Fast alle VARs wollen weg von der Hardware und hin zu Dienstleistungen und Entwicklung. Wie ein moderner VAR (Value added Reseller) aussehen kann, zeigt der Startup IT Systems AG in Basel. Hardware ist Nebensache und wird möglichst günstig angeboten.
Wie alles anfing
Die Basler Ingeno Data ist eigentlich ein Apple-Spezialist. Da aber
Apple auf Serverseite nicht wirklich eine Lösung bieten kann, baute man eine NT-Abteilung auf. Die Abteilung florierte, doch so richtige Synergieeffekte mit dem Rest der Firma wollten sich nicht einstellen. Die neu gewonnenen Kunden waren meist reine NT-Kunden, so dass für das Kerngeschäft von Ingeno nichts abfiel. Zwei Mitarbeiter von Ingeno Data, Matthias Walter und Patrick Püntener, ergriffen deshalb im Frühjahr 99 die Gelegenheit und kauften die Abteilung der Ingeno Data ab.
Als glücklicher Umstand erwies sich der Kontakt mit dem Gründer von Active Net, Martin Altorfer, der als «Business Angel» beim MBO (Management Buy-Out) mit Rat, Tat und Kapital zur Seite stand. Heute sitzt Altorfer zur Freude der beiden Gründer und Geschäftsleiter im Verwaltungsrat. Matthias Walter: «Es ist gut, jemanden von aussen und mit seiner Erfahrung im Verwaltungsrat zu haben.»
Seitdem konnte IT Systems die Entwicklung ihres «Lina» File- und Kommunikationsservers selbst finanzieren. Die Dienstleistungen brachten genug ein. Das Wachstum der Firma ist rasant: In Basel sind unterdessen 12 Leute beschäftigt, in München sind es zwei. An VC (Venture Capital) habe man noch gar nicht gedacht, so Püntener und Walter: «Man muss das Geld ja auch noch brauchen.»
Der erste Schritt: Infrastruktur-Dienstleistungen
Beim MBO habe man diverse Kunden mitnehmen können, die vom ersten Tag an Geld brachten. Die Aufträge bei den bestehenden Kunden sind gewachsen, zusätzlich kamen neue Kunden übers «Buschtelefon» herein. Bis vor kurzem war es für Püntener und Walter wichtig, neue Kunden im Gleichtakt mit dem Wachstum der Mitarbeiterschar zu acquirieren. Nun soll sich das ändern. IT Systems hat seit kurzem einen Marketing-Mann und verschickt aktiv Prospekte und Dokumentationen. Püntener: «Wir wollen vom Zufallsprinzip bei der Kundengewinnung wegkommen.»
Der Verkauf von Hardware ist Teil des Infrastruktur-Geschäfts, trägt aber nur wenig zum Gewinn bei. Püntener: «Wir machen Hardware-Geschäfte mit bestehenden Kunden. Die Bestellungen kommen einfach rein. Aber wir verkaufen nicht aktiv an fremde Firmen. Wir wollen keine Debitoren-Verluste.» Ausserdem scheuen Walter und Püntener die grosse Kapitalbindung und wollen nicht «Bank spielen».
Der zweite Schritt: Dienstleistungen standardisieren
Mit dem «Lina»-Angebot (siehe Kasten) hat IT Systems den Grundstock der angebotenen Dienstleistungen (Aufbau eines Netzwerkes mit Kommunikations- und Fileserver) standardisiert. Für den Kunden hat dies gewaltige Vorteile. Die Preise sind transparent und fix. Ausserdem wollen die Gründer Kompetenz an einzelnen Orten konzentrieren. In München sitzen die Linux-Spezialisten, NT- und Windows 2000-Kompetenz wird in Basel konzentriert.
Der dritte Schritt: Software-Entwicklung
Trotz des Erfolgs als Anbieter von Infrastrukturdienstleistungen strebt IT Systems in die profitträchtigere Software-Entwicklung. Man will weg vom reinen Infrastrukturlieferanten hin zum Lieferanten von Komplettlösungen. Die Software-Entwicklung soll zum zweiten, grösseren Standbein werden, doch vorläufig wird sie noch vom Infrastrukturgeschäft «subventioniert».
IT Systems hat einige Projekte für grössere Kunden laufen, so eine datenbankgestützte Callcenter-Lösung für eine Pharma-Marketing-Firma.
Doch auch im Softwaregeschäft sollen kundenspezifische Lösungen nur ein Teil des Angebots bleiben. Unter dem Namen «IT-Channel» haben die Basler ein Auftragssystem für IT-Abteilungen entwickelt, das die Bestellprozesse abbildet. Es erlaubt die Definition von Kreditlinien für einzelne Angestellte und Routine-Bestellungen und bildet Genehmigungsvorgänge und Bestellwege ab. Produktedaten werden von den Distributoren in eine SQL-Datenbank «gesaugt». Das Produkt «IT-Channel» sei praktisch fertig, erzählt Püntener. Man werde es unter www.it-channel.ch zuerst den eigenen Kunden zur Verfügung stellen aber es auch Grossfirmen anbieten, die es auf eigenen Sites zur Beschaffung einsetzen können.
Das nächste Projekt ist in der Pipeline. IT Systems will eine Internet-Lösung für die Abbildung und Verwaltung von Service-Verträgen entwickeln. Der Kunde wird sein Service-Account sehen und Zugriff auf eine Wissensdatenbank haben. Kunden sollen kleine und oft wiederkehrende Probleme dank der Knowledge-Base selbst lösen können. Sein Service-Vertrag wird damit günstiger und IT-Systems vom wenig attraktiven 1st-Level-Support entlastet.
Der vierte Schritt: Internationalisierung
Püntener sieht einen weitgehend unerschlossenen Markt in mittelgrossen, international operierenden Firmen mit bis zu 3000 Mitarbeitern von denen es in der Schweiz eine ganze Reihe gibt. Diese seien für die grossen, multinationalen Dienstleister zu klein, hätten aber doch gerne die gleiche Betreuung und Infrastruktur an allen Standorten.
Deshalb hat IT Systems eine Schwesterfirma in München aufgebaut. Die dortigen Mitarbeiter sind an der Firma beteiligt. Der nächste Schritt soll nach Stockholm führen, wohin es persönliche Kontakte gibt. Jede der Filialen soll sich auf eigene Kompetenzen konzentrieren. Die Leute in München hätten grosse Linux-Kenntnisse, während Schweden in der Webentwicklung der Schweiz um zwei Jahre voraus sei.
Raffiniert: das Lina-Angebot
IT Systems bietet heute Kommunikations- und Datenserver auf Basis von Dell-Maschinen und Redhat-Linux zu Fixpreisen.
- Der «Lina»-Kommunikationsserver besteht aus einem
Dell Poweredge 1300, Redhat-Linux, einem Mailserver und einem ISDN-Gateway. Zusammen kostet das Paket inklusive Installation knappe 5000 Franken. Firewall (ca. 500 Franken), Proxy (ca. 300 Franken) und ein Antivirus-Paket (677 Franken) werden separat verrechnet.
- Der «Lina»-Fileserver (ebenfalls Poweredge 1300, Redhat-Linux, File- und Print-Server, Administrationstools) wird für 5280 Franken angeboten. Separat werden ein Webserver (ca 500 Franken) und Backup-Software (ca. 400 Franken) an die Kunden gebracht.
- Zusätzlich gibt es eine stärkere Maschine als Fileserver für grössere Firmen
(Poweredge 2400) für etwa 10’000 Franken (inkl. SW) und ein All-in-One-Angebot für etwas über 7000 Franken.
Dells 8x5-Onsite-Garantie ist im Angebot inklusive. 90% der Supportfälle können Remote erledigt werden, so Matthias Walter. Die niedrigen Preise für Hardware und Systemsoftware erlaubt es, dem Kunden mehrere Server für Kommunikation, als Datenserver und als Applikationsserver schmackhaft zu machen. Konflikte zwischen verschiedenen Anwendungen bleiben so aus. Ein Kunde, der zum Beispiel
Abacus auf einem NT-Server laufen hat, kommt so nicht in Versuchung selbst am Kommunikationsserver «herumzubasteln», wenn er einen neuen Release installiert.
Das Konzept ist richtig. Dem Kunden werden nicht Maschinen, sondern Funktionen (Mail, Web, zentrale Datenverwaltung) geboten. Remote-Access, Administrations-Tools und ein Backup-Konzept sind immer inbegriffen. (hc)