Wirtschaft und Wissenschaft im Zwielicht der Gesellschaft

Im Kampf um Anerkennung der IT als Motor der Wirtschaft und Wissenschaft ist die Politik gefordert. Der Wohlstand unserer Gesellschaft wird von ihrer eigenen Technikfeindlichkeit gehemmt. Wie aus dem Gespräch von IT Reseller mit Jürg Gutknecht (ETH), Peter Waser (Microsoft) und Andreas Schönenberger (Google) hervorgeht, sind die Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft und der Fortschritt klemmt beim Staat.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/16

     

Was sind die Ziele Ihrer Forschung?
Jürg Gutknecht (ETH): Ich verfolge zwei Hauptziele. Eines ist ganz klar der Übergang von sequenzieller zu paralleler Programmierung, wie beispielsweise zu Mehrkern-Prozessoren. Das ist ein Paradigmenwechsel, bei dem die Forschung im Vergleich mit dem, was möglich wäre, noch in den Kinderschuhen steckt. Und natürlich bleibt immer der Traum, eine weltbewegende Erfindung zu machen.

Andreas Schönenberger (Google): Unser Kerngeschäft, die Suche, muss ständig verbessert werden. Zusätzlich gilt unsere Entwicklung dem Cloud Computing. Das heisst, dass man Service und Rechenleistung überall beziehen kann: wie Geld an einem Bankautomaten, und das wenn möglich auch mobil mit einem Handy.
Peter Waser (Microsoft): Wir wollen eine Plattform bieten für Geschäfte mit Services und Software. Cloud Computing und Client braucht es beides -für jeden Bereich das passende. Auch im Mobilmarkt steckt ein Riesenpotential, mit dem wir uns beschäftigen. Embedded Systems ist dazu ein grosser Schwerpunkt. Das Ziel heisst, Innovation zu integrieren.


Was erforschen Sie in der Schweiz?
Waser: Wir sind vor allem im Bereich Anwendungsentwicklung aktiv. Es laufen mehrere Initiativen. Wir unterstützen Entwickler auf unseren Plattformen im Bereich Hochschulen, da laufen Zusammenarbeiten in Rapperswil, in Sion und im Tessin. Dort bieten wir Kurse an - wie auch auf Partnerebene. Wir betreiben ein eigenes Entwicklungszentrum in Zürich, das in der Forschung und Entwicklung von Unified Communication tätig ist. Dies ist ein klarer Ast der Forschungseinheit in den USA und eine interessante Form der Applikationsentwicklung in der Schweiz, die später in unseren Produkten verfügbar werden.
Einen Stock höher unterstützen wir Universitäten mit Forschungsprojekten: Einerseits mit Geld, andererseits bieten wir Kontakte zu unseren Forschungsanstalten wie in Cambridge, die mit Rat und Tat aushelfen können, beispielsweise wo Stücke von Software bereits existieren. Unlängst haben wir sieben ETH-Projekte im Bereich Embedded Software ausgewählt, die breit gefächert sind. Beispielsweise fehlerimmune Systeme und Auto-Steuerungen. Dazu kommen selektive Projekte mit der EPFL im Bereich Sensor-Netzwerke.

Schönenberger: Die Forschung ist in drei Hauptbereiche eingeteilt, die wir hier bearbeiten. Einerseits wollen wir die Suchqualität sicherstellen, damit sie bei ihrer Eingabe wirklich relevante Begriffe bekommen. Die Algorithmen dahinter sind ein Riesengebilde. Sie bestehen aus 500 Millionen Variablen und 200 Milliarden Thermen. Ein anderes Gebiet sind die Geo-Produkte wie Google Earth und Maps; dies ist ein grosses Thema in der Schweiz - auch historisch (Google übernahm Endoxon, Anm. d. Red.). Dritter Bereich ist Google Apps. Wir glauben, dass sehr viele Services und Programme über das Internet gehen; da setzen auch unsere Programme an.

Worauf sind Sie besonders stolz?
Gutknecht: Aus meinem Bereich sind die Programmiersprachen-Entwicklung mit Niklaus Wirth und seinen Leuten, in neuerer Zeit auch mit Bertrand Meyer und seiner Gruppe schöne Leistungen. Programmiersprachen sind sicher eine Stärke der ETH, angefangen mit Algol, die eigentlich die erste sauber strukturierte Sprache weltweit war. Sie nahm viele der heutigen Konzepte vorweg, und führte später zu Simula und Objektorientierung. So gesehen haben die Programmiersprachen-Arbeiten an der ETH zu zwei Turing-Awards geführt: einer von Wirth selbst, und einer von Nygaard und Dahl. In der Urzeit der ETH wurden sicher Leistungen vollbracht, auf die man stolz sein kann. In neuerer Zeit sind neue Gebiete und Kompetenzen hinzugekommen, wie zum Beispiel die Algorithmen und die Kryptographie, wo die ETH international sehr gut positioniert ist. Auch Visual Computing ist international sehr renommiert. Dies schlägt sich heute in Kooperationen mit Disney-Pixar nieder, die ein Forschungslabor in Zürich errichten. Nicht zu vergessen sind schliesslich die Pionierleistungen in Bio-Informatik und allgemein in Computational Science.

Welchen Stellenwert hat die Schweizer Forschung?

Gutknecht: Einen sehr hohen Stellenwert! Wir haben nur geistige Ressourcen, die sich in intellektuellen Tätigkeiten von hochqualifizierten Leuten manifestieren. Unsere Zukunft hängt davon ab. Wir können noch Kuckucksuhren herstellen, aber das ist nicht besonders zukunftsträchtig, höchstens einträglich. Der hohe Stellenwert der Forschung ist überlebensnotwendig. Wir müssen sicherstellen, dass wir die Forschung auf diesem hohen Niveau halten können, nicht nur in IT, sondern generell. Die Schweiz ist eine der nobelpreisreichsten Nationen gemessen an der Bevölkerung, vor allem in den traditionellen Wissenschaften. Das muss so weitergehen; aber den IT-Bereich - und da muss ich meinen ehemaligen Kollegen Niklaus Wirth zitieren - müsste man als «wichtigsten postindustriellen Wissenschaftsbereich» ganz speziell fördern.

Waser: Wir glauben, dass man hier nur geschäften kann, wenn man auch in die Grundstrukturen des Forschungs- und Wissensplatzes Schweiz investiert. Im Bereich Hochschulen investieren wir beispielsweise fünf Millionen Franken, dotiert über fünf Jahre für Embedded-Software-Projekte der ETH und EPFL und einen einstelligen Millionenbetrag in selektive Projekte. Momentan entwickeln 50 Leute in Zürich. Das wollen wir auf 150 ausbauen. Wissensarbeiter sind unser Rohstoff. Wenn wir aufhören, dieses Wissen zu haben, machen wir uns abhängig von Bangalore oder irgendeiner Ortschaft. Deshalb müssen wir in die Forschung und in die Attraktivität der Informatik investieren, damit Kinder und Jugendliche IT wieder als zukunftsgerichtete und interessante Wissenschaft und Lehrtätigkeit ansehen. Wir ziehen uns sonst selbst den Boden unter den Füssen weg - auch als amerikanische Firma, in jedem Land. Beim Nachwuchs haben wir mehr Abfluss als Zufluss. Innovation kommt nicht nur von Redmond, sondern von überall. Nur wenn wir überall in die besten Köpfe investieren kriegen wir auch die besten Informatiker.


Schönenberger: Der Standort Schweiz ist für uns sehr wichtig: Wir haben in Zürich unser Emea-Hauptquartier von insgesamt 12 Forschungszentren. Es ist das Grösste von Google ausserhalb der USA. Von 2004 mit zwei Mitarbeitern sind wir mittlerweile auf über 400 gewachsen, davon ist ein Grossteil Ingenieure.

Gutknecht: Die Forschung ist nicht nur wichtig, sondern auch sehr dankbar und sendet ein positives Signal. Speziell Forschung in der Informatik: Es gibt keinen anderen Bereich, bei dem ein einzelner junger Mensch mit seinem Einsatz die Welt bewegen kann. Die Software-Entwicklung hat eine Hebelwirkung, die beliebig gross sein kann. Das gibt es sonst nirgends, in keiner Materialwissenschaft und in keiner anderen Ingenieurswissenschaft. Deshalb sind Investitionen in Informatikförderung enorm wichtig.

Schönenberger: Das ist absolut zentral. Deshalb sind von der Philosophie her unsere Produkte auch Opensource. Darum sagen wir: «Let the world innovate for you.»

Wie geht man bei Microsoft mit solchen Ideen um?
Waser: Was bei der ETH investiert wird, kann von jedem genutzt werden. Wir haben keine Opensource-Gemeinde, aber die liefern auch wieder Inputs. Wir haben viele Informationen zu unserer Software zugänglich gemacht und realisieren Produkte-Laun­ches über Betatests, dadurch fliesst viel Know-how wieder zurück. Es ist ein eingespieltes Sys­tem, das schon sehr lange funktioniert. Wir sind schon lange davon weggekommen, dass man alles in Redmond entwickeln muss und dann läufts - das ist nicht so. Natürlich muss man auch Qualitätsgarantien abgeben. Wenn ein Kunde bei uns ein Produkt kauft, kann man nicht auf gut Glück ein Programm herausgeben. Am Schluss ist es immer von uns integriert. Wir haben auch Initiativen wie den Imagine Cup. Austausch findet statt, von der einen Seite wird immer die Opensource-Gemeinde auf das Podest gehoben. Bei uns funktioniert es aber schon lange so.

Wie könnte sich der Stellenwert der Schweizer Forschung in Zukunft verändern?

Gutknecht: Es müsste bewusster sein, dass diese neue Disziplin existiert, dass sie auf eigenen Beinen steht und ihre eigene Berechtigung hat - dass es nicht nur eine Hilfswissenschaft ist. Informatik wird als Wissenschaft gar nicht richtig erkannt, das geht von der Bevölkerung über die Politik bis zu den Direktoren. Es wird immer stillschweigend angenommen: Die richtigen Wissenschaften, das sind die klassischen wie Physik, Chemie und Biologie; quasi dass die richtigen Ingenieure die Maschinen- und Elektroingenieure sind, und Informatiker haben irgend eine Hilfsfunktion. Diese Mentalität müsste man korrigieren, müsste Werbung machen. Damit die Bevölkerung, die Politiker, die Direktoren und wer auch immer sich der Tatsache bewusst wird, dass IT eigentlich die treibende Kraft hinter all den Fassaden ist, die man nicht gut sieht oder die man nicht wahrnimmt. Automatisch mit der Bewusstseinsförderung wäre damit auch die Förderung der Forschung verbunden. Man muss nicht künstlich die Bedeutung der IT fördern, sondern das Bewusstsein. Das andere kommt automatisch.

Schönenberger: Die Schweiz muss sich als Strategie überlegen, ob sie ein wichtiger Standort für ICT sein will. Das ist Chefsache, sprich: Parlament! Wenn das so ist, dann muss man sich überlegen, was man für Infrastrukturen braucht, um internationale Firmen in diesem Bereich anzuziehen. Aus unserer Sicht gibt es immer noch keinen Direktflug von Zürich nach San Francisco. Solche Überlegungen muss man auch in Betracht ziehen. Ein weiterer wichtiger Faktor sind Arbeitsbewilligungen. Wir haben eine internationale Workforce aus 50 Ländern. Man muss sicherstellen, dass diejenigen Spezialisten, die schlussendlich zum Werk an diesem Standort Schweiz beitragen, auch wirklich hierher kommen können. Wenn man es ernst meint, muss die Politik das nötige Gewicht geben. Man muss die Perspektiven schon in der Schulzeit aufzeigen, dass IT ein attraktives Berufsbild ist mit guten Karrieremöglichkeiten.


Waser: Wir reden über die Basis, auf dem unser Wohlstand baut, und das überlässt man hier einfach jemand anderem. Informatik ist kein Thema in den Schulen. Es wird ausgeschlossen. Geografie wird unterrichtet, selbst ­Biologie und Physik — dort wird eine Nähe erzeugt. Bei der Informatik fehlt die Bekanntmachung. Politik und Ausbildungsinstitutionen sind gefordert.Die Wirtschaft muss zusammenspannen. Heute macht jeder etwas für sich; das ist zwar gut, aber wenn wir uns zusammentun, könnten wir einen deutlich grösseren Hebel erzeugen.

Gutknecht: Kleines Beispiel aus eigener Erfahrung zur Abhängigkeit, in der man aufgrund Unachtsamkeit steckt. Vor 15 bis 20 Jahren hatte ich mit Universitäten in Südafrika - damals noch während der Apartheidsphase - die beste wissenschaftliche Zusammenarbeit, die ich je mit einem Land gehabt hatte. Sie wurden boykottiert von der ganzen Welt und mussten ihre Sachen von Grund auf selbst entwickeln. Sie bekamen keine Apple-Computer, keine PCs. Mit unserer Systembauforschung vermittelten wir zufälligerweise die gleiche Botschaft, wenn auch aus anderen Gründen. Aber wir wollten die Kompetenz zum Systembau von Grund auf bei uns pflegen und ausbauen. Dabei fanden wir Seelenverwandte in Südafrika; und kaum war die Apartheid zusammengebrochen, war diese Seelenverwandtschaft ironischerweise zu Ende! Alle sind zu reinen Konsumenten geworden, in völliger Abhängigkeit von den USA und vielleicht China und nehmen diese Abhängigkeit bewusst oder unbewusst in Kauf. Es war ein sichtbarer Wechsel nach dem Wunsch und der Notwendigkeit nach Unabhängigkeit. Ich sage nicht, dass man einen Boykott heraufbeschwören sollte, aber in einem gewissen Sinn kann das eine ganz heilsame Sache sein.

Sehen Sie Unabhängigkeit auch als eine Schweizer Tugend an?
Gutknecht: Es sollte so sein, das man Unabhängigkeit besitzt. Als Land, Kultur und Gesellschaft ist das eine gute Eigenschaft, die man pflegen sollte. Ich sage ja nicht, man sollte keinen Wissensaustausch betreiben oder Serviceleistungen beziehen, aber im Prinzip, wenn es hart auf hart geht, ist Unabhängigkeit eine ganz entscheidende Qualität und Tugend, die sich auszahlt. Die Schweiz sollte sich vermehrt Gewahr sein, dass sie zu fast 100 Prozent von den USA abhängt, was IT betrifft.

Waser: Das ist so! Man ist in einer anderen Position, wenn man eigenständig oder in einem gewissen Teil unabhängig ist. Was für viele nicht klar ist, und ich predige es klarerweise immer sehr deutlich: Die Abhängigkeit unseres Wohlstands und unserer Positionen, als ein Land, das nicht irgendwo ein Loch aufbuddeln kann und das Öl sprudelt. Wir generieren unseren Wohlstand, unser Leben nur aus eigener Kraft, aus eigenem Wissen und aus eigener Intelligenz. Dieser Link wird von den entscheidenden Leuten nicht gemacht und ist teilweise einfach zu weit weg.

Sind wir zu verwöhnt?
Waser: Mag sein, ja. Aber Unabhängigkeit finde ich eine gute Sache: Sie gibt Stärke. Man ist in einer ganz anderen Verhandlungsposition wenn es darum geht, in gewissen Situationen die Positionen anzuspielen, und da kann man aus meiner Sicht auch die Politik packen.

Von welchen Schweizer Errungenschaften können Unternehmen profitieren?

Waser: An Innovationskraft sind wir als Land gut, man investiert in Ausbildung, Forschung und Innovation, dass wir uns vernetzen, eng zusammenarbeiten und Regulatorien haben, die helfen. Wir haben einen liberalen Arbeitsplatz, in dem man schnell wechseln kann und manchmal auch muss. Wir sind gut und stark, davon profitieren alle Unternehmungen. Der Wille existiert bei uns, leider nicht in der Informatik - das kann sich aber auch noch ändern.

Schönenberger: Hoher Lebensstandard ist einer der Gründe, weshalb wir hier sind; das erlaubt uns die nötigen Spezialisten hierher zu bringen; ein Vorteil ist sicher auch die Anbindung ans Ausland - die könnte aber sicher noch besser sein. Die Stabilität der Politlandschaft ist für den Standort ebenso wichtig. Plus: Wir haben absolute Top-Hochschulen, davon profitieren Unternehmen im Austausch, da kann man sich sicher gegenseitig befruchten.


Gutknecht: Wichtige Errungenschaften sind wie erwähnt die Programmiersprachen-Entwicklung, die klar weltweit einen Einfluss gehabt hat. Auf der andern Seite aber auch die Entwicklung des World Wide Web, die am Cern stattfand - hier, in der Schweiz! Wenn man die Kehrseite anschaut, wie im Buch von Herrn Henger, haben wir vom Business-Standpunkt gesehen, die Chancen nicht genutzt. Ich weiss natürlich nicht, ob das wirklich stimmt, aber das wird so gesagt. Die Errungenschaften sind da, aber zumindest die geschäftsmässige Nutzung war mangelhaft. Ähnlich wie beim Xerox PARC. (schmunzelt)
Xerox hat ja bekanntlich die ganze moderne Technologie erfunden, die bis zum heutigen Tag gültig ist: Fenstertechnik, Maustechnik, WYSIWYG-Technik, Ethernet, aber geschäftsmässig haben sie keinen Nutzen daraus gezogen. So ist es auch ein wenig in der Schweiz. Ausser in Einzelfällen wie Logitech.
Auf der anderen Seite haben wir einen hohen Lebensstandard, der nicht ausschliesslich auf Risikogeschäfte abgestützt sein darf. Errungenschaften mit intellektueller Wertschöpfung sind da, aber wir müssen noch lernen, diese in einen Nutzen für die Gesellschaft umzusetzen.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Forschungszentren und Wirtschaft?

Gutknecht: Mit Microsoft pflege ich in meinem Bereich seit vielen Jahren eine sehr gute Zusammenarbeit. Angefangen vor 10 Jahren mit dem dotnet-Pilotprojekt 7 mit Redmond. Danach gab es immer wieder verschiedene Initiativen, jetzt der Microsoft Innovation Cluster. Ich bin dafür enorm dankbar, jetzt weniger wegen mir selbst und weniger wegen den Drittmitteln - die sind natürlich auch wichtig. Aber das Wichtigste ist, dass die Partnerschaft den Studenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern Türen öffnet in die Welt hinaus. Sie zeigt auch, dass wir hier Arbeit tun, die die Welt, die Leute und die führenden Firmen interessiert. Das ist hervorragend gelaufen. Mit Google ist es ganz neu: Wir haben bereits eine sehr schöne Partnerschaft in der Ausbildung und in der Lehre. Was Forschungszusammenarbeit anbelangt, hoffe ich, dass wir etwas Ähnliches aufgleisen können wie mit Microsoft. Im Fall von Google ist es zwar nicht mein eigenes Forschungsgebiet, aber ich verstehe, dass meine Kollegen sich sehr dafür einsetzen.

Es besteht noch Potential?
Mit beiden Partner, die hier im Raum sitzen, ist die Zusammenarbeit entweder schon sehr gut oder sehr vielversprechend. Es gibt auch noch andere Player: beispielsweise Pixar und IBM-Research. Mit IBM besteht eher eine lose Zusammenarbeit in IT-Sicherheitsthemen, mit SAP im Enterprise Computing. Je mehr Zusammenarbeit im Forschungs- und Entwicklungsbereich umso besser. Das wäre nur von Vorteil.


Waser: Bei uns entscheidet ein nationales Steering Commitee, das gemeinsam über die Idee entscheidet. Mit kleinen Rückfragen und Ideenaustausch kommen die Anträge gut zustande und werden von dort aus finanziert. Idee ist auch, das die ETH auch EPFL und Uni dazunehmen kann, um gemeinsam Forschung zu betreiben. Ziel ist ganz klar, einen Wissenstransfer zu generieren, für Fragen und Coaching mit Cambridge oder bis nach Redmond. Es soll ein Austausch stattfinden, der unter Umständen auch zu einem Internship führt, falls ein Student mal ein paar Monate in einem Forschungslabor bei Microsoft verbringen will. Es ist eine pragmatische, praktisch orientierte Zusammenarbeit, bei der alle versuchen, das Beste herauszuholen, sozusagen: «The greatest Bang for the Bucks.»

Schönenberger: An einer Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen, sind wir dran, unter anderem mit der ETH. Da sind wir auch schon sehr weit. Es gibt auch Mitarbeiter von uns, die Vorlesungen halten an Hochschulen und Universitäten. Dann gibt es auch viele Studenten, die bei uns die Master-Arbeit schreiben. Wir haben bei uns in Zürich auch sehr viele Internships, denen wir die Möglichkeiten geben, Google kennenzulernen und zu sehen, wie es im echten Leben ist.

Gutknecht: Wir träumen von einer noch höheren Stufe: Da gibt es ja auch die ETH-Foundation. Da haben wir noch eher wenig erreicht. Beispielsweise im Sinne von Donationen, die nicht speziell auf ein Projekt bezogen sind, wie Chair Funding. Das liegt aber primär an uns. Es müsste so sein, dass der Industriepartner einsieht, dass er davon profitieren kann. Da sind wir dran mit der ETH-Foundation.
Einen direkten Bezug zwischen Investition und Benefit haben zum Beispiel die «Excellent Scolarships». Wir würden uns wünschen, dass die Firmen, die heute laut und deutlich nach mehr qualifizierten Arbeitskräften rufen, bereit sind dafür gezielt zu inves­tieren. Mit dem internationalisierten Masterstudiengang stehen wir im Wettbewerb mit den weltbesten Universitäten, vor allem mit den USA. Auf Stufe der Stipendien für Master-Studiengänge müssen wir mithalten! Der Schweizer Steuerzahler muss die Zusammenarbeit und die Wechselwirkung mit der Industrie in der Ausbildungsfinanzierung klar erkennen. Dafür braucht es noch viel Aufklärung und Arbeit.

Schönenberger: Wir sind ja im Gespräch mit der ETH-Foundation und das ist im gesamten gesehen sicher ein Teil, wie man in Zukunft zusammenarbeiten kann.

Es sieht dieses Jahr ja wieder etwas besser aus mit ETH-Studenten.

Gutknecht: Ja, wir haben in den letzten Jahren einen erheblichen Aufwand in Sachen Aufklärung und Werbung betrieben und es ist nun ein bisschen besser. Es ist also eine Art «Return-on-Investment», welcher hoffentlich nachhält. Dank der internationalen Nachfrage am Master-Studium der Informatik kommen wir insgesamt wieder auf gewisse Studentenzahlen, die vergleichbar mit denjenigen in den guten Zeiten sind. In den Schulen wird Technik allgemein und Informatik im besonderen jedoch viel zu wenig gefördert. Da haben leider andere Kräfte gewirkt. Man müsste wohl die Lehrinhalte im Hinblick auf die «Schule der Zukunft» gründlich durchfors­ten. Herr Waser hat Geografie erwähnt, das ist noch eine harmlosere Variante. Es gibt wahrscheinlich noch schlimmere oder noch unnötigere Stoffe, die vermittelt werden.
Ein grosses Problem besteht darin, dass die Grund- und Mittelschulen die Informatik überhaupt nicht mehr propagieren oder pflegen. Wir versuchen seit einiger Zeit von unten an der Lehrplanfrage mitzuarbeiten, mit dem schönen Resultat Ergänzungsfach Informatik. Das ist ein kleiner Anfang. Im Endeffekt müsste man wohl anders ran. Zum Beispiel mit einer Studie, wie die Schule der Zukunft aussehen soll, damit die Gesellschaft überlebensfähig ist. Das müsste dann zur magischen Umsetzung der Technikfeindlichkeit in Technikfreundlichkeit führen. Wir sind bei weitem noch nicht bei der Zahl von technikorientierten Studenten, die der natürlichen Fähigkeit der Bevölkerung entspricht. Von heute 3 bis 5 Prozent müssten wir wohl auf etwa 15 Prozent kommen.

Was tun Sie gegen die tiefe Zahl von Schweizer Informatik-Studenten?

Gutknecht: Mit der Informatica08 engagieren wir uns, mit dem Tag der Informatik und der Roadshow «Fit in IT». Für uns bedeutet dies einen Riesenaufwand in einem Bereich, der nicht zu unseren Kernkompetenzen gehört. Dann gibt es Besuchstage und weitere Aktivitäten. Unter Führung der neuen Rektorin Wunderlin wird zur Zeit an der ETH ein Learning Center aufgebaut, das vor allem Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte auf Mittelschulstufe fördert. Auch mit Stiftun­gen, die substanzielle Investitionen im ICT-Bereich tätigen, wie der Haslerstiftung, arbeiten wir eng zusammen.
Mit allen haben wir Kontakt und versuchen das Beste herauszuholen. Am Ende müssen die Politiker wohl Leitplanken setzen. Wir können nur Ratschläge geben oder Vorschläge machen.

Schönenberger: Auch wir sind Sponsor der Informatica08. In deren Rahmen gab es auch einen Schülertag bei uns. Insgesamt mit 2500 Schülern, am Ende waren es fast 7000 mit Eltern. Wir wollen zeigen, wie attraktiv der IT-Beruf ist. Einer war dabei, mit 13 Jahren, der auch schon etwas Opensource entwickelt hat und in Zusammenhang mit Android verwirklichen wollte. Am Ende sagte er: «See you in ten years!»
Ein anderer Aspekt ist Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, um die Attraktivität, die Möglichkeiten und die Perspektiven eines Berufes im IT-Umfeld aufzuzeigen. Auch die 20 Prozent, die Ingenieure bei uns ihrem eigenem Projekt nachgehen können – das ist attraktiv.


Waser: Vom Kindergarten bis zur ETH und Universität sind wir überall tätig. Mit «Schlaumäuse» im Kindergarten; mit «Partners in Learning» arbeiten wir mit Schulen und der Lehrerschaft zusammen, um sie zu ermuntern, IT-Umgebungen zu bauen und zu gebrauchen. Das ist aber ein hartes Pflaster, weil man nicht immer auf offene Arme stösst. Ausserdem bieten wir Internships für Uni-Abgänger, die eine einjährige Umschulung für Informatik erhalten. Wir lassen Lehrlinge, die Informatik kennenlernen. Der Zusammenhang von Informatik und der Innovationskraft, die für unseren Wohlstand zukunftsentscheidend ist, befindet sich immer noch nicht in den Köpfen derjenigen, die die Meinungen machen, die Einfluss nehmen und die Entscheidungen fällen. Vielleicht muss man einfach mal zusammen nach Bern marschieren, um an der grossen Glocke zu läuten.

Marschiert Google auch mit?
Schönenberger: (schmunzelt) Das ist sicher eine Aufgabe der gesamten ICT-Industrie.

Waser: Es gibt ja so Gefässe, die heute existieren. Es gibt leider einen Haufen Verbände, in denen die Industrie Teil­aspekte abdeckt. Da bräuchte es eine Bereinigung. Es gibt auch Verbindungen wie E-Power, die von zwei Parlamentariern gegründet wurde und versucht, etwas zu tun. Aber es ist ein sehr langwieriger Prozess. Wenn wir andere Länder wie China und Indien anschauen, oder nur schon den ehemaligen Ostblock – wie die Gas geben auf diesen Themen, wie sie explodieren im Bereich Informatik oder auch in anderen Ingenieurwissenschaften – und wir hier so ganz beschaulich ausbrüten.

Gutknecht: In Amerika gab es seinerzeit im kalten Krieg den sogenannten Sputnik-Schock. Etwas in der Art müsste es vielleicht auch bei uns geben. Ein heilsamer Schock täte uns gut. Vielleicht kann der von China ausgehen? Ohne Schock ist es sehr schwierig, überhaupt eine signifikante Änderung zu erreichen.

Wie gehen Sie heute mit dem Mangel um?

Waser: Wir behelfen uns kurzfristig mit Ausländern. Die wollen aber auch alle irgendwann wieder nach Hause. Das kann keine Lösung für uns oder die Schweiz sein.

Schönenberger: Wir wollen internationale Workforce und beschäftigen über 50 Nationalitäten. Wir wollen aber auch engagierte Schweizer haben. Wenn man die Leute zusammenbringt, kann es nur positive Aspekte haben.

Gutknecht: Wir sollten aus der Vergangenheit lernen. (Interview Marco Rohner)


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wieviele Zwerge traf Schneewittchen im Wald?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER