Fraglicher Nutzen bei deutschem UMTS-Poker

Bis Redaktionsschluss des IT Reseller entwickelte sich der Poker um die UMTS-Lizenzen in Deutschland zu einem eigentlichen Nervenkrieg.

Artikel erschienen in IT Reseller 2000/14

   

Die Gebote für die zwölf Frequenzpakete der UMTS-Lizenzen in Deutschland liegen nach der 162. Runde bei 93,35 Mrd. Mark. Die beiden deutschen Bieter-Konsortien D1 und D2 versuchen nach wie vor je drei Frequenz-Blöcke zu ersteigern. Eine Entscheidung ist in den nächsten Tagen zu erwarten, doch niemand weiss, wer wie lange mithält und wann das Milliardenspiel endet.
Für eine grosse UMTS-Lizenz mit drei Frequenzen war D1 (T-Mobil) momentan bereit, über 23,2 Mrd. Mark auf den Tisch zu legen. Das ist mehr als der gesamte Börsenwert eines Konzerns wie Thyssen-Krupp.

Bedenken über die Auswirkungen

Während die ursprünglichen Erwartungen der Bundesregierung weit übertroffen werden, machen sich bei den Analysten langsam Bedenken über die Auswirkungen solcher Angebote breit. Die Experten erwarten, dass die Sieger in der nächsten Zeit grosse Anleihen aufnehmen müssen, da sie die gesamte Summe innert zehn Tagen an den Deutschen Staat abzuliefern haben. Zudem befürchten viele Analysten, dass die Bewerber die Gewinnerwartungen allzu optimistisch einschätzen. An den Börsen sind die Aktienkurse der europäischen Telecomgesellschaften daher mit den steigenden Angeboten gefallen.
Tatsächlich weiss niemand, wieviel den Konsumenten die drahtlosen Internetdienste wirklich wert sind. Lars Godell von Forrester Research, spezialisiert auf europäische Telco, wird von der «Financial Times» mit den Worten zitiert, der M-Commerce (Online-Geschäfte über das Handy), auf den alle ihre Hoffnungen setzen, werde sich für die Netzbetreiber möglicherweise nicht gerade als Killer-Applikation entpuppen. Bis 2005 würden zwar 60 Prozent der Europäer ein Handy besitzen, doch kaum mehr als die Hälfte davon auch drahtlose Internet-Dienste benutzen. Und von den 40 Prozent des Detailhandels, die dannzumal online abgewickelt werden sollen, dürfe wohl nur ein kleiner Teil auf drahtlosen Technologien basieren.

Bezahlen die Konsumenten?


Die Spekulationen der Netzbetreiber, dass die UMTS-Dienste dereinst ihre Taschen füllen würden, wird immer öfter angezweifelt. Warum sollten denn eigentlich im Internet etablierte Content-Anbieter das Geschäft plötzlich anderen überlassen? Mindestens so wahrscheinlich ist, dass Firmen mit langjähriger Erfahrung wie Yahoo oder Amazon ihre eigenen Dienste aufbauen werden. Zudem ist es angesichts der Zahl der Netze, die in den nächsten zehn Jahren entstehen sollen, eher unrealistisch, anzunehmen, dass die Betreiber in der Lage sind, daneben auch noch rasch neue Dienste aufzubauen. Ausgehend von den Erfahrungen mit der Einführung des Wireless Application Protocol WAP sind jedenfalls Probleme und Verzögerungen nicht ausgeschlossen.
Zudem könnten bei den gebotenen Riesensummen die Kosten für die drahtlosen Netze leicht ausser Kontrolle geraten und hohe Preise nach sich ziehen. Wie es Godell formuliert: «Ein Gratisfrühstück gibt es nicht - am Ende werden die Konsumenten bezahlen müssen.» (fis)


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