Apple-Visionen: «Big-Bang» und digitaler Lebensstil

Apple-Chef Steve Jobs scheint trotz schleppenden Verkäufen, übervollen Lagern und Kurseinbussen seine Lust an Visionen nicht verloren zu haben.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/01

     

Apples Vordenker blieb auch nach den jüngsten Rückschlägen gewohnt unbescheiden. Zwar räumte der Apple-Boss in seiner Eröffnungsrede an der Macworld Expo in San Francisco ein: «Die letzten Monate sind für Apple und die ganze Branche sehr schwierig gewesen», fuhr aber sogleich fort, «Das Jahr 2001 wollen wir darum mit einem Big Bang beginnen».
Gemeint sind damit neue G4-Powermacs mit Taktraten bis zu 733 MHz und ein extrem dünnes, silbern glänzendes G4 Powerbook aus Titan, das allein durch sein Design Begeisterung auslöste.
«Was andere auch immer sagen, der PC, und insbesondere der Mac, ist nicht tot», rief Jobs – wie üblich in schwarzem T-Shirt und ausgebleichten Jeans – in die applaudierende Menge. Nach der grauen PC-Vorzeit waren die Jahre 1980 bis 1994 nach Jobs das eigentliche goldene Zeitalter des PC – Stichwort «Productivity». Dann prophezeiten einige, das Internet bedeute das Ende des PCs. Doch gerade das WWW brachte dem PC zwischen 1995 und der Jahrhundertwende ein zweites goldenes Zeitalter. Und wiederum, so Jobs, kamen die Kassandren, die angesichts der Kleingeräte und Mobiltelefone das Ende des PC voraussagten. Doch das Gegenteil sei der Fall, so der Apple-Boss, das dritte goldene Zeitalter fange eben erst an, das Zeitalter des «Digital Lifestyle», wo der PC oder eben der Macintosh als «Hub» für all die andern Geräte funktioniere. Nur damit, so Jobs, sind die Leute in der Lage, jene Inhalte zu kreieren, die all die Gadgets, Appliances und DVD-Player erst interessant machen.

G4-Modelle mit PowerPC 7450

Wie nach den massiven Preissenkungen nicht anders zu erwarten, stellte Jobs vier neue G4-Rechner mit 466, 533, 667 und 733 MHz vor. Drei Modelle haben standardmässig einen CD-Brenner eingebaut. Das Top-Modell verfügt über den brandneuen «Superdrive». Damit können CDs wie auch DVDs sowohl gelesen als auch beschrieben werden. Die damit gebrannten DVDs lassen sich auf jedem DVD-Player abspielen.
Die neuen Powermacs basieren auf dem PowerPC-Chip 7450. Motorola entwarf die Architektur des neuen G4 7450 mit Blick auf höhere Taktraten. Ausserdem versah man den Chip mit einer Reihe von Features, um die Gesamtleistung zu steigern. Am wichtigsten dürfte dabei die verlängerte Pipeline sein, in der die Befehle für den Prozessor vorbereitet werden.
Jobs liess es sich denn auch nicht nehmen, an der Expo einen 733 MHz-Powermac gegen einen 1,5 GigaHz-Pentium PC antreten zu lassen. Das dabei benutzte Photoshop-Beispiel sei «real world» und stamme nicht etwa von Apple, wurde versichert. Unter den Freudenschreien der Fans liess der Mac den Pentium-Rechner ziemlich alt aussehen. Jobs kommentierte trocken: «Da seht ihr, was der ganze Megahertz-Mythos wert ist. Was wirklich zählt, ist die Gesamtleistung einer Maschine.»

Neuer Grafikchip

Ausser dem langsamsten Modell sind die neuen G4 mit dem GeForce2 MX-Grafikchip von Nvidia ausgerüstet. (Im 466 er G4 findet sich der Rage 128 Pro von ATI). Der Schritt war erwartet worden. Vor allem Hardcore-Computer-Spieler schätzen den Nvidia-Chip.
Analysten halten die Annäherung an Apple für ein Zeichen, dass der Stern von Nvidia noch heller zu leuchten beginnt.
Sie bewerten die Zusammenarbeit mit Apple als ein weiteres Heranrücken des Grafikchip-Herstellers von der Westküste an den kanadischen «Top dog» ATI. ATI-Vertreter dagegen wiegeln ab: das sei ein völlig normales Verhalten von Apple. Die Mac-Bauer hätten zu den letzten PC-Machern gehört, die sich auf nur einen einzigen Grafikkarten-Hersteller abgestützt hätten.
Die 466er und 533er G4-Modelle sind ab sofort erhältlich und kosten 3299 resp. 4249 Franken. Die schnelleren Modelle sollen Ende Februar in den Handel kommen. Der 667 Powermac wird 5399 Franken kosten, der 733er mit dem Superdrive 6799. Im Apple Store wird darüber hinaus ein 533er mit zwei Prozessoren erhältlich sein.

G4 Titanium Powerbook

«Das ist der unglaublichste mobile Computer, der jemals gebaut wurde», jubelte Steve Jobs bei der Vorstellung des G4 Titanium Powerbook, «ein Supercomputer für unterwegs. Das ganz neu entwickelte Powerbook-Modell ist dünner als die bis dato besten Subnotebooks und hat ausserdem viel mehr Sex-Appeal.»
Das silbern schimmernde Gehäuse aus Titan beherbergt einen PowerPC G4-Prozessor mit bis zu 500MHz, ein 15,2 Zoll-Display, ein DVD-Laufwerk und einen Akku mit 5 Stunden Laufzeit. Dabei wiegt das neue PowerBook nur 2400 Gramm und ist gerade noch 2,45 Zentimeter dick. Apple dürfte sich wieder einmal einen Design-Preis geholt haben. Apple zielt mit dem Titanium auf Multimedia-Produzenten, die viel unterwegs sind. Ab Ende Januar erhältlich, kostet das Juwel je nach Ausstattung zwischen 4999 und 6799 Franken. (fis)

Digital Lifestyle

Was er unter «Digital Lifestyle» versteht, demontrierte Steve Jobs auf der Macworld Expo anhand von zwei Apple-Programmen: iTunes und iDVD.
iTunes ist eine einfach zu bedienende, digitale Jukebox. Sie ermöglicht es, Musikstücke von CDs zu importieren und im populären MP3-Format zu kodieren, um sie auf der Festplatte zu speichern, als Sammlung zusammenzustellen, in rhythmisch pulsierenden Bildern zu visualisieren und auf eigene Audio-CDs zu brennen. Vorläufig funktioniert das Brennen allerdings nur mit den eingebauten CD-Laufwerken in den neuen G4. Doch bald schon sollen Updates für externe CD-Brenner verfügbar sein. iTunes steht allen Mac-Anwendern kostenlos zum Herunterladen zur Verfügung (www.apple.com/itunes).
Das zweite Programm, iDVD, ermöglicht selbst Heimanwendern, schnell und unkompliziert DVDs zu produzieren. Das, meint Jobs, ist der Inbegriff des «Digital Lifestyle». Allerdings ist iDVD nur auf den Rechnern mit Superdrive vorinstalliert, da es nur mit dem Superdrive funktioniert. Wer seine eigenen DVDs brennen will, muss also recht tief in den Sack greifen. Immerhin gab Apple Vizepräsident Phil Schiller zu verstehen, der Superdrive werde später möglicherweise auch in den günstigeren G4-Modellen eingebaut werden.
Vorgestellt wurde ausserden die professionelle Version von iDVD, DVD Studio Pro. Damit lassen sich zusammen mit Apples Videobearbeitung Final Cut Pro professionelle DVD-Produktionen abwickeln.

Mac OS X ab 24. März erhältlich

Seit September wurden von Apple in bester Microsoft-Manier mehr als 100’000 Kopien der Mac OS X Public Beta ausgeliefert. Über 75’000 Anregungen von Anwendern und Entwicklern kamen zurück. Die Reaktionen waren laut Apple CEO Jobs grösstenteils positiv. Insbesondere sei die Stabilität, die Benutzerführung durch die neue Oberfläche Aqua, die einfache Installation und die Kompatibilität mit bisherigen Anwendungen gelobt worden. Der Input, versicherte Jobs, habe viel dabei geholfen, einzelne Bestandteile von Mac OS X noch zu verbessern.
Über 400 Softwarehäuser, darunter Adobe, Alias/Wavefront, Macromedia und Microsoft sollen derzeit Anwendungen für Mac OS X entwickeln. So will etwa Microsoft bereits im Herbst ihr Büropaket mac:office für OS X auf den Markt bringen. Kevin Browne, verantwortlich für Microsofts Macintosh-Abteilung: «Wir wollen den Mac-Usern zeigen, dass es nicht länger als zwei Wochen dauert, um Anwendungen zu programmieren, die auf Mac OS X laufen». Mehr als hundert Entwickler haben auf der Macworld ebenfalls Produkte für OS X angekündigt.
Mac OS X wird ab 24. März weltweit zur Verfüngung stehen und 129 Dollar kosten. Die Schweizer Preise sind noch nicht bekannt. Ab Sommer 2001 wird Mac OS X auf allen neuen Macintosh Computern als Betriebssystem vorinstalliert. Apple hat ausserdem die Verfügbarkeit von Mac OS 9.1 bekanntgegeben. Das letzte Update von Mac OS 9 soll einen sanften Übergang zu Mac OS X ermöglichen. Ab sofort ist Mac OS 9.1 über den Apple Store sowie über den Fachhandel erhältlich. Ein Update kann kostenlos heruntergeladen werden (www.apple.com/chde/macos) falls man über einen schnellen Internet-Zugang verfügt. Sonst empfiehlt es sich die CD mit dem Update zu bestellen.


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