Mit den Pinguinen heulen


Artikel erschienen in IT Reseller 1999/08

   

Linux hin, Open Source her: die Ankündigungen grosser Hersteller, die es in der einen oder anderen Form in den vermuteten Markt der Zukunft drängt, reissen nicht ab. Hewlett-Packard und Siemens wollen in naher Zukunft Linux auf ihren Rechnern unterstützen. Auch die Marktforschung bläst ins Linux-Horn: Bei einer Blitzumfrage von «Information Week» gaben von 166 IT-Managern grosser US-Firmen 70 Prozent an, Linux bereits einzusetzen oder den Einsatz für die nächsten 12 Monate zu planen und immerhin 30 Prozent wollen Linux als Desktop Betriebssystem benutzen oder tun dies bereits.
Bill Gates hingegen bleibt cool. Linux sei zuwenig konsistent, um wirklich eine Gefahr für Windows darzustellen und erwähnt als Beispiel die fünf verschiedenenen existierenden grafischen Benutzeroberflächen, die unter Linux laufen. Microsoft kann sich seine Gelassenheit wahrlich leisten. Warum soll der Gigant – mit einem Rekordgewinn im Rücken – nicht gemütlich warten, bis die Konkurrenz den Markt aufgebaut hat, um dann mit geballter Macht das Zepter zu übernehmen?
Ankündigungen von Produkten und zukünftigen Services sind das eine, die Marktrealität hier und heute aber eine ganz andere Sache. IT Reseller hat sich auf die Suche nach einem mutigen Schweizer VAR gemacht, der heute versucht, seine Brötchen mit Linux zu verdienen und ihn in der Person von Peter Stevens von der SFI Technology auch gefunden. Stevens’ SFI ist seit 1993 spezialisiert auf die Verwaltung von Netzwerken und die Integration von Unix-Clients. Mit dem Eigengewächs «SFI Director», einer Open-Source Client/Server-Verwaltungssoftware, lässt sich der Aufwand für die Verwaltung eines Netzwerkes – so Stevens – um bis zu 50% senken. Für den Schwenk auf Linux haben sich die Service-Anbieter von SFI ein raffiniertes Business-Modell ausgedacht. Zusammen mit dem Bülacher Unix-Hardware- und Netzwerkspezialisten Transtec AG werden potentiellen Kunden komplette Installationen oder die Migration von ganzen Netzwerken auf Linux angeboten. Zielmarkt sind Unternehmen mit Netzwerken mit 30 bis ca. 300 Clients. Der Hardware-Service (Garantieleistungen, Reparaturen) wird von einem dritten Unternehmen – NCR – zugekauft, während die SFI Konzeption, Schulung und Software-Support übernimmt.

«Das Problem ist die Akzeptanz»

Bereits seien, so Luciano Spino, Sales Manager von Transtec, konkrete Projekte in der Evaluation. So sei ein IT-Manager eines Kunden mit einem bestehenden gemischten NT/Novell-Netzwerk und ca. 250 Clients von sich aus auf Transtec zugekommen. Die Vorgabe des Kunden sei es, die Kosten (inkl. SW) auf 5000 Franken pro Client zu senken. Stevens rechnet vor: «Der HW-Preisunterschied zwischen einem Linux und einem NT-Client beträgt heute nur ca. 180 Franken. Aber bei der Software kann sich der Kunde mit einer Linux Office-Lösung bis zu 1200 Franken pro Client einsparen. Dazu kommen noch die grossen Einsparungen bei der Netzwerkverwaltung.» Stevens sieht sich heute als Pionier: «Der Linux Markt lässt sich mit dem PC-Markt anfangs 80er Jahre vergleichen. Linux-Maschinen stehen zwar überall herum, aber die Anbieter sind oft Kleinstfirmen und Linux-Anwendungen beschränken sich meist noch auf Internet-Server, Firewalls, Mail- und Fileserver. Heute fehlt uns noch die Akzeptanz bei den IT-Verantwortlichen, doch die kritische Masse ist jetzt erreicht.»
Den Linux-Markt wird es zweifellos geben und es steht ausser Frage, dass darin in naher Zukunft Geld, sehr viel Geld verdient werden werden kann. Doch oft ernten nicht die diejenigen, die gesät haben. Was ist, wenn in ein, zwei Jahren die Grossen mit geballter Marketingmacht einsteigen? Gut vorstellbar, dass die grossen Systemintegratoren abwarten, bis die mühselige Überzeugungsarbeit geleistet ist, um dann mit Unterstützung von MS und anderen einzusteigen und im grossen Stil abzusahnen. (hc)

Der virtuelle VAR

Zusammen wollen SFI, Transtec und NCR in der Schweiz sich vom aufstrebenden Linux-Markt ein rechtes Stück abschneiden. Die Zusammenarbeit zwischen dem Hardware-Lieferanten Transtec und dem Systemintegrator SFI ist in Verträgen klar geregelt.
Die Players: Transtec AG beschäftigt in der Schweiz ca. 35 Personen und erzielte 1998 einen Umsatz von 45 Mio. DM. Das Unternehmen will sich vermehrt als Hersteller (eigene Produktion in Bülach und Deutschland) positionieren. Transtec vertreibt direkt über Katalog und Web und hat für Service und Garantieleistungen NCR engagiert. Seit April ‘98 liefert der Spezialist für den Universitäts- und Unix-Markt Computer mit vorinstalliertem Linux aus. Die SFI beschäftigt heute neun Personen in Zug und ab 1.6. auch in Stettbach. Die Unix-Spezialisten verweisen auf ihre Erfahrung in der Rationalisierung von C/S-Umgebungen bei Grosskunden wie SIG, SWX (Swiss Exchange) und Ascom. SFI-Chef Stevens ist ein Anhänger des Open-Source-Modells und hat entsprechend auch den Code des SFI-Directors veröffentlicht.


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