Kultgerät taugt nicht für Firmen-Einsatz

Die Stilikone iPhone macht im 3G-Outfit auch den Unternehmen Avancen als Business-Gerät. Noch fehlen jedoch echte Business-Anwendungen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/16

     

Beziffern kann Andrea Brack, Pressesprecherin von Apple Schweiz, die nativen Business-Anwendungen des iPhone 3G nicht. Das sei deshalb nicht möglich, weil im eigens eingerichteten Entwicklerprogramm auch proprietäre Anwendungen zertifiziert werden, die nur in einzelnen Unternehmen eingesetzt werden. Brack betont aber, dass jetzt schon 1000 Applikationen für die iPhone-3G-Telefonierern im Appstore verfügbar sind. Dereinst werden es 1900 sein. Das Problem für Business-Anwender ist, dass darunter kaum mehr als 25 native Geschäftsanwendungen sind. Damit ist das Kultgerät noch keineswegs dort, wo es hin will. Angetreten war Apple mit dem Versprechen, in der neuen 3G-Ausführung auch zahlreiche Geschäftsanwendun­gen zu liefern und so den alteingesessenen Herstellern nicht mehr nur beim Bedienkonzept um Nasenlängen voraus zu sein. Aber punkten kann das iPhone 3G in dieser Liga nicht. Analysten von Fraunhofer ESK und Berlecon Research warnen in dem soeben vorgelegten Report «Das iPhone 2.0 im Unternehmenseinsatz» vor dem Rollout im grossen Stil.


Doch fangen wir von vorne an. Mit der endlich vorhandenen UMTS/HSDPA-Unterstützung ist Apple tatsächlich in der Gegenwart der Konkurrenten angekommen. Die Firmware iPhone 2.0 liefert nun die Voraussetzungen für den Business-Einsatz: Einen VPN-Client von Cisco und WAP2, mit dem sich ein W-Lan absichern lässt. Und als ernsthafte Alternative zu Blackberrys, Windows-Mobile- und Symbian-Geräten kommt im iPhone Microsofts Activesync zum Einsatz. Damit sind jetzt Push-E-Mail und die Anbindung an Exchange-Server möglich. Eine Adresssuche in Firmenverzeichnissen respektive in Global Adress List (GAL) gibt es ebenfalls und dann lassen sich Kontakte und der Kalender mit der Groupware Outlook auf dem PC abgleichen.

Fehlende Funktionen

Allerdings fangen hier die Einschränkungen schon an. Denn die andere Hälfte der Groupware-Anbieter, also eine Synchronisation mit Lotus Domino und Groupwise, bleibt ausgeschlossen. Ein weiterer Makel: Da nur E-Mail, Kalender und Kontakte synchronisiert werden, bleiben Aufgaben und Notizen unberücksichtigt. Und genauso wenig verfügt das iPhone über so wesentliche Funktionen für die Textverarbeitung wie das Markieren, Kopieren und Verschieben. Schmerzlich fehlen Funktionen, um Anhängsel zu speichern oder zu bearbeiten. Zudem lassen sich beim Weiterleiten oder Beantworten von Nachrichten Teile der Ursprungsnachricht nicht löschen. Auch wer sich über den riesigen integrierten Datenspeicher gefreut hat, eines der Alleinstellungsmerkmale des hippen Gerätes, wird im Geschäftseinsatz enttäuscht. Denn die bis zu 16 GByte Speicherplatz, laden eigentlich dazu ein, auf einen USB-Stick zu verzichten und die Firmendaten per iPhone zum Kunden mitzunehmen. Doch das Nadelöhr ist die Datenübertragung auf einen PC, weil für den Transfer auf dem Zielrechner eine Zusatzsoftware vorausgesetzt wird.


Bei den Business-Applikationen selbst hapert es trotz gegenteiliger Behauptungen ebenfalls. Nur wenige Drittanbieter beispielsweise von ERP- und CRM-Software unterstützen bisher das iPhone 3G. Im Appstore sind unter den verfügbaren 1000 Anwendungen nur etwa 25 native Geschäfts-Applikationen und von den grossen Herstellern erst SAP, Oracle, Sybase und die CRM-Vermieterin Salesforce.com mit Angeboten präsent. Dazu haben Software-Lieferanten wie Update Software, Demand Software Solutions, Etelos, Netsuite, Sugar-CRM und Zoho inzwischen ihre webbasierten Anwendungen an den Safari-Browser des iPhone angepasst. Das war es dann beinahe schon.

Baustelle Rollout

Und ähnlich unfertig präsentiert sich das iPhone bei der zentralen Administration. Denn die IT-Verwalter in den Unternehmen können zwar mit der «iPhone Configuration Utility» Konfigurationsprofile erstellen und verteilen, was für firmenweite Rollouts unumgänglich ist. Aber der Vorgang ist ziemlich komplex und verlangt zunächst einmal den Aufbau einer neuen Infrastruktur. Wer die für den Blackberry-Einsatz bereits unterhält, wird sich eine Parallelinfrastruktur fürs iPhone gut überlegen. Zudem ist beim BlackBerry die Softwareverteilung, Konfiguration und das Einrichten von Endgeräte-Policies komfortabel über nur eine Anwendung abzuwickeln. Apple verlangt dafür ganz ­unterschiedliche Anwendungen. Ausgerollt werden beispielsweise ActiveSync VPN oder W-Lan via «iPhone Configuration Utility». Firmenspezifische Konfigurationsprofile müssen aber über das Web oder per E-Mail verteilt werden. Die Verteilung zusätzlicher Business-Anwendungen ist dann wieder nur über den Appstore oder via iTunes abzuwickeln. Und die Löschfunktion bei Geräteverlust (Remote Wipe) sowie der Kennwortschutz müssen zunächst auf dem Exchange Server eingestellt und dann per Activesync verteilt werden. Insgesamt wird ein Rollout auf diese Weise ziemlich umständlich.


Klar, ein Kultgerät vom Kaliber des iPhone 3G muss keineswegs alles können, und Apple ist ja für den Bau «goldener Käfige» bekannt. Wie immer wurde alles weggelassen, was nicht schick ist oder schwer zu bedienen. Was geblieben ist, das erledigt das iPhone mit Bravour und Leichtigkeit. Für den Geschäftsbetrieb reicht das (noch) nicht. (Volker Richert)


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