt sie vor neue Herausforderungen und ist ausserdem deutlich langwieriger. Da dauert es gut und gerne mal ein halbes Jahr, bis aus einem Projekt Umsatz wird. Auch das ist für viele klassische Telekom-Partner Neuland. Wir versuchen, mit Schulungen und Trainings zu helfen.


Wenn Sie diesen Partnern aber zuerst noch erklären müssen, wie das Lösungsgeschäft funktioniert, und ihnen zeigen müssen, wie man IT verkauft, und ich gleichzeitig an die unzähligen etablierten IT-Dienstleister denke, dann fürchte ich, bleiben viele Ihrer klassischen Telekom-Partner auf der Strecke.
Schauen Sie: Bei jeder Veränderung eines Geschäftsmodells gibt es Unternehmen, die diese Veränderung mitgehen können und Unternehmen, die auf der Strecke bleiben. Gemeinsam mit unseren bestehenden Partnern arbeiten wir bereits daran, die IT-Kompetenzen auszubauen, sofern sie das wollen. Gleichzeitig sind wir aber auch offen für neue Reseller und Systemintegratoren, die bereits im ICT-Geschäft tätig sind, bislang aber noch nicht mit Swisscom zusammengearbeitet haben. Solchen Partnern müssen wir dann das Telekom­geschäft ­näherbringen.
Brauchen Sie auch in der digitalisierten Welt, in der Sie sich nun bewegen, 3500 Partner?
Es wäre natürlich wünschenswert, diese Zahl zu halten, um überall in der Schweiz nah beim KMU zu sein. Allerdings fürchte ich schon, dass sich die Zahl der Partner etwas reduzieren wird, allein schon deshalb, weil es sich bei unseren Telekom-Partnern oft auch um ganz kleine Unternehmen bestehend aus ein, zwei Personen handelt. Mit so wenig Manpower IT-Projekte abzuwickeln und Service Level Agreements (SLAs) zu garantieren, ist schwierig. Wir rechnen also damit, dass gewisse Partner auch in Zukunft auf den angestammten Telematik-Bereich fokussieren. Auch das ist möglich, auch wenn dieses Geschäft in der Tendenz rückläufig ist.


Wie steht es um die Bereitschaft der Swisscom-­Partner aus dem ­Elektro- und Telematik-Bereich, sich zum ICT-Lösungsanbieter zu wandeln?
Man kann hierbei wirklich von zwei Lagern sprechen. Das eine Lager möchte so weiterfahren wie bisher und glaubt daran, dass es auch künftig genug Arbeit geben wird. Das andere Lager ist bereit, sich mit voller Energie in das Thema ICT einzuarbeiten, und freut sich, gemeinsam mit uns diesen Weg in Angriff zu nehmen.
In welcher Form kann Swisscom diesem zweiten Lager Unterstützung bieten?
Wir bieten umfassende Partnerschulungen, online, bei uns, oder beim Partner vor Ort. Dabei vermitteln wir Grund­lagenwissen für die Partner, die bislang kaum mit IT in Berührung kamen, gehen aber auch in die Tiefe. Im Wesentlichen geht es darum, Mitsprachekompetenz aufzubauen. Ein Partner muss kein Java programmieren können, um seine Kunden zu beraten. Aber er muss verstehen, was eine Bedrohung ist, was Ransomware bedeutet, warum ein Backup in einem anderen Netzwerk liegen muss und so weiter. Wenn es dann darum geht, Lösungen für den Kunden zu entwickeln, bietet Swisscom Solution Designer, die das übernehmen.

Wir haben darüber gesprochen: Die Konkurrenz im ICT-Umfeld ist gross. Gibt es denn einen Vorteil, den die bestehenden Swisscom-Partner aus dem Telematik-Umfeld mitbringen?
Einerseits die Nähe zum Kunden, andererseits die Nähe zu uns – man kennt sich. Zudem kann Swisscom die gesamte Lösungspalette, die ein KMU rund um IT und Kommunikation braucht, aus einer Hand anbieten – inklusive First Level Support. Das ist wichtig für die Partner, denn für sie ist es oft schwierig, First Level Support kostendeckend zu erbringen. In unserem Modell wird der Partner erst dann aufgeboten, wenn ein Problem vor Ort gelöst werden muss. Dann ist seine Arbeit aber auch bezahlt.
Wenn Sie sagen, dass Swisscom alles aus einer Hand anbietet, die Lösungen für den Partner entwickelt und den First Level Support leistet, dann reduziert sich die Rolle der Partner aber darauf, als Field Support Team und als Türöffner beim Endkunden zu agieren?
Es gibt zwei Sales-Ansätze: Wenn ein Endkunde eine Swisscom-Lösung möchte und uns direkt kontaktiert, dann holen wir einen Partner an Bord, um den Endkunden gemeinsam zu betreuen. Der Lead wird immer weitergegeben, wir betreuen keine KMU-Kunden direkt. Geht der Endkunde aber auf den Partner seines Vertrauens zu, ist es selbstverständlich dem Partner überlassen, dem Kunden eine Lösung zu empfehlen. Das kann Swisscom sein, muss aber nicht. Doch es gibt Kunden, die wollen alles aus einer Hand von Swisscom. Und es gibt Partner, die den Support, den sie von Swisscom erhalten, schätzen, und die ihren Kunden dann Swisscom ans Herz legen. Unser Ziel ist es, dass unsere Lösung für den Endkunden und den Partner gleichermassen interessant ist.
Per 1. Januar 2020 stehen diverse Veränderungen bezüglich dem KMU-­Partnergeschäft an. Was können Sie dazu erzählen?
Zum einen wird unser Partnerprogramm neu aufgelegt. Das neue Partnerprogramm legt mehr Wert darauf, den Endkunden zufrieden zu stellen, anstatt nur den schnellen Abschluss zu belohnen. Der Partner soll auch nach dem Abschluss ein Interesse daran haben, sich intensiv um den Endkunden zu kümmern und zusätzliche Einnahmen durch Wachstum bei den Bestandeskunden zu generieren. Hierzu bieten wir zusätzliche Incentives. Zum anderen steht eine Reorganisation an. Unsere Verkaufsorganisation im KMU-­Segment wird in zehn Regionen aufgeteilt. In diesen gibt es neu jeweils einen Gebietsleiter, der quasi als Mini-­CEO innerhalb der Region agiert und über eigene Innen- und Aussendienstmitarbeiter, Partnerbetreuer oder Solution Designer verfügt. Sämtliche Ressourcen sind ihm unterstellt, wenn ein Kunde respektive Partner in seinem Gebiet eine Lösung braucht, hat er die Möglichkeit, ihm diese Lösung zu bieten, ohne dass er auf Ressourcen innerhalb des Konzerns angewiesen ist, die er anfragen müsste – es gibt keine Silos mehr und kein Abschieben der Verantwortung. So versprechen wir uns deutlich mehr Geschwindigkeit und mehr Nähe zum Partner und zum Endkunden. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass neben dem Angebot und der Qualität die Geschwindigkeit für den Erfolg in unserem Geschäft elementar ist.
Wenn Sie sagen, die Zufriedenheit des Endkunden solle belohnt werden: Wie messen Sie diese Zufriedenheit?
Dazu gibt es nebst der Kunden- und Partnerzufriedenheit verschiedene KPIs. Berücksichtigt wird beispielsweise die Anzahl der Besuche des Partners beim Endkunden, aber auch die Zahl der Trainings, die ein Partner absolviert, um sein Wissen aktuell zu ­halten.

Gibt es auch Neuerungen bezüglich Partnerstruktur?
Die verschiedenen Partnerstufen bleiben unverändert, allerdings werden die Bedingungen respektive Kriterien für die einzelnen Stufen etwas angepasst.


Können Sie hierzu etwas mehr er­zählen?
In einem sich schnell wandelnden Markt, wie im ICT-Umfeld, sind Prozess- und Produktwissen Key. Deshalb führen wir Rezertifizierungen und Refresh-Schulungen ein, die neu auch für den Erhalt des jeweiligen Partnerstatus (Silver, Gold, Platin) relevant sind. Ausserdem legen wir den Fokus verstärkt auf die Kundenbindung und -weiterentwicklung, weshalb neu auch das Jahreswachstum beim Partner entscheidend ist.
Nicht nur Ihre Partner haben Mitbewerber, auch Swisscom hat Konkurrenz. Insbesondere Sunrise hat zuletzt den Fokus auf Business-Kunden verstärkt. Spüren Sie das?
Natürlich spürt man, wenn ein Mitbewerber seinen Fokus verschiebt. Bewegung im Markt ist aber nicht per se etwas Schlechtes – im Gegenteil: Konkurrenz ist ein Ansporn, selbst mehr zu machen und besser zu werden. Unsere Vorteile sind das abgerundete Portfolio und vor allem die breite Abdeckung durch unser umfassendes, bestehendes Partnernetzwerk. Wir haben die Leute, wir haben die Kontakte, jetzt müssen wir dafür sorgen, dass noch mehr Telekom-Partner die Chancen im ICT-Geschäft erkennen.

Also liegt Ihr Fokus darauf, bestehende Partner zu entwickeln, und nicht unbedingt darauf, neue Partner zu gewinnen.
Ich hatte zu Beginn meiner Tätigkeit auch die Tendenz, die Dinge so schwarz und weiss zu sehen, doch das funktioniert nicht. Die Entwicklung der Partner ist beispielsweise regional stark unterschiedlich. Es gibt Regionen, in denen die Partner schon sehr weit sind, während wir in anderen Regionen noch kaum ICT-Partner entwickeln konnten. Dann gibt es Regionen mit primär grösseren Partnern und solche mit vielen kleinen Partnern. Was ich damit sagen will: Es gibt keine einheitliche Partnerlandschaft in der Schweiz. Darum die Regionalisierung, die wir auf Anfang 2020 einführen und die dieser Tatsache Rechnung trägt.

Zur Person

Beat Bühlmann ist seit August 2019 als Leiter SME Distribution bei Swisscom tätig. Er kann ­einen beeindruckenden Erfahrungs-Rucksack vorweisen. Um den Jahrtausendwechsel war er für Hewlett Packard als Account Manager tätig, dann lange Jahre für Dell Schweiz als Enterprise Business und Sales Manager. Danach folgten knapp sechs Jahre bei Google, zuerst in Zürich, dann als Industry Leader Healthcare in London. Von 2016 bis 2019 war er schliesslich General Manager Evernote EMEA. Bühlmann sitzt nebst seiner Swisscom-­Tätigkeit in verschiedenen Verwaltungsräten, etwa dem von Rivella oder bei der Pax Versicherung. (mw)


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