Bereits zum dritten Mal haben die Marktforscher von IDC einen Report über den europäischen IT-Channel erarbeitet, in dem sie feststellen, dass die Distribution in Europa mittlerweile zum «Big Business» wurde. Von den im letzten Jahr für Hard-, Software und Dienstleistungen ausgegeben 239 Mrd. Dollar flossen rund 45 Prozent in den indirekten Kanal. Nach dem günstigen Klima 1998/99, bedingt durch die Umstellung auf den Euro und die Y2K-Geschäfte, scheinen die Aussichten für 2000 allerdings nicht mehr ganz so rosig: Sinkende Hardware-Margen, weniger Large Accounts, kleinere IT-Projekte und nicht zuletzt der Internet-Verkauf bilden die Herausforderungen, denen sich die europäischen Distributoren in diesem Jahr stellen müssen.
Distribution im Wandel
Wenn man das erste Quartal 2000 betrachtet, zeigt sich, dass sich Verteilkanäle und -strukturen stark verändern. Der westeuropäische IT-Markt ist zwar der zweitgrösste der Welt, aber er ist auch stärker unterteilt und komplexer als die meisten anderen. So gab es hier Ende letzten Jahres 62’000 Firmen, die sich mit IT-Produkten befassten, darunter 850 Distributoren und 410 Reseller, die auf Large Accounts fokussierten. Flurbereinigungen werden nicht zu umgehen sein, wie das Beispiel CHS zeigt. Überdies werden die Unterschiede im Komponenten-, PC- und Service-Geschäft immer deutlicher:
- Im PC-Geschäft knabbern Preiskampf, sinkende Margen und die Verschiebung der Marketingbudgets der Hersteller in Richtung Direktverkauf an den bereits jetzt nicht gerade grossartigen Margen.
- Gleichzeitig bietet der wachsende Diestleistungs-Markt neue Geschäftsfelder: Da sich die führenden Service-Anbieter meist auf grosse Projekte konzentrieren, werden die zahlreichen kleineren Projekte im KMU-Markt zu einer Chance für VARs und Reseller. Die gesuchten Dienstleistungen reichen vom Desktop Management Outsourcing bis zum Data-Warehousing und zu Aufträgen aus den Bereichen Internet, Intranet, CRM, ERM und E-Commerce.
- Neue Verdienstmöglichkeiten eröffnen sich ausserdem mit Garantieerweiterungen, Telekom- und Internet-Services, Schulung und Software-Lizenzverwaltung. Auch wenn diese Dienstleistungen kaum fünf Prozent des Marktes ausmachen, sind sie für VARs attraktiv, da sie höhere Margen bei weniger Kapitaleinsatz versprechen.
Pan-europäische Organisationen?
Die kleinen und mittleren IT-Unternehmen profitieren also insbesondere bei der Software und den Dienstleistungen, während die grossen Player um internationale Präsenz und eine kritische Grösse rangeln. IDC stellt die Frage, wie wichtig denn eigentlich eine einheitliche, gesamteuropäische Organisation sei. Unbestritten ist, dass die Hersteller europäische Partner für die Logistik benötigen. Anderseits ergeben die Marktdaten keine eindeutigen Vorteile für eine pan-europäische Distribution. Sowohl die Beziehungen zu Herstellern wie Kunden bleiben lokal. Die Auflösung von eigenständigen, nationalen Stützpunkten bringt alles in allem kaum Vorteile. Von der Konzentration bei den Grossen scheinen daher vor allem mittlere Unternehmen zu profitieren und solche, die lokal gut verankert sind.
Unklare E-Strategie
Neue Player wie E-VARs und ASPs machen den VAR-Channel zu demjenigen Teil der Distribution, der sich momentan am schnellsten verändert. IDC vermutet zwar, dass sämtliche «E-Tailer» zusammen im Augenblick nicht mehr als 1,5 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaften – weniger als
Dell allein. Doch über die Hälfte der KMUs mit Internet-Zugang werden laut IDC in den kommenden zwei Jahren PCs online bestellen. Bis 2003 sollen in Westeuropa 12,5 Prozent der gesamten IT-Ausgaben über das internet fliessen. Die bisherige schwache Entwicklung ist laut IDC weniger auf mangelnde Nachfrage als auf die unklare Situation bei den Lieferanten zurückzuführen.
Die Strategie der grossen Hersteller scheint vage und verwirrend.
Ausser Dell und
Apple hat bisher kein Anbieter klare Vorstellungen für den E-Channel entwickelt. Für manche ist es offensichtlich ausgesprochen schwierig, ein Gleichgewicht zwischen direktem und indirektem Vertriebskanal zu finden. Da es in Europa die traditionellen Channel-Player meist versäumt haben, auf den Internet-Zug aufzuspringen, oder auf einen Hersteller warten, der ihnen die E-Infrastruktur finanziert, rät IDC den Herstellern, ihre Internet-Verkaufsprogramme – ob direkt oder indirekt – schnell zu realisieren.
Beziehungen nicht verspielen
Wichtig ist, dass die Hersteller den Kontakt zu E-VARs und E-Tailern suchen, ohne die Beziehung zu ihren exisitierenden Partnern zu verspielen. Mit der Förderung des E-Channels kommen deren Margen weiter unter Druck. Gleichzeitig setzen die Hardware-Hersteller immer öfter auf Multi-Channel-Modelle mit intereressanten Bedingungen für Produkte wie Server oder Speicher, während das Volumengeschäft mit tiefen Margen vorlieb nehmen muss. Drittens schliesslich haben sich die Channel-Programme näher zum Anwender verlagert und bündeln Produkte für die einzelnen Märkte.
Für die Hersteller, warnt IDC, ist dieses «mehrdimensionale» Channel-Management nicht ganz ungefährlich. Es bestehe die Gefahr, im Kernbereich Marktanteile zu vergeben zugunsten zwar höherwertiger, jedoch stärker fragmentierter Märkte, die vor allem lokal bearbeitet werden müssen. (fis)