Branchenschreck HP

In der Diskussion um missbräuchliche Spezialkonditionen melden sich nun Händler, Endkunden und ehemalige Mitarbeiter von HP zu Wort.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/09

     

Der Computerhersteller HP steht weiterhin unfreiwillig im Rampenlicht. Nach der Publikation unseres Artikels über die Abgänge von zwei HP Account Managern, die angeblich die Firma verlassen mussten, weil sie missbräuchlich Spezialkonditionen an Distributoren und Endkunden gewährt haben sollen, meldeten sich zahlreiche Exponenten auf IT Reseller Online und direkt bei der Redaktion.

Die Zeit vor...

Ein ehemaliger Account Manager der HP Personal Systems Group behauptet, dass die illegalen Praktiken mit Spezialkonditionen, wegen welchen drei HP-Händler nun vor den Richter müssen, von HP selbst ausgingen. In einem anonymen Mail schreibt er, er hätte für einen Distributor (Name der Red. bekannt) OPGs ausstellen müssen für lediglich fünf bis zehn Geräte. «Es war der pure Horror, Mobbing von seiten meines Vorgesetzten war an der Tagesordnung», kommentiert der Mann, der die Firma just zu dem Zeitpunkt verlassen hat, als HP die End User Verification einführte.
Gleiche Erfahrung hatte der Business Unit Manager (Name der Red. bekannt) eines grossen Distis gemacht: «Sogar als Disti wurde einem angeboten, gewisse Deals über sogenannte Large Bits laufen zu lassen, nur dass der Account Manager den Deal gewinnt.»

...und die Zeit nach der «Stunde Null»

Doch auch nach Einführung der laut HP rigorosen Kontrollen scheint die preisliche Willkür weiter ihren Lauf genommen zu haben. IT Reseller liegt eine Offerte eines sehr bekannten, grossen Schweizer HP-Partners an einen Endkunden vor, die aus der Zeit «danach» stammt. Im letzten Sommer bot der HP-Partner dem Kunden Server und Harddisks zu Spezialpreisen an, und dies bei einer Abnahme von einem bis zehn Stück! Ob die Ware über einen Schweizer Distributor eingekauft oder grau importiert wurde, sei dahingestellt. Aber: Drei kleine Händler müssen wegen Betrugs vor den Richter, grosse Händler gehen offenbar weiter ihren «Geschäften» nach.

Harsche Kritik von Partnern

Offenbar sehr sauer über HP ist Philip Hänni, CEO der Thalwiler CDC IT. «Was HP schon jahrelang betreibt, ist eine riesige Sauerei. Ich wünsche der gesamten HP, dass es mal so richtig knallt! Wir haben in den letzten fünf Jahren ca. 10 Mio. Franken Umsatz pro Jahr verloren. Dies durch immer dreistere Direktgeschäfte und durch dieses ewige Gemauschel mit Special Bids und Atlas-Konditionen», lässt Hänni seinem Ärger auf IT Reseller Online freien Lauf.
Und der Network Engineer Oliver Bolliger schreibt: «Muss man nun hinter jedem attraktiven Angebot von HP kriminelle Machenschaften vermuten? HP sollte dringendst ihr Preisfindungs- und Vertriebskonzept überarbeiten – sind doch Rabatte je nach Kunde und Projekt von bis zu 80 Prozent an der Tagesordnung. Wer HP nicht unter Druck setzen kann, zahlt mit Sicherheit viel zu viel.»

Endkunden enttäuscht

Die HP-Story scheint allerdings nicht nur im Channel Diskussionen ausgelöst zu haben, mischen sich doch bereits enttäuschte Endkunden in die Diskussion ein. So will beispielsweise der Lebensmittelhersteller Hügli nichts mehr von HP wissen. O-Ton von Informatikleiter Thomas Röthlisberger: «Wir haben uns jedenfalls entschieden, alle Compaq-, HP- und Dell-Produkte, unbesehen der teilweise noch laufenden Abschreibung, zu ersetzen.» Röthlisberger spricht von «erschütternden Erlebnissen mit HP- und Dell-Produkten und -Support.
Und André Grossmann, IS Manager beim Alstom-Konzern, meint: «Ein Vertriebs- und Rabattkonzept, welches solche Möglichkeiten zulässt beziehungsweise sich via Händler, Distributoren oder dem HP-Sales als Umsatzgenerator missbrauchen lässt, ist wohl kaum geeignet, sich im hartumkämpften IT-Markt zu behaupten und ernstgenommen zu werden.» Grossmann will «grosse Preisunterschiede je nach Kunde» gesehen haben. Es seien nicht nur die KMU und Kleinbetriebe, die einen unangemessenen Support bekommen, schreibt Grossmann. «Es sind auch Grossbetriebe betroffen von diesem Missstand. Dies, weil unser Konzern nicht genügend Umsatz mit HP generiert. Es wird nur dann was gemacht, wenn man HP unter Druck setzt.» (mh)

Stellungnahme von HP

Missbräuche im Zusammenhang mit Special Bids (OPG und Atlas) standen und stehen im Widerspruch zu den Geschäftsbedingungen und -grundsätzen von HP. Um Missbräuche im Zusammenhang mit Special Bids zu vermeiden und zu verfolgen, hat HP im Januar 2004 die sogenannte End User Verification eingeführt. Seit der Einführung der End User Verification hat HP ein wirkungsvolles Instrument, um noch konsequenter gegen Verletzungen von Special Bids vorzugehen. HP hat ein vitales Interesse daran, gegen Verletzungen von Special Bids vorzugehen, da die Marge durch ungerechtfertigte Spezialkonditionen geschmälert wird. HP hat nicht das geringste Interesse, Marktanteile über missbräuchliche Special Bids zu gewinnen. Da HP lokal Preishoheit hat, kann sie die Preise ihrer Produkte so festsetzen, dass sie absolut kompetitiv im Markt ist. Werden Verletzungen von Special Bids festgestellt, geht HP sowohl intern als auch extern, und zwar ohne Rücksicht auf Hierarchiestufe und Grösse, gegen die Fehlbaren vor, ohne jegliche Ausnahme. HP ergreift sämtliche Massnahmen, damit die bestehenden Verträge eingehalten werden.
Beat Welte, Leiter Public Affairs, HP Schweiz


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