Roy T. Fielding - Architekt und Stilist

Roy T. Fielding war federführend an der Erarbeitung wichtiger Internet-Protokolle beteiligt. Im Zentrum des Denkens des Chief Scientist von Day Software stehen Software-Architekturstile. Deshalb reizt es Fielding auch, bei Day zu arbeiten und seine Vorstellungen in Standardisierungsgremien einzubringen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2007/13

     

Das Leben des Chief Scientist von Day Software ist eng mit der University of California in Irvine (UCI) verbunden. Als Roy T. Fielding 1965 zur Welt kam, wurde die Uni eben gegründet. Sein Vater war dort Professor für Geographie. Roy wuchs als zweitjüngstes von vier Geschwistern auf. Nach der Highschool begann er mit dem Studium der internationalen Politik, wechselte jedoch bald zur Physik. Sein Studium schloss er mit einer Arbeit an der UCI über die Grundprinzipien der Web-Architektur ab. Der Software ­Research Group seiner Uni ist er noch immer als externer Berater verbunden.
Seit 1993 war er in der Internet Engineering Taskforce aktiv und massgeblich an Standards wie HTTP, URI und HTML beteiligt. Auserdem initiierte er Open-Source-Projekte und war Mitbegründer und erster Vorsitzender der Apache Software Foundation: «Mit Apache schufen wir den wohl erfolgreichsten HTTP-Server - ein Musterbeispiel für die globale Zusammenarbeit bei der Software-Entwicklung.»

Open Source Communities

Nach dem Studium hatte Fielding bei einer Firma gearbeitet, die sich mit ­
E-Billing beschäftigte. «Als die Dotcom-Blase platzte, waren plötzlich ­unsere sämtlichen Kunden bankrott, und ich musste mich nach etwas ­Neuem umsehen.»
Damals lernte er David Nüscheler kennen, den CTO von Day. Das Basler Software-Unternehmen versuchte, sein Repository als Standard zu etablieren. Fielding kannte sich mit Community-Prozessen aus. 2002 wurde Days Content Repository API for Java Technology als JSR 170 (Java Specification Request) vom Java Community Process akzeptiert. Referenz-Implementation und Kompatibilitätskit wurden für das Jackrabbit-Projekt der Apache Software Foundation lizenziert. Fielding: «Damit wurde eine weltweite Zusammenarbeit möglich, wie sie nur eine Open Source Community bietet.»

Der REST des Internets

Das Internet prägte Fielding Software-Verständnis. Bereits in seiner Dissertation hatte er die Grundprinzipen für einen webgerechten Architekturstil beschrieben und sie Representational State Transfer (REST) genannt. Fielding: «Eine Architektur bildet die Abstraktion über der Implementationsebene und beschreibt die Runtime-Elemente eines Systems. Architekturstile bilden eine weitere Abstraktionsebene, welche die Einschränkungen für die einzelnen Elemente und deren Beziehungen enthält.»
Da komplexe Applikationen zunehmend in Komponenten aufgeteilt werden, gewinnen Architektur und die Architektur-Stile an Bedeutung für die Frage, wie man diese verbindet. Die Antwort findet sich für Fielding in der grössten verteilten Anwendung, die es gibt, dem Internet.
Von der IT-Industrie wurde REST ­allerdings eher ungnädig aufgenommen, obwohl - oder vielleicht gerade weil - es vollständig auf Internet-Standards basiert. Zu simpel für reale Dienste, hiess das Verdikt.

Was ist SOA?

Das Buzzword der Industrie für Web-Services hiess fortan SOA (Service Oriented Architecture). In Werbespots hatte ein Anbieter versucht, SOA zu erklären: Als Garderobe einer Frau, die ihre Kleidungsstücke beliebig kombiniert «da kann meine Frau nur lachen», spottet Fielding. Zweiter Versuch: Musiknoten, die nach Belieben umgestellt werden. Fielding: «Noch übler. So entstehen keine Symphonien, sondern Lärm.» Die einzige bildliche Darstellung, die vor Fielding Gnade findet, erklärt SOA anhand von Lego-Steinen: «Das kommt dem Problem noch am nächsten. Sie lassen sich zusammenstecken, weil sie alle das gleiche Interface haben.»
Mit Web 2.0 wurde indessen die Bedeutung von URI (Unified Resource Identification) neu bewertet. «Der Gedanke von REST steht damit wieder im Zentrum, wenn es um den Aufbau von Web-Services geht», stellt Fielding fest.
In seiner Funktion als Chief Scientist beobachtet Fielding für den Schweizer Content-Software-Spezialisten Day technologische Entwicklungen und Trends. «Was wir interessant finden oder den Wünschen und Bedürfnissen unserer Kunden entspricht, verfolgen wir weiter», sagt er. «Ausserdem bringe ich unsere Vorstellungen in die Standardisierungsgremien ein. Den Rest meiner Zeit verbringe ich mit E-Mails.»
War er nie in Versuchung, bei einer der grossen US-Software-Unternehmen anzuwerben? Fielding gibt zu, dass er sich schon mit dem Gedanken befasste. Aufgrund einer seiner Vorträge hatte Microsoft ihn gefragt, ob er nicht als Entwickler anheuern möchte. «Doch bei Microsoft glaubt man, dass Architekturstile nichts mit ihrer Arbeit zu hätten. Natürlich gibt es dort vorzügliche Entwickler, aber sie sind Programmverantwortliche. Der Chief-Software-Architekt heisst Bill Gates. Und der ist wohl mehr Business- als Software-Mann.»
Für Fielding muss der Software-Architekt stilbildend wirken. Allerdings, so Fielding, müssen Gebäude nicht nur ästhetisch sein, sondern auch stabil und bewohnbar. «Der Software-Architekt muss wohl immer auch Entwickler sein, anders geht es nicht.»
So zieht Fielding heute der Arbeit in Redmond das Basler Unternehmen Day vor. «In Europa», sagt er, «sind sich viele Leute gar nicht bewusst, wie eng der Sichtwinkel grosser US-Firmen oft ist. International ausgerichtete Unternehmen wie Day sind da sehr viel offener. Hier habe ich die Möglichkeit, mich mit Dingen zu beschäftigen, die mich wirklich interessieren.» (fis)

Roy T. Fielding

Seit er bei Day als Chief Scientist arbeitet, ist Roy T. Fielding öfter einmal in der Schweiz. «Ich mag dieses Land», sagt er, «es erinnert mich an Neuseeland.» Sich selber charakte­risiert er als neuseeländisch-irisch-­kalifornischen Strand-Vagabunden. Sein Vater kommt aus Neuseeland, die Vorfahren seiner Mutter aus Irland und er lebt in Kalifornien. Seine Jugend verbrachte er im kleinen Ort Laguna Beach. Mit seiner Frau Cheryl, einer Pianistin, wohnt er noch heute in der Nähe. «Die Busstation war mehr als eine Meile entfernt. Wir hatten wenig Geld und verbrachten unsere Tage meist am Strand. Da erwirbt man sich ein eher entspanntes Verhältnis zum Leben, zu Computern und allem anderen.»
Auf die Frage, was er auf eine einsame Insel mitnehmen würde, sagt er spontan: «Meine Frau», um nach einem kleinen Zögern beizufügen: «Und einen E-Mail-Anschluss, wenn das geht. Beim Apache-Projekt war E-Mail unsere einzige Kommunikation, bevor wir uns nach drei Jahren erstmals persönlich trafen.» Also bei aller Entspanntheit: nicht ohne meinen Computer!


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