Noch ein Komponentendisti – braucht es das?

Komponenten-Distributoren scheint es in diesem Land genug zu geben. Dies finden auf jeden Fall die bereits etablierten Distis. Trotzdem wagen sich René Hedinger (Bild links) und Jürg Schweizer (Bild rechts) von Kanyon in dieses Business vor. Warum nur?

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/17

     

Kanyon ist eine kleine Firma mit 12 Mitarbeitenden. Das Hauptgeschäft ist Assemblierung. Unlängst fiel die Firma auf, weil sie verkündete, in Zukunft vermehrt Komponentendistribution zu betreiben. IT Reseller hat bei den beiden Besitzern und Geschäftsführern von Kanyon, René Hedinger und Jürg Schweizer, nachgefragt.
IT Reseller: Komponenten-Distributoren gibt es in der Schweiz einige, der Markt ist hart umkämpft. Wie grenzt Kanyon sich von der Konkurrenz ab?
Jürg Schweizer: Die Qualität ist entscheidend. Unsere Dienstleistungen sind qualitativ gut – warum sollen nicht auch Händler bei uns beschaffen und davon profitieren?
René Hedinger: Wir sind kein reiner Komponenten-Distributor, sondern wir definieren uns als Provider für den Kunden. Wir sind stark mit HP- und Philips-Peripherie und haben Leute, die zum Teil seit 15 Jahren im Geschäft sind.

ITR: Welche Art Händler peilt Ihre Firma an?

RH: Wir haben Kunden, die auf Lösungen spezialisiert sind. Sie beschäftigen sich lieber mit der Business-Software und überlassen die HW-Beschaffung uns. Oder dann gibt es kantonale Verwaltungen, die ihre Informatik-Abteilungen ausgegliedert haben. Sollen wir diese Kunden, zum Beispiel eine Abraxas, nicht mehr bedienen, nur weil sie jetzt Händler geworden sind? Eine ähnliche Konstellation gibt es bei Crédit Suisse. Wo fängt der Endkunde an und wo beginnt der Händler? Diese Frage ist manchmal gar nicht einfach zu beantworten.
JS: Ein Kunde will einen kompetenten Partner – egal ob er Endkunde oder Händler ist.

ITR: Mit Ihrem Modell sind Channel-Konflikte aber fast vorprogrammiert...

RH: Nein, die Kunden vertrauen uns. Natürlich könnten wir auf die Endkunden der Händler losgehen. Aber man kennt uns. Dazu kommt, dass wir nur 12 Leute sind. Man kennt sich also ganz persönlich. Wir sagen dem Händler von Anfang an, dass wir auch Grosskunden haben. Aber an kleine Firmen liefern wir meistens nicht – so kommen wir nicht in Konflikt.
JS: Schlussendlich entscheidet der Endkunde. Diesem Druck setzen wir uns aus. Es hat schon Gespräche gegeben, wo der Händler sagte, er bestelle nicht bei uns, solange wir auch Direktgeschäfte machen.

ITR: Macht Kanyon auch Service-Geschäfte, zum Beispiel Netzwerkbau?

RH: Wir haben eine Abteilung IT-Services. Doch es ist nicht unser Fokus. Manchmal ziehen wir auch Spezialisten hinzu.
ITR: Wie verteilen sich die Umsätze von Kanyon zwischen Assemblierung / Distribution und Services?
JS: Der Bau von PCs und Servern ist unser tägliches Brot. Damit machen wir etwa die Hälfte der Umsätze. Der Rest teilt sich zwischen Services und Distribution auf. Die Distribution wollen wir nun forcieren. Damit wird auch der Systembereich wachsen.
RH: Ich denke, dass die Fusion von HP und Compaq gut für uns ist. Die Händler schauen sich nun nach Alternativen um. Und der Endkunde ist erwachsener geworden: Er weiss, was er braucht und schaut nicht mehr so sehr auf den Markennamen.
ITR: Ich glaube, dass es ganz kleine und ganz grosse Firmen leichter haben. Die Kleinen haben eine familiäre Atmosphäre, die Grossen profitieren von den «Economies of Scale». Wo liegt die kritische Grösse für Euch?
JS: Bei der Kapazität der Geschäftsleitung. Auch mit 12 Leuten müssen wir die Ohren offen halten und ein Beispiel geben. Je mehr Hierarchie-Stufen man hat, desto kritischer wird es.
RH: Bei unserer Grösse kennen wir noch jeden Kunden persönlich. Das ist eine Stärke unserer Firma. Es gibt halt immer noch viele Einkäufer die «märten» wollen. Die klassischen Einkäufer sind halt so. Wenn man 15 Leute am Orderdesk hat und der Kunde jedesmal auf jemand anderes trifft, kann man schlecht Vertrauen aufbauen.
ITR: Was halten Sie von der Offensive von Tech Data, die Händlern eine Kreditkarte zum vereinfachten Einkauf anbietet?
JS: Das könnte auch die falschen Kunden anziehen. Grundsätzlich wollten wir vielleicht auch so etwas anbieten, aber wir sind natürlich zu klein dafür. Doch ich denke, das Modell ist wohl eher eine finanztechnische Angelegenheit und hat nicht viel mit Marketing oder Qualität zu tun.

ITR: 2001 und 2002 werden schwierig. Wie gehen Sie damit um?

RH: Wir werden wohl nicht sehr wachsen. Nach den Anschlägen in den USA hinterfragen viele Kunden ihren Bedarf. Doch wir kompensieren Nachfrageschwächen mit verschiedenen Standbeinen. Wir haben Grosskunden, den Channel und die Services. Ich kann mir vorstellen, dass reine Komponentendistis jetzt in Schwierigkeiten kommen.
JS: Jetzt ist es wichtig, den Job gut zu machen. Wir haben eine Verantwortung auch gegenüber unseren Leuten.

ITR: Ist Kanyon profitabel?


JS: Zucker!

RH: Wir füllen eben keine Lager. Wir kaufen ein, wenn die Preise interessant sind und machen dann dem Kunden ein gutes Angebot.

ITR: Zum Schluss: Wieviele Stunden arbeiten Sie pro Woche?

JS: (lacht) Vor oder nach der Orbit? Sagen wir es so: Zur Zeit sind wir gerne im Geschäft.
(Interview: hc)


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