Burkhalter Networks VoIP-Strategie

Im März 2000 versprach der damalige Geschäftsführer von Burkhalter Networks, Rolf Gutbub den Schweizer VoIP-Markt aufzumischen Wo stehen die Burkhalters heute? Andreas Pulfer, Business Unit Manager bei Burkhalter, gibt Auskunft.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/09

     

Burkhalter Networks beschäftigt sich nach eigenen Aussagen bereits seit 1999 intensiv mit Angeboten verschiedenster Hersteller im Bereich VoIP. Als einer der ersten Hersteller brachte 3Com Ende 99 die VoIP-Lösung NBX100 in der Schweiz auf den Markt.
Burkhalter übernahm als Reseller für 3Com die Betreuung der Kunden und hatte somit die Möglichkeit, die neue Technologie in der Praxis auszutesten. Neben 3Com evaluierte man weitere Produkte von Herstellern wie Nortel Networks, Cisco, Siemens oder Lucent.
Das Unternehmen stellte dabei fest, dass gröbere Unterschiede bezüglich Sicherheit und Verfügbarkeit der Systeme und dem Leistungsangebot der Telefoniefunktionen existieren.

Schlechte Noten für Cisco und 3Com

Die Bewertungen der Burkhalters für Cisco und 3Com fallen nicht sehr optimistisch aus. So seien diese Hersteller heute zwar in der Lage, die VoIP-Technologie umzusetzen, hätten aber keine Erfahrung im reinen Voice-Switching-Bereich. In Bezug auf Verfügbarkeit und Leistungsumfang seien diese Systeme dem Kunden schlichtweg nicht zumutbar.
In der Telekommunikation ist eine Ausfallsicherheit von 99 Prozent unabdingbar. Unternehmen wie Coop, Manor oder Migros haben laut Burkhalter solche Systeme in einzelnen Abteilungen getestet und seien einstimmig zu dem Schluss gekommen, dass nicht alle Grundfunktionen abgedeckt werden und die nötige Sicherheit aufgrund zu vieler Abstürze nicht gewährleistet sei.
Burkhalter, als strategischer Partner von Cisco, wurde Anfang April zu Testzwecken mit Cisco-Lösungen im VoIP-Bereich ausgerüstet und hat sich dazu entschlossen, vorläufig keine Angebote zu unterbreiten resp. Kundeninstallationen zu tätigen, bis alle technischen Vorbehalte aus der Welt geschafft worden sind. Burkhalter erwartet ein kundentaugliches Modell von Cisco nicht vor Ende 2001.
3Com trifft es noch härter. Unterdessen traut man dem Unternehmen mittlerweile kaum mehr zu, die NBX100-Lösung auf den erforderlichen Entwicklungsstand zu bringen. Das kommuniziert Burkhalter auch seinen Kunden und preist gleichzeitig die IP-Lösung «Succession» von Nortel Networks an.
Das System sei bereits jetzt ausgereift, beherrsche die VoIP-Technologie und decke die Bedürfnisse vollumfänglich ab. Aus der Sicht von Burkhalter Networks sei Nortel derzeit als einziger Anbieter in der Lage, die üblichen Leistungsmerkmale einer Telefonanlage auch über IP zur Verfügung zu stellen.
Nortel Succession Solution kommt zum Beispiel in der Corner Bank Lugano (vernetzt mit Luxemburg), bei Matracom Network, bei Burkhalter selbst (Vernetzung Reinach und Zürich) und den Röntgeninstituten Basel und Liestal (3 vernetzte Standorte) zum Einsatz. Neuester Kunde soll die Gemeindeverwaltung Allschwil werden.
Deren 260’000-Franken-Projekt, das Nortel Succession Communicator, IP-Phones / Cordlessapparate, Zusatzausrüstungen wie Unified Messaging, Managementsystem, Accounting, Installation, Schulung und Dokumentation beinhaltet, soll, wenn Burkhalter den Zuschlag bekommt, Ende November den Betrieb aufnehmen.
Kunden der 3Com-Lösung NBX100 sind derzeit die Stahlton AG Frick und Zürich, Crealogix Basel und Zürich und ENA in Basel. (sk)
IT Reseller: Vor einem Jahr haben Sie sich entschieden, in den VoIP-Markt einzusteigen. Welche Erfahrungen haben Sie mit den verschiedenen Anbietern gemacht. Ist der Boom eingetreten?
Andreas Pulfer: Der Boom ist insofern eingetreten, dass immer mehr von VoIP geredet wird. Doch der Kunde ist vorsichtig, wartet erst einmal ab, checkt die verschiedenen Angebote. Wenn er VoIP einsetzen will, so derzeit allenfalls als Migrationspfad in bestehenden Systemen.
Eine Tatsache ist eben auch, dass viele Anbieter derzeit die Grundfunktionen und Kundenbedürfnisse, vor allem Verfügbarkeit und Sicherheit, noch gar nicht abdecken können. Eine gute VoIP-Anlage muss heute zum Beispiel eine Ausfallsicherheit bis zu 99% gewährleisten. Die neue Cisco-Lösung, die bei uns zu Testzwecken seit April installiert ist, weist noch technische Mängel auf.
Deshalb verzichten wir derzeit darauf, das Cisco-System anzubieten. Wir sind uns aber bei Burkhalter sicher, dass Cisco das packt. Was 3Com hingegen betrifft, so haben wir grösste Bedenken und erwägen sogar, uns aus dem Geschäft mit 3Com zurückzuziehen.

ITR: Das sieht so aus, als würden Sie sich momentan auf Nortel konzentrieren?

AP: Das stimmt. Wir haben langjährige, gute Erfahrungen mit Nortel gemacht, die Lösungen sind mehrfach im Einsatz und aus unserer Sicht sind Nortel die einzigen, für die wir derzeit die nötige Verfügbarkeit garantieren können.

ITR: Wie überzeugen Sie Ihre Kunden?

AP: Grundsätzlich klären wir einmal ab, welche Bedürfnisse der Kunde überhaupt hat. Mitunter benötigt er gar keine VoIP-Lösung, dann versuchen wir auch nicht, ihn auf VoIP zu bringen. Das wichtigste ist, dass das System, das er bei uns kauft, entwicklungsfähig ist, der Kunde also nicht in ein, zwei Jahren an Grenzen stösst. Wir denken, dass VoIP heute dort absolut richtig ist, wo vernetzte Systeme bereits vorhanden sind.
Ein Beispiel dafür sind die Röntgeninstitute Basel, drei Standorte, die an einem Ort verwaltet werden sollen. Das System wird über VoIP vernetzt, telefoniert wird aber nach wie vor «normal». Diese Version von VoIP findet am Markt bereits grosse Akzeptanz. Firmen, die vollumfänglich auf VoIP setzen, sind momentan eher noch selten.
ITR: Wieviele Leute arbeiten bei Burkhalter Schweiz für den VoIP-Bereich und welche Umsätze machen Sie mit der neuen Technologie?
AP: Was unsere Mitarbeiter betrifft, so werden im Laufe dieses Jahres alle, die die herkömmliche Telefonie betreut haben auch auf VoIP ausgebildet. Gesamthaft betrifft das ca. 10-15 Personen.
Der Umsatz von Burkhalter teilt sich in 50 Prozent im Datenbereich und 50 Prozent im Voice-Bereich. Von diesen 50 Prozent im Voice-Bereich machen wir ca. 30 Prozent Umsatz mit VoIP-Projekten, Service und Unterhalt eingeschlossen. Das heisst also, derzeit machen wir ungefähr 20 Prozent vom Gesamtumsatz mit VoIP, Tendenz steigend.

ITR: Und wie sieht es mit der Konkurrenz aus?

AP: Da wir kein Hersteller sondern Vertreiber sind, kann man nicht direkt von Konkurrenz sprechen. Natürlich schlafen unsere Mitanbieter wie Ascom oder Swisscom nicht.
Das Thema VoIP hat uns aber keine neuen, anderen Konkurrenten beschehrt. Was die Hersteller betrifft, konzentrieren wir uns auf unsere Hauptlieferanten Nortel, Cisco und Siemens. Was Cisco betrifft, so ist das ähnlich wie damals mit dem sogenannten «IBM-Syndrom».
IBM kennt man, also ist alles, was IBM, ist gut und wird gekauft. Auch Cisco ist stark und bildet die Meinung, obwohl das Produkt noch nicht hält, was es verspricht. Natürlich halten wir die Augen und Ohren am Markt offen und sollte ein neuer Anbieter auf dem Markt erscheinen, versuchen wir natürlich, den für uns zu gewinnen.
ITR: Bieten Sie auch die neue Nortel-Lösung «Business Communications Manager» an?
AP: Natürlich. Aber auch da gab es anfänglich Beanstandungen. Die erste Software-Version war eine Katastrophe, die haben wir gar nicht erst angeboten. Die neue Version, die jetzt herauskommt, sollte aber «verhebbe».
ITR: Eine letzte Frage. Wie gross schätzen Sie den VoIP-Markt in der Schweiz generell ein?
AP: Da kann ich nur schätzen. Ich denke aber was reine VoIP-Lösungen betrifft höchsten 5-10 Prozent. Ungefähr für 80 Prozent der Kunden ist aber VoIP zumindest ein Thema.
(Interview: sk)


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wie hiess im Märchen die Schwester von Hänsel?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER