Behandelt wie der letzte Dreck

Nicht selten handeln Vorgesetzte ethisch fragwürdig, wenn es um Entlassungen geht. Mitarbeitern wird bis zuletzt vorgegaukelt, dass ihre Stellung nicht gefährdet sei. Der Schock bei den Betroffenen kann sich negativ auf den Ruf der Firma auswirken, wenn gekündigte Mitarbeiter auf Rache sinnen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/06

     

Es gehört mit zu den unangenehmsten Pflichten eines Vorgesetzten, dass er Mitarbeiter mitunter auch entlassen muss. Das Problem dabei: Wer über Jahre eng mit einem Untergegebenen zusammengearbeitet hat und meist auch sein privates Umfeld gut kennt, dem fehlt am Ende die notwendige Distanz, wenn es darum geht, einen Angestellten vor die Tür zu setzen. Gerade mittelständische Unternehmen warten darum oft zu lange, bis sie sich zu einem solchen Schritt durchringen können. Und weil das interne Betriebsklima nicht gestört werden soll, kann es durchaus vorkommen, dass der Mitarbeiter erstmals am Tag der Kündigung davon erfährt, dass man sich von ihm trennen möchte.


Doch auch Grosskonzerne versagen in dieser Beziehung oft kläglich, obwohl man meinen könnte, dass dank einem professionellen Personal-Management alles besser geregelt wäre. Kommt beispielsweise die Direktive aus Übersee, zehn Prozent des Personals der Verkaufsabteilung abzubauen, so macht sich das Management hinter den Kulissen eifrig daran, diese Vorgaben umzusetzen, lässt aber das Verkaufsteam weiterarbeiten, als ob nichts wäre. Mitarbeitern wird deshalb nicht selten bis zuletzt vorgegaukelt, dass ihre Position gesichert sei. Keinesfalls möchte man nämlich, dass die gesamte Belegschaft verunsichert wird. Wenn dann eines Morgens ein paar Verkäufer ins Büro des Chefs zitiert werden, wo ihnen die Kündigung ausgesprochen wird, trifft es die meisten wie ein Schlag ins Gesicht.

Zwischen Schock und Wut

Perplex unterschreiben sie die Austrittspapiere, um gleich anschliessend ihre Identifikations-Ausweise, Handys, Benzinkarten und Autoschlüssel abzugeben. Damit ist die Sache aus Sicht des Arbeitgebers abgeschlossen und das Thema erledigt: Weder wird weiterführende Hilfe angeboten, geschweige denn werden Mitarbeiter weiter betreut. Wer so entlassen wird, realisiert deshalb oft erst einige Zeit später, was überhaupt geschehen ist. Dann aber fühlen sich viele verraten, verkauft und vom eigenen Chef betrogen. Trifft man Kandidaten, die so auf die Strasse gesetzt wurden, so spürt man noch Tage und Wochen danach, wie tief der Schock und die Verunsicherung sitzt.

Das vom Wissenschafter Luc Ciompi konzipierte Emotionsphasen-Modell unterstreicht diese Beobachtungen: Gemäss diesem Ciompi werden bei tiefgreifenden Veränderungen mehrere emotionale Phasen durchlaufen, die in etwa immer ähnlich ablaufen und in Stichwörtern wie folgt skizziert werden können: Schock - Leugnen - Aggression - Depression - Trauer - Abschied - Neuanfang.


Wie schnell man negative Gefühle hinter sich lassen kann und wieder offen ist für einen Neuanfang, hängt neben der eigenen Persönlichkeit auch entscheidend von der Form der Kündigung ab. Worauf also sollte man achten, wenn man sich als Arbeitgeber zu einem solch einschneidenden Schritt gezwungen sieht, und was können die Konsequenzen für Firma und Mitarbeiter sein, wenn eine Entlassung nicht sauber geplant und durchgeführt wird?

Mitarbeiter miteinbeziehen

Entlassungen werden firmenintern meistens schon wochenlang vorbereitet. Doch die Betroffenen selbst werden nur halbwegs oder gar nicht in den Prozess involviert. Da werden beispielsweise hinter dem Rücken des aktuellen Stelleninhabers potentielle Kandidaten angesprochen, der Personalchef über eine drohende Entlassungswelle in Kenntnis gesetzt oder die PR-Abteilung darum gebeten, mit gesalbten Worten den unvermeidbaren Stellenabbau der Presse plausibel zu begründen. Doch solche Massnahmen allein genügen nicht. Es wäre vielmehr Aufgabe und Pflicht des Managements, Mitarbeiter, die Gefahr laufen, ihre Stelle zu verlieren, zu informieren und ihnen auf Wunsch bei der externen Stellensuche behilflich zu sein. Damit hilft man ihnen, sich schrittweise mit der neuen Situation vertraut zu machen und ermöglicht ihnen zudem eine schnelle Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess. Nichts zu sagen und bis zuletzt zu schweigen, heisst, sich der Verantwortung als Führungskraft zu entziehen. Das ist nicht nur feige, sondern vor allem ehtisch äusserst fragwürdig.
Dass es auch anders geht, beweisen mir bekannte Sales Manager und Personalchefs, die ihre Verkäufer jeweils frühzeitig auf eine mögliche Entlassung hinweisen und sie sogar aktiv bei der Suche nach einem neuen Job unterstützen. Meist geschieht dies ohne Wissen und Einverständnis ihrer eigenen Vorgesetzten. Dass sie es wagen, sich trotzdem für ihre Mitarbeiter zu exponieren, ist deshalb umso bemerkenswerter.

Rache als Motiv

Oft realisieren Unternehmen gar nicht, was für einen negativen Einfluss nicht durchdachte und sozial unverträgliche Kündigungen auf ihren Ruf haben. Mitarbeiter, die ohne Vorwarnung gefeuert werden, schwören vielfach auf Rache. Gerade Vertriebsmitarbeiter können besonders gefährlich werden: Sie verfügen meistens über ein gutes Netzwerk und sind zu gerne bereit, Geschäftspartnern, Kunden und mitunter auch der Presse Informationen zuzuspielen. Sie nennen Namen von unfähigen Vorgesetzten, sprechen offen über das miese Betriebsklima oder von massiven Umsatzrückgängen bei strategisch wichtigen Grosskunden. Aber auch ausstehende Provisionszahlun­gen fordern sie nun kompromisslos ein. Und wenn sich beide Parteien am Ende in diesem Punkt nicht einigen können, ist der Gang vors Arbeitsgericht oft unvermeidbar.
So gelangen nach und nach Informationen an die Öffentlichkeit, die das Unternehmen nur zu gerne für sich behalten hätte. Oft dauert es Monate, wenn nicht Jahre, bis solche Negativschlagzeilen wieder korrigiert und ins rechte Licht gerückt werden können. Selbst die beste PR-Maschinerie kann da wenig ausrichten. Denn wer das Vertrauen von Kunden und Mitarbeitern einmal verspielt hat, wird es so schnell nicht wiedergewinnen.

Das nächste Mal

Viele Verkäufer messen ihren ­Arbeitszeugnissen keine Bedeutung zu. Das ist ein Fehler, der sich oft rächt. Erfahren Sie, was ein gutes Zeugnis zwingend enthalten muss und lesen Sie, wie Sie als Mitarbeiter die Qualität des Zeugnisses beeinflussen können.

Der Author

Markus Schefer (40) ist selbständiger Personalberater. ­Daneben ist der ­ausgebildete Primarlehrer Dozent für das Fach «Verkauf» an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Er verfügt über langjährige Vertriebs­erfahrung im In- und Ausland, unter anderem bei IBM und Reuters.
www.scheferpersonal.ch
markus@scheferpersonal.ch


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