Feilschen um das Nextra-Erbe

Telenor will die Operationen in der Schweiz und Deutschland aufgeben. Nun wird um Kunden und Mitarbeitende von Nextra Schweiz gefeilscht. Nicht davon betroffen ist Aspectra.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/20

     

«Die Entscheidung von Telenor ist brutal. Wir haben viel Herzblut in den Aufbau von Nextra gesteckt und Mitarbeitende und Kunden sind immer noch sehr motiviert.» So beschreibt der Leiter von Nextra Schweiz, Denis Gheysen (Bild), die Stimmungslage angesichts des Entscheids des norwegischen Konzerns, Nextra in der Schweiz und in Deutschland aufzugeben. Gheysen: «Telenor ist unter Druck der Börse. Da ist es naheliegend, Operationen, die nicht zum Kerngeschäft gehören, aufzugeben. In Skandinavien, wo Telenor die Nr. 1 oder 2 - Position hat, werden sie das sicher nicht tun.»
Nun ist offensichtlich das grosse Pokern um Nextra Schweiz im Gange. Erste Versuche Nextra Schweiz mit einem MBO im Geschäft zu halten, sind gescheitert. Gheysen. «Es war schwierig, Kapital zu finden.» Telenor-Sprecher Arne Cartridge bestätigt das Pokerspiel: «Die Belegschaft von Nextra wurde soweit reduziert, dass man die bestehende Kundschaft bedienen kann. Aber es gibt keine Marketing- oder Verkaufsmannschaft mehr. Wir können diesen Zustand noch für eine längere Zeit aufrecht erhalten. Die Verkaufsverhandlungen können sich also um Wochen oder auch Monate hinziehen.»
Als mögliche Interessenten werden Firmen wie Commcare oder T-Systems herumgeboten. Peter Schöpfer, CEO von T-Systems Schweiz, sybillinisch: «Es wird viel geschrieben, wer mit wem verhandeln soll. Es sind noch ganz andere Firmen, die nicht erwähnt worden sind, in der Schweiz auf Partnersuche.»
Interessant an Nextra dürfte nicht nur der Kundenstamm sein, sondern auch die Belegschaft, die in der Schweiz bekanntermassen zu den erfahrensten und besten überhaupt gehört. Gemäss Gheysen wurden zwar viele Nextra-Leute in den letzten Wochen entlassen, aber «diese Leute wären für ein neues Projekt immer noch da.»

«Swisscom betreibt Dumping!»

Während um das Nextra-Erbe gepokert wird, lachen sich die Swisscom-Leute ins Fäustchen. Gheysen erhebt massive Vorwürfe. Nicht nur war Nextra aufgrund der Monopolsituation auf der letzten Meile und bei Standleitungen gezwungen, von jedem verdienten Franken einen grossen Teil an Swisscom abzugeben. Swisscom habe auch systematisches Dumping bei den Dienstleistungspreisen betrieben. Gheysen: «Swisscom hat IP-VPN-Dienste bis zu 50% unter unseren Einstandspreisen angeboten. Das ist klares Dumping. Ich habe die Preislisten von Swisscom der Weko (Wettbewerbskommission) zukommen lassen und auch mit dem Weko-Präsidenten gesprochen. Doch dort hat man nichts unternommen. Es ist ein Beamtenladen!»
Gheysen bestreitet energisch Vorwürfe, die in der Handelszeitung kolportiert wurden, Nextra habe die Verkaufsorganisation vernachlässigt. «Wir waren letztes Jahr 20% über dem Budget.» Auch Peter Schöpfer von T-Systems beklagt den fehlenden politischen Druck auf Swisscom. «Ich verstehe die Swisscom, die machen das ganz geschickt. Der Druck zur Freigabe des Local Loop müsste vom Gesetzgeber und von der Comcom kommen.»

Aspectra nicht betroffen


«Aspectra ist weiterhin die Speerspitze des Telenor-Konzerns in der Schweiz. Wir haben die volle Unterstützung», sagt Aspectra-Chef Roelof Koopmans. Aspectra ist nicht etwa eine Tochter von Nextra Schweiz, sondern gehört zu Telenor Business Solutions, so Koopmans. Aspectra scheint zwar als Spezialist für «Application Hosting» unter dem Ende der E-Business-Euphorie zu leiden, doch ist Koopmans immer noch optimistisch. «Wir mussten unseren Business-Plan Mitte Jahr anpassen. Ich bin aber weiterhin optimistisch. Wir haben eine gute Position im Schweizer Markt und gerade wieder zwei grosse Deals gewonnen.» (hc)


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