Die Einschränkungen des IPv4 (Internet Protokoll, Version 4) machen sich immer deutlicher bemerkbar. Am drastischsten wirken sich die Beschränkungen bei der Zuteilung von IP-Adressen aus, da täglich mehr Anwender und neue Geräte wie webfähige Handys und PDAs auf das Internet zugreifen.
Die Internet Engineering Task Force (IETF) hatte dies in den Neunzigerjahren vorausgesehen und daher bereits 1996 empfohlen, ein neues Internet Protokoll, IPv6, einzuführen, um die anstehenden Probleme zu lösen. Angegangen werden neben dem Adressmangel auch Fragen der Sicherheit, der Multimediaübertragung, des Routing und der automatischen Konfiguration. Die IETF schätzte, dass mindestens zehn Jahre für den Übergang notwendig wären. Nachdem sich mit den Ankündigungen von
Cisco und
Microsoft jetzt praktisch alle wichtigen Hersteller verpflichtet haben, das neue Protokoll zu unterstützen, dürfte IPv6 einen deutlichen Schub erhalten.
Nebeneinander verschiedener Internet-Protokolle
Obwohl immer klar war, dass IPv6 der heutigen Übertragung überlegen ist und die Einführung für Industrie und Kunden wichtig wäre, wurden manche Beschränkungen bisher mit Patches umgangen. NAT-Gateways (Network Adress Translation) etwa ermöglichen es, das Internet intern auf einer Vielzahl von Rechnern zu nutzen, während extern nur wenige Adressen belegt werden. Dies bewahrte die Unternehmen vor der Umstellung auf IPv6. Doch jetzt, wo Milliarden von netztauglichen Handys und Appliances Anschluss suchen, dürfte der Zeitpunkt kommen, wo solche Tricks nicht mehr genügen. Nicht zuletzt, weil IPv6 auch die Internet-Telefonie (VoIP) auf eine solidere Basis stellt.
Die Einführung des neuen Standards wirft allerdings noch einige Probleme auf. IPv6 basierende Server erkennen nämlich keine IPv4-Pakete, auch wenn diese physisch die gleichen Verbindungen benutzen. Die meisten Netzwerke werden daher noch über mehrere Jahre hinweg beide Protokolle nebeneinander unterstützen müssen – eine Situation, die an die Tage erinnert, als viele Unternehmen unterschiedliche Protokolle für verschiedene Netzwerke einsetzten, etwa IPX für den Unternehmens-Server und TCP/IP für das Internet. Doch schliesslich – man rechnet mit einem Zeitraum von rund zehn Jahren – dürfte IPv4 verschwunden sein und nur noch IPv6 übrig bleiben.
Bis dahin aber werden manche Netzwerkdienste auf IPv4-Servern residieren, während andere bereits auf IPv6 basieren. Es wird an den Applikationen liegen, dies zu erkennen und über das richtige Protokoll zu kommunizieren. Daher werden etwa Client/Server-Anwendungen, die heute entweder mit einer IP-Nummer oder einem Domain Name Service (DNS) konfiguriert werden können, so modifiziert werden müssen, dass sie nur noch DNS akzeptieren.
Microsoft und IPv6
Microsoft ist als einer der letzten unter den Grossen der Branche zur IPv6-Gemeinde gestossen. Jetzt hat das Unternehmen aber erklärt, die im nächsten Jahr erwartete, neue Version von Windows 2000 (Codename Whistler) werde das neue Protokoll unterstützen. Bereits heute haben MS-Entwickler die Möglichkeit, mit der «Technology Preview» (herunterzuladen von der MS Developer-Site) ihre Anwendungen provisorisch für IPv6 fit zu machen. Das IPv6-Stack und die Tools ermöglichen es, Windows 2000-Systeme über IPv6 an einen 6Bone (ein IPv6-basierendes Internet) oder an private IPv6-Netzwerke anzuschliessen. Damit lassen sich vorerst einmal Test-Applikationen entwickeln.
Bei der «Technology Preview» handelt es sich nämlich (noch) nicht um ein vollständiges Paket. Sie unterstützt die längeren 128-bit- Adressen von IPv6, die neue Adress-Konfiguration und ein «IPv6 over IPv4-Tunneling». Noch nicht enthalten sind jedoch IPsec-Authentifikation (bei IPv6 obligatorisch) und QOS (Quality of Service), was für die Übermittlung von Multimedia-Inhalten wichtig ist (siehe Kasten).
Für
Microsoft bleibt noch einiges zu tun. Ein endgültiges IPv6-Stack macht Sinn, sobald die Serveranwendungen modifiziert wurden. Backoffice Anwendungen wie Exchange 2000, Host Integration Server 2000 und SQL Server 2000 werden aber in den nächsten Monaten noch nicht Ipv6-kompatibel ausgeliefert. Bis die gesamte Microsoft-Produktlinie das neue Protokoll unterstützt, dürfte es voraussichtlich noch weitere zwei Jahre dauern. (fis)
Was kann IPv6 besser?
Die 32-bit-Adressen von IPv4 erlauben theoretisch maximal 4,3 Mia. Internet-Teilnehmer, praktisch sind es noch weniger. Mit den 128-bit-Adressen unter IPv6 wird zumindest für das nächste Jahrzehnt Abhilfe geschaffen.
m Gegensatz zu IPv4 kann IPv6 Adressen nicht nur nach dem Dynamic Host Identifcation Protocol (DHCP) zuteilen, sondern unterstützt auch einen «serverlosen» Modus, der den Administrationsaufwand verringert und ohne DHCP-Server auskommt.
QOS: IPv4 priorisiert den Multimedia-Verkehr nach der «Best Effort»-Methode - keine echte Garantie für zeitkritische Anwendungen. IPv6 ermöglicht die Identifizierung und End-to-End-Kontrolle von Datenströmen wie Internet Telefonie oder Video.
Das IPsec Protokoll, das für Virtual Private Networks (VPN) eingesetzt wird, ist in IPv6 fest integriert.