Wie mache ich eine IT-Firma fertig?

Das Web bietet schnelle Informationen. Neuigkeiten verbreiten sich mit Windeseile und haben ihre Folgen, ob sie der Wahrheit entsprechen oder nicht.

Artikel erschienen in IT Reseller 2000/15

   

Für den Netzwerk- und Fibre-Spezialisten Emulex aus Kalifornien war am Morgen des 25. August die Welt noch in Ordnung. Man hatte einen guten Abschluss vorzuweisen und die Aktie stand mit 113 Dollar und ein paar Zerquetschten nicht schlecht.
Kurz vor Eröffnung der Nasdaq bekam der PR-Service «Internetwire» eine Meldung, die sich in nichts von andern Mitteilungen von Emulex unterschied, und den Verantwortlichen für Investor Relations als Kontakt nannte. Pflichtgemäss verbreitete «Internetwire» die Meldung, schliesslich bezahlen die Kunden der Agentur für jede Meldung 275 Dollar. Kurz darauf meldeten die grossen Agenturen – Bloomberg, Dow Jones und CBS Market Watch – statt eines Gewinns von drei Millionen müsse Emulex für das letzte Quartal einen Verlust ausweisen. Der CEO sei zurückgetreten, und die Bilanzen der letzten Jahre würden überarbeitet.
Die Börse reagierte sofort. Panikverkäufe liessen den Kurs der Emulex-Aktie über 60 Prozent auf 42 Dollar einbrechen. Manche Börsianer sahen die Meldung als Signalzeichen für die gesamte Branche. Die Aktienkurse anderer in diesem Segment tätiger Firmen kamen ebenfalls unter Druck. Dann endlich stoppte die Nasdaq den Handel. Emulex-CEO Paul Folino hatte erklärt, dass die Meldung nicht aus seinem Haus stamme, er absolut nicht vorhabe zurückzutreten, und die Bilanzen der Firma in Ordnung seien. Die genau zum Börsenstart veröffentlichte, offiziell wirkende Nachricht war eine Fälschung. Woher sie stammte, ist nach wie vor nicht klar. Das FBI hat die Untersuchung übernommen.

Wem nützt’s?

Die Frage stellt sich, wer an einer solchen Manipulation verdient. Der Verdacht fällt zuerst auf Investoren, die grosse «short»-Positionen halten. «Short» spekulieren bedeutet im Börsenjargon, dass man nicht kauft und auf einen höheren Kurs hofft, sondern hoch stehende Aktien leiht, sie sofort verkauft und darauf spekuliert, ihr Kurs werde fallen, bevor man sie wieder kaufen und zurückgeben muss.
Bei der Emulex-Affäre hat es aber noch andere Gewinner gegeben: Wer während der Panikverkäufe zuschlug, stand nach der Wiederaufnahme des Handels gut da.
Noch während der Aussetzung gab die Nasdaq bekannt, dass keine Transaktionen aufgrund der Falschmeldung rückgängig gemacht würden.
Verlierer sind, neben dem Unternehmen, dessen Börsenkapitalisierung durch die Turbulenzen leidet, die Aktionäre, die an die Meldung glaubten. Sie mussten ohnmächtig zusehen, wie die Aktien bei der Wiederaufnahme des Handels deutlich über dem Kurs standen, zu dem sie verkauft hatten.

Verfolgung der Täter

Emulex ist nur das letzte Opfer einer ganzen Reihe von Manipulationen im Internet. Denn der raschen Verbreitung von Neuigkeiten – gefälscht oder korrekt – folgt fast immer ebenso schnell die Reaktion der Investoren. Der bekannteste Fall betraf vor einem Jahr Pairgain Technologies, einen Hersteller von DSL (Digital Subsciber Line)-Internet-Anschlüssen. Eine gefälschte Nachricht hatte besagt, die Firma stehe zum Verkauf. Ein früherer Angestellter wurde als Urheber der Falschmeldung überführt und zu fünf Jahren bedingt verurteilt. Ausserdem musste er 93’000 Dollar bezahlen.
Die Verantwortlichen in den USA geben sich überzeugt, dass sie Internet-Betrüger finden können, selbst wenn sie sich unter einer falschen Identität verstecken. Sie glauben, auch so ihre Spuren mit technischen Mitteln verfolgen können. Trotzdem ist es beängstigend, wie leicht eine Meldung ungeprüft verbreitet wird und, wenn sie erst den Weg zu einer geachteten Agentur gefunden hat, auch allgemein geglaubt wird. Trau schau wem, versuche zu überprüfen, was im Internet gemeldet wird. Falls das immer wilder grassierende Börsenfieber dazu überhaupt Zeit lässt. (fis)


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