URLs als Werbegag

Jeder kennt die Berge an Mailings, die unbeachtet auf dem Schreibtisch dümpeln. Nur – wie fällt man in diesem uferlosen Einheitsbrei auf? Mailing muss nicht unbedingt bedeuten, einen getackerten Stapel Papier zu versenden.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/19

     

«www.hansmuster.ch – nur Mut, eintippen und einfach überraschen lassen.» Diesen Satz, jeweils mit dem eigenen Namen als Internet-Adresse fanden dreissig Redaktoren auf ihrer Einladungskarte zu einer gemeinsamen Veranstaltung von Canon, HP, IBM, Microsoft, Ozalid und Sunrise.
Redaktoren, von Berufswegen neugierige Menschen, sollten so wohl an der ihrer schwachen Stelle gepackt werden. Wer «seine» URL eintippte, kam direkt auf «seine» Homepage. Dort erwartete ihn eine Einladung zur Presseveranstaltung. Mit wenigen Klicks konnte das Veranstaltungsprogramm eingesehen und ein Anmeldeformular ausgefüllt werden.
Entwickelt wurde die Idee von der Werbeagentur Irniger, Zürich zusammen mit Canon. Der Geschäftsleiter der Agentur, Thomas Irniger, findet das Internet ein eher schlechtes Werbemittel, da es dort schwierig sei, Zielgruppen aktiv zu bearbeiten: «Mit der Einladung wollten wir schnell in die Köpfe der Leute. Mit einer Telefonnummer schafft man das nicht – die kann sich kein Mensch merken.» Er versteht gar nicht, dass nicht mehr Leute mit URLs spielen, die auffallen: «Der verrückteste Satz kann als URL verwendet werden, Hauptsache er prägt sich ein.»

Hohe Zusagequote

Erika Mickasch von Canon zeigt sich begeistert: «Die Idee kam sehr gut an. Bei 30 Einladungen erhielten wir 22 Zusagen. Und praktisch war es auch: Die Zusagen wurden gleich in einer Liste ausgegeben und der Journalist erhielt ein automatisiertes Bestätigungs-E-Mail.» Sie scheint zufrieden mit der Anmeldequote: «Die Leute haben sehr schnell geantwortet. Gleich am nächsten Tag hat’s bei mir 'klick' gemacht.
Das mag zum Teil an der ungewöhnlichen Einladung liegen, zum Teil sicher auch daran, dass sich so viele grosse Unternehmen zusammengeschlossen haben.» Die Angeschriebenen hätten sich über die witzige Idee gefreut. Thomas Irniger führt den Erfolg auch auf die schlichte Tatsache zurück, dass «sich der Mensch vor allem für andere Menschen und ganz besonders für sich selbst interessiert. Kaum jemand kann widerstehen, seine 'eigene' URL einzugeben.»

URL-Aktion billiger als Mailing

Jede Domain enthielt drei Seiten mit Begrüssung, Anmeldeformular und Anmeldebestätigung. Wer absagte wurde direkt auf eine Seite mit «bitte senden Sie mir eine Pressemappe zu» geleitet. Die Kosten überstiegen nach Angaben von Canon kaum die für eine übliche Einladung: «Wir mussten für Einrichtung, Erstellen von drei Seiten und die Domaingebühren bezahlen.
Das alles kostet zwischen 2000 und 3000 Franken, je nachdem wie viele am Ende ihre Domain behalten wollen.» Irniger ergänzt: «Der grösste Fehler beim Marketing ist, dass sich die Leute ihre Zielgruppe nicht quantitativ vor Augen führen. Bei einer solch klar begrenzten Zielgruppe wie hier wäre ein Mailing teurer und wesentlich uneffektiver als die URL-Aktion. Bei 10'000 Leuten hätte man sich sicher etwas anderes ausdenken müssen.»
Um die Eingeladenen milde zu stimmen, deren Namen man sich ja immerhin unter den Nagel gerissen hat, wird ihnen die Domain für ein Jahr geschenkt, sofern sie das wünschen. Die anderen würden wieder gelöscht, um sich keinen Ärger einzuhandeln. Den Kommentar «mein Name ist mein Eigentum» hätte es zwar gegeben, so Mickasch, der durchgehende Tenor sei jedoch «witzige Idee» oder auch «wirklich sehr speziell» gewesen. Und – ungewöhnlich für eine Mailingaktion – alle angeschriebenen hätten auf die Einladung reagiert. (ava)


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