Bei dem nun freigegebenen Source-Code handelt es sich um eine Vorversion des künftigen Staroffice 6.0. Die Weiterentwicklung liegt jetzt in den Händen der Organisation Openoffice. Der Source-Code für Windows, Linux und Solaris liegt auf deren Webserver (www.openoffice.org) bereit. Eine Variante für Mac OS X soll noch folgen.
Lizenznehmer können den Code herunterladen, um eigene, kommerzielle Versionen zu entwickeln und diese als Produkte zu verkaufen. Als Gegenleistung müssen sie sämtliche Änderungen am Code an Openoffice weitergeben und damit der Opensource-Gemeinde zugänglich machen.
Damit setzt Sun auf eine ähnliche Strategie wie AOL mit ihrem Mozilla-Projekt, das den Code für den Netscape-Browser verwaltet. Doch, jubelte der Sun Produktmanager für Groupware, Bill Roth: «Wir veröffentlichen erstmals Code in wirklich grossem Stil. Was wir freigegeben haben, ist neunmal so gross wie Mozilla.» In der Tat umfasst der 400 MB grosse, in C++ geschriebene Quelltext rund neun Millionen Zeilen, die sich auf über 35’000 Dateien verteilen.
Staroffice baut auf sprachunabhängigen APIs und auf XML-basierenden Fileformaten auf, die Openoffice.org zu gegebener Zeit den zuständigen Standard-Organisationen vorlegen will. Entwicklern steht der Code seit dem 13. Oktober einerseits unter der in der Opensource-Welt üblichen GNU General Public License (GPL) zur Verfügung, oder sie unterziehen sich der Sun Industry Standard Source Licence (SISSL).
Mit dieser Politik einer zweifachen Lizenz soll der freie Zugang sowohl für die GPL-Gemeinde wie auch für Firmen gewährleistet werden, welche die GPL nicht benutzen können. Andere Opensource-Projekte wie Perl und Mozilla halten das ähnlich. Die Entwickler sollen auf diese Weise einen grossen Grad an Freiheit erhalten, ohne dass Kompatibilität und Zusammenarbeit in Frage gestellt sind.
Sun macht weiter
Trotz der Freigabe des Codes verabschiedet sich Sun nicht aus der Weiterentwicklung von Staroffice. Die Entwicklungsabteilung beteiligt sich an dem Openoffice-Projekt und will ihre künftigen Staroffice-Versionen auf Basis des veröffentlichten Codes erstellen. Da von Drittanbietern lizenzierte Komponenten wie Rechtschreibprüfung, Thesaurus und die Datenbank Adabas D nicht als Quelltext zur Verfügung stehen, bleiben diese den «offiziellen» Sun Staroffice-Versionen vorbehalten. Version 6 wird unter Windows, Linux, Solaris und Mac OS laufen.
Allerdings konnte oder mochte Roth nicht bekannt geben, wann eine kommerzielle Version von Staroffice 6 auf den Markt kommt und vertröstete auf eine Marschtabelle, die später bekannt gegeben werden soll: «Zuerst müssen wir überprüfen, wie sich die Veröffentlichung des Codes auf unseren Geschäftsprozess auswirkt.»
Gegenüber dem übermächtigen
Microsoft Office macht Sun neue Abkommen mit gleich vier namhaften Herstellern geltend, die Staroffice auf ihren Rechnern vorinstallieren wollen.
Sony, Emachines und Everex haben sich verpflichtet, Staroffice mit bestimmten Desktop-Rechnern und Notebooks auszuliefern. Gateway – Sun-Reseller auf Gegenseitigkeit – wird zumindest die PCs, die für Sun-Kunden hergestellt werden, mit dem Office-Packet ausrüsten. Und Linux-Distributor Red Hat will Staroffice seiner Linux-Version 6.2 beilegen. (fis)
Sun kann es sich leisten
Auch wenn die Office Suite von Sun gegenüber dem Marktleader MS Office bisher keine grossen Stricke zerrissen hat, kann sich Sun das Experiment Staroffice bedenkenlos leisten.
Sun Microsystems gehört zu den wenigen Unternehmen der Branche, denen es blendend geht, wie die Zahlen für das erste Quartal des neuen Geschäftsjahres belegen.
Sun konnte gegenüber dem Vergleichsquartal im Vorjahr den Gewinn um 85 Prozent auf 519 Mio. Dollar steigern, bei einem Umsatz von 5.045 Mrd. Dollar, was einer Erhöhung um 60 Prozent entspricht.
Damit setzen sich für das Unternehmen der Aufwärtstrend des vergangenen Geschäftjahres und der Gewinn zusätzlicher Marktanteile ungebrochen fort. Die Nachfrage nach Produkten, Technologien und Dienstleistungen ist, wie Sun vermeldet, in sämtlichen Regionen ungebrochen.