Die Schweiz macht mobil

Das Geschäft mit der Mobilität läuft gut in der Schweiz. Was sind die Umsatztreiber und wo stösst man auf Barrieren? IT Reseller hat sich unter Schweizer Systemintegratoren und VARs umgehört.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/08

     

«Die rasante technologische Entwicklung hat die Vision der Konvergenz von Mobilkommunikation und PC in die Realität umgesetzt», sagt Marc-André Bumann, Produktmanager Mobile Computing beim Wiler Software-Haus EPS. Dank der heutigen Technik sind zwar eine Vielzahl neuer Anwendungen möglich. Doch es ist bereits heute zu spüren, dass einige Technologien nicht in der Geschwindigkeit den Markt durchdringen werden, wie dies teilweise von Herstellern / Providern gepredigt wird. Wie es bei UMTS geschehen ist, um nur ein Beispiel zu nennen. Die Technologien und Produkte sind zum einen oft noch nicht wirklich ausgefeilt, zum anderen besteht seitens des Kunden vielfach auch gar kein wirkliches Bedürfnis. Nach Videotelefonie beispielsweise – die einzige Anwendung, die auf die hohen Bandbreiten von UMTS zwingend angewiesen ist – verspürt der Kunde kaum Verlangen. Auch Business-Anwendungen per Handy (z.B. Börsen- oder Finanzgeschäfte) haben sich als Flop erwiesen, hierfür reichen Zuverlässigkeit und Sicherheit nicht aus (siehe Artikel Seite 31). Ebenso steht es um Mobile-Payment oder Mobile-Ticketing. Auch diese Möglichkeiten werden noch sehr wenig genutzt.

Die wirklichen Bedürfnisse

Unsere Umfrage zum Thema Mobile Computing hat vielmehr ergeben, dass der Business-Kunde in erster Linie einen kompletten, sicheren und schnellen Zugang zu all seinen Firmendaten sowie schnelle Internetzugänge jederzeit von jedem Ort aus wünscht. «Das Internet wird immer wichtiger und etabliert sich zu einer Business Critical Platform, welche aus dem täglichen Geschäft nicht mehr wegzudenken ist», sagt ein Umfrageteilnehmer, der nicht genannt werden möchte. «Die User erwarten Lösungen, welche die geographisch unabhängige Erfassung und Abfrage von Firmen- und Prozess-daten ermöglichen. Dabei sollen die Daten auf möglichst kostengünstige und effiziente Art von und zur «Zentrale» übermittelt werden können. Die zum Einsatz gelangenden Geräte sollen dabei kompakt und vor allem robust sein», so Bumann, EPS, weiter.
«Der Trend geht in Richtung handliche ‹Alles aus einem Gerät›-Devise, findet Nunzio Pantò, Leiter Marketing & Verkauf, Axept. Und Erich Helwin, Client Relationsship Executive bei Unisys, fügt an: «Die Penetration des Marktes mit mobilen Geräten beflügelt die Entwicklung entsprechender Applikationen. Allein die Tatsache, dass die Anzahl von mobilen Geräten die der netzgebundenen in praktisch allen Ländern übertroffen hat, zeigt die Entwicklung und Bedeutung des Marktes. Bald wird auch die Anzahl der Zugriffe auf das Internet mehrheitlich von mobilen Geräten aus erfolgen.» Unisys ist dabei, diverse Projekte im Mobile-Marketing-Bereich zu realisieren, worüber das Unternehmen noch in diesem Jahr genaueres kommunizieren will. Als wichtigste Faktoren für die künftige Entwicklung im Mobile Business sind zusammengefasst Daten- (Authentifizierung) und Betriebssicherheit (energieeffiziente und robuste Hardware) zu nennen.

Status quo und Umsatztreiber

«Der Preissturz macht Notebooks massenfähig», frohlockt Guido Markowitsch, CEO WMC Computersysteme & Beratung. Notebooks wurden denn auch von 63 Prozent der Befragten als der Umsatztreiber überhaupt im Mobile-Business genannt. Ob das Notebook den Desktop in Projekten ersetzt oder nicht, darüber scheiden sich die Geister. Die Antworten auf diese Frage lagen bei «fifty-fifty». «Die Nachfrage für Mobile Computing ist gross», sagt Heinz Schiess, CEO des Dübendorfer Software-Spezialisten Orca Informatik. «Konkrete Aufträge im KMU-Umfeld sind aus Kostengründen jedoch noch die Ausnahme.»
«Was viele Kunden noch zurückhält, sind zudem die doch noch relativ hohen Verbindungskosten», ergänzt Pascal Hilty vom Genfer Systemintegrator Darest Informatic. Darest Informatic ist unter anderem Partner für Officesync von Sunrise. Officesync ermöglicht den mobilen Zugriff auf Daten
im Unternehmen von aussen mittels Handy, Notebook oder PDA. Der Markt beginne langsam auf diese Anwendung anzuspringen, wie Hilty es ausdrückt. Mobile bedeutet natürlich nicht zwingend mobile Hardware oder Software für Mobilgeräte. «Mittels ASP-Lösungen können bei entsprechender Berechtigung auch fixe, dezentrale Arbeitsstationen und Umgebungen genutzt werden», fügt Bruno Seiler, Verkaufs- und Marketingleiter der Sorecogroup, an. Die Sorecogroup ist auf Portaltechnologie spezialisiert. Derzeit laufen zwei grössere Projekte unter dem Namen «E-Salaire» für die Fédération des Entreprises Romande – eine Vereinigung von 23’000 Firmen mit 110’000 Mitarbeitenden –, sowie «E-Payroll» für den Schweizer Verband der Raiffeisenbanken.
Auch Mobile-Technologien wie Wireless-LAN beispielsweise liegen hoch im Trend, wie auch Gartner letzte Woche am Mobile and Wireless Summit in London verkündete. Der Marktforscher erwartet, dass bis zum Jahr 2010 drei Milliarden Menschen mobile Dienstleistungen nutzen werden – doppelt so viele wie heute.
Schenkt man den Aussagen der Umfrageteilnehmer Glauben, läuft das Geschäft im Mobile-Bereich grundsätzlich gut. Auf die Frage nach konkreten Projekten hält man sich allerdings weitgehend bedeckt.

Schwachpunkt Security

Dem Thema Sicherheit bei Mobile Computing messen die Kunden zu wenig Wichtigkeit bei. 57 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass Sicherheitsaspekte seitens der Kunden ungenügend ernstgenommen werden. So sehen denn auch 69 Prozent der Befragten die Sorglosigkeit ihrer Kunden als grösstes Problem hinsichtlich Security im Mobile-Bereich an. Gefolgt von ungenügender technischer Realisierung (z.B. bei Authentisierung/Verschlüsselung) sowie fehlenden Gesetzen und Standards. Als Sicherheits-Schwachstellen wurden zudem der Diebstahl von Datenträgern (z.B. Memorysticks), zu komplexe Einstellungen sowie das zu grosse Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter genannt.
«Die Anwender sind nicht ausreichend über die heute verfügbaren Technologien für sichere Anwendung informiert und verfügen nicht über genügend Kompetenzen, diese richtig einzusetzen. Die Beratung stellt einen wichtigen Teil in der Implementationsplanung dar», erklärt Thomas Marfurt, Country Manager, Nortel.
Speziell im Bereich Mobile Computing stünden sich Sicherheit und Bedienerfreundlichkeit diametral gegenüber, sagt Marc-André Bumann, Produktmanager Mobile Computing, EPS. «Während die Unternehmen höchstmögliche Sicherheit wünschen, erwarten die User ein möglichst einfaches Login-Verfahren», so Bumann. Erich Helwin von Unisys sieht die Probleme in falsch aufgesetzten und nicht durchdachten Prozessen einerseits und falschem Einsatz von Technologien andererseits. Bei richtigem Design seien mobile Applikationen mindestens gleich sicher wie andere Applikationen.
Obwohl die Kunden weitestgehend auf die Sicherheit zu pfeifen scheinen, läuft das Geschäft mit Security-Lösungen im Mobile-Bereich offensichtlich blendend. Mit 57 Prozent der Nennungen stehen diese auf Platz zwei der Umsatztreiber im Geschäft mit der Mobilität.

Kaum RFID-Projekte

Obwohl Analysten RFID (Radio Frequency Identification) einen regelrechten Höhenflug voraussagen, haben 78 Prozent der Befragten noch keine RFID-Projekte realisiert oder in der Pipeline. Entgegen den allgemeinen Hype-Meldungen erachten auch nur 25 Prozent die Technologie momentan als Umsatztreiber. Noch ist RFID viel zu teuer. Eine RFID-Etikette kostet derzeit rund 15 US-Cents. Laut einer Studie der britischen Unternehmensberatung IDTechEx wird RFID erst 2020 wirklich boomen, wenn eine Etikette weniger als einen Cent kostet. Auch die Lesegeräte sind mit 2000 Dollar pro Reader für den Detailhandel schlicht unbezahlbar.
Trotzdem gibt es hie und da Projekte und Lösungen. Bison-Systems beispielsweise hat bereits an der Orbit 2001 den ersten Einkaufswagen mit RFID-ausgezeichneten Produkten vorgestellt, sagt Claudia Hürlimann, Sales Mobility bei Bison. Auch das Wiler Software-Unternehmen EPS hat bereits verschiedene Systeme für die lückenlose Rückverfolgung von Mehrweggebinden und deren Inhalte realisiert, so Marc-André Bumann. Die Thalwiler Unisys realisiert im RFID-Bereich Projekte mit Kunden wie dem US-Verteidigungsministerium oder Motorola.

Trend zu mobilem Datenzugriff

Dienstleistungen werden grossgeschrieben. 85 Prozent der Antwortenden schätzen den Stellenwert von Dienstleistungen im Mobile-Bereich als mittel bis gross ein. Ein Grossteil der Umfrageteilnehmer bietet Beratung (82%) und Implementierung (75%) sowie Support, Service und Wartung (63%) an.
Immerhin 44 Prozent der Befragten beschäftigen sich auch mit Software-Entwicklung. Den Trend zu mobilem Datenzugriff auf Unternehmensnetzwerke, der seit längerem von den Herstellern gepredigt wird, können 75 Prozent der Umfrageteilnehmer ebenfalls erkennen. Die Kundschaft zieht sich dabei durch alle Firmengrössen und alle Branchen.
«Das Geschäft mit dem mobilen Datenzugriff ist Branchen- und Unternehmensgrössen-unabhängig. Es ist vielmehr dort ein Thema, wo der Markt einer Branche stark umkämpft ist», erklärt Hansjörg Brugger, CEO Dynawell. (sk)


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