Assemblierer kämpfen ums Überleben

Das Assemblieren von PCs im Consumer-Bereich wird immer risikoreicher: Die A-Brands überschwemmen den Retail-Kanal mit Produkten zu Discountpreisen und auf dem Graumarkt lassen sich kaum mehr Einkaufsvorteile für Komponenten erzielen. Viele kleine Player bauen deshalb jetzt ihr Dienstleistungsangebot aus oder flüchten sich in Nischen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/12

     

Nach der spektakulären Implosion von On Trading ist im Januar dieses Jahres mit Computer Express ein weiterer bekannter Player von der Bildfläche verschwunden. Das Assemblierer-Sterben zeigt klar, dass das Geschäft mit selber zusammengebauten Consumer-PCs immer härter wird: «Ursprünglich waren Assemblierer entstanden, weil im Inland montierte Geräte zu attraktiveren Konditionen angeboten werden konnten», erklärt David Recher, der ehemalige Geschäftsführer von Computer Express. Doch heute kommen die Assemblierer unter immensen Druck der A-Brands wie Medion, HP, Fujitsu Siemens, Acer und Dell. Und: Über die letzten Jahre haben sie einen weiteren entscheidenden Vorteil verloren: «Die Markenhersteller haben ihre weltweite Distribution heute weit besser unter Kontrolle. Während wir für Computer Express früher im Nahen Osten sehr günstig Komponenten auf den Graumärkten einkaufen konnten, hat sich der Importpreis im letzten Jahr fast auf dem Niveau der regulären Distribution eingependelt - und das bei minderer Qualität und weniger Garantieleistungen», erzählt Recher.

Qualitätsprobleme und integriertere Barebones

Hinzu kommt auch, dass Assemblierer vermehrt mit Qualitätsproblemen zu kämpfen haben: «Assemblierer sind heute nur noch unwesentlich günstiger als A-Brands, doch verfügen sie niemals über die gleich hohe Qualität», so Recher. Dies liege in der «Natur des Assemblings»: Weil fast jeder PC ein Unikat darstelle und Assemblierer selten grössere Serien bauen würden, könne das Zusammenspiel aller Komponenten niemals so eingehend getestet werden wie bei einer Brand-Serie. So kann es passieren, dass ein Assemblierer eine «faule Serie» erwischt. Wenn er diese Komponenten in Geräte verbaut und plötzlich in grosser Zahl Garantien leisten muss, kann dies - wie im Fall von On Trading offenbar passiert - katastrophale Folgen haben.
Eine weitere Entwicklung macht den Assemblierern das Leben schwer. Dabei geht es um den Trend zu immer höher integrierten Geräten: «Die neuen Barebones lassen nur noch eine minimale Einbaufreiheit zu. Es kommt schnell einmal zu
Kompatibilitätsproblemen», sagt Recher. Die «hauchdünnen Margen» wiederum würden keine grossen «gestalterischen Freiheiten» zulassen, wenn eine vom Kunden gewünsche Konfiguration einmal nicht funktioniere. «Man kann sagen, dass der Assemblierer-Markt zwischen vertrauensspendenden Brands zu Discountpreisen sowie dem wirklichen Fachhändler
mit seinen Highend-Services aufgerieben wird, während der Spielraum der Assemblierer durch verteuerte Komponenten und höher integrierte Barebones gleichzeitig immer mehr eingeschränkt wird», bilanziert Recher.

Kritische Grösse als Überlebensfaktor

Patrick Matzinger, Geschäftsführer des Hünenberger Komponenten- und Peripherie-Distributors Littlebit, bemerkt zum Zustand der Szene trocken: «Get big, get nice or get out». Das geflügelte Wort bringt eine Entwicklung auf den Punkt, die unübersehbar ist: «Im preisorientierten Bereich muss man heute eine bestimmte Grösse haben, um überleben zu können», so Matzinger weiter. Diese «kritische Grösse» scheinen in der Deutsch- und Westschweiz nur noch, wenige Marktteilnehmer zu besitzen: zum Beispiel Steg Computer in Littau und Top-D in Biel. Mit 31'000 abgesetzten PCs rangierte Steg in der Stückzahlen-Rangliste von Robert Weiss für das Jahr 2003 auf Rang acht - hinter den Schwergewichten HP, Dell, Acer, FujitsuSiemens, IBM, Apple und Maxdata. 120 Mitarbeiter erwirtschafteten in neun Filialen einen Umsatz von 145 Millionen Franken. Auf das Erfolgsgeheimnis von Steg angesprochen, meint Marketingleiter Amadeo Bonorva: «Angebote à la carte und ab Lager.»
Dass hier die Kleinen nicht mithalten können, versteht sich von selber - denn für solche Läger fehlt ihnen schlicht das Geld: «Nur mit Geräten
ist kein Überleben mehr drin», bemerkt Pascal Mrak von Mrak Computer trocken.

Nischen versprechen Erfolg

Der Assemblierer-Markt sei vom Wachstumsmarkt zum Verdrängungsmarkt geworden, bemerkt Matzinger von Littlebit. Dennoch: Für lokale Assemblierer würden sich immer wieder Nischen auftun. Gerade im Bereich von Gamer-PCs liessen sich lukrative Geschäfte machen, so Matzinger. «Der Gaming-Kunde geht nicht zum Retailer, denn für ihn zählt
die Lösung, die Leistung und die Flexibilität des kleinen Anbieters». Auch für Pascal Mrak ist die Szene der hartgesottenen PC-Gamer eine wichtige Zielgruppe: «Insbesondere das Geschäft mit Grafikkarten läuft gut».
Mit der Eigenmarkte Mandax hat auch Panatronic seine Assemblierer-Aktivitäten auf eine kleine Nische im Bereich der Industrie fokussiert. Zwar koordiniert die Firma auch den Zusammenbau der Interdiscount-Marke Microspot, wofür sie aber nicht das Risiko der Komponentenbeschaffung trägt: «Es handelt sich dabei um eine Art insourced assembling», präzisiert Panatronic-Gründer Claudio Cisullo. «Grundsätzlich gibt es Platz für alle im Markt», meint Cisullo weiter. Es stelle sich aber für jeden die Frage, wo er sein wolle - vor allem aber was.

Rettungsanker Dienstleistungen?

Neben der schieren Grösse und der Spezialisierung auf lukrative Nischen suchen immer mehr lokale Assemblierer ihr Glück mit Dienstleistungen. Ganz nach dem Motto: «Wenn der DVD-Brenner schon für unter 150 Franken zu haben ist, dann will ich wenigstens beim Einbau noch 30 verdienen». So setzt Mrak Computer in jüngster Zeit voll auf Services: «Wir sind daran, unser ganzes Angebot auf Dienstleistungen umzustellen», sagt Pascal Mrak: Reparaturen, Updates, DVD-Brenner einbauen, Virenentfernungen zum Pauschalpreis.
Auch für Steg sind Dienstleistungen ein zentraler Bestandteil des Erfolgs: «In jeder Filiale unterhalten wir einen technischen Kundendienst, damit der Kunde alles aus einer Hand bekommen kann», so Marketingleiter Bonorva.
Dass mit Dienstleistungen Geld verdient werden kann, weiss auch Ex-Computer-Express-Chef David Recher «Gutbetuchte Privatkunden wollen Service und sind bereit, dafür zu bezahlen.» Genau in diesem Punkt sehen viele lokale Assemblierer immer noch einen ihrer grössten Differenzierungsfaktoren gegenüber grossen Retailern wie Media Markt und Interdiscount: «Der Retailer hat seine Stärken in den Standorten und im Bewegen von grossen Volumina. Aber er hat nicht die Kompetenz und die Flexibilität eines kleinen, lokalen Assemblierers», meint Matzinger von Littlebit. Oft sei es so, dass ein Kunde seinen ersten Computer beim Retailer erwerbe: «Später sucht er automatisch den Weg zum kleinen Händler oder zum Assemblierer», meint Matzinger. Dies dürfte sich auch auf absehbare Zeit nicht ändern: «Die grossen Retailer sind aufgrund ihrer fehlenden Dynamik gar nicht in der Lage, in Sachen Dienstleistungen schnell und umfassend ausrüsten.

Zweifel sind angebracht

Für Recher sind aber Zweifel angebracht, ob Dienstleistungen als Rettungsanker für alle taugen: «Es ist nachvollziehbar, dass man jetzt die Flucht über Dienstleistungen sucht. Doch auch dieser Markt ist nur beschränkt gross. Es braucht schliesslich nicht einen Servicetechniker auf 100 Einwohner», so Recher. Ein weiteres Problem auf dem Weg zum Dienstleister sieht er auch in der Personalstruktur vieler Assemblierer: «Aus der Not des Konstendrucks heraus hat man oft eine Tugend gemacht und Quereinsteigern ohne entsprechende Ausbildungsabschlüsse eine berufliche Chance gegeben», meint Recher. Nun könne man sich aber berechtigterweise die Frage stellen, ob diese Mitarbeiter im neu definierten Dienstleistungsmarkt den fachlichen Ansprüchen, die an ausgewiesene Servicetechniker gestellt werden, genügen könnten. «Die Herausforderung wird es auf alle Fälle sein, mit dem Personal, das man hat, eine tragfähige Arzt-Patienten-Beziehung zum Kunden aufzubauen», gibt der ehemalige Computer-Express-Chef zu bedenken.

Assemblierer-Sterben: Ein alter Hut

Für Matzinger von Littlebit darf die jetzige Entwicklung im Assemblierer-Markt auch nicht überbewertet werden: «Der Markt ist vom Volumen her praktisch gleich gross wie früher. Es gibt einfach eine gewisse Konsolidierung, in der weniger Player mehr Volumen machen und einige auf der Strecke bleiben». Und: Es seien schon vor zehn Jahren zur Überraschung der ganzen Szene jene Marktteilnehmer aufgerieben worden, die ihre Prozesse und ihre Kosten nicht im Griff gehabt hätten. «Ausserdem hat es die Zyklen, in denen die A-Brands preislich sehr aggressiv waren, immer wieder gegeben», erläutert Matzinger. Es habe dann immer geheissen, dass die lokalen Assemblierer vom Aussterben bedroht seien. Diese hätten jedoch aufgrund ihrer Schnelligkeit und Flexibilität stets auf neue Nischen ausweichen können. (bor)

Konsolidierung und Konkurrenz auch im Retail

Nicht nur die lokalen Assemblierer kämpfen: In den letzten Jahren sind auch einige ehemals bedeutende Namen sang- und klanglos aus der Retail-Arena verschwunden. Von Eschenmoser und Manor spricht heute kaum mehr jemand, wenn es um Computer geht. Die grossen Namen Media Markt und Interdiscount dominieren das Geschehen fast nach Belieben.
Athena, die von Manor während Jahren in Eigenregie assemblierte Computerlinie, wurde zum Ende des vergangenen Jahres vom Markt genommen. Die Manor-Verantwortlichen hätten die Produktion eingestellt, weil sie sich nicht mit einer Marge von nur fünf Prozent zufrieden geben wollten, wie ein Insider IT Reseller erzählt: «Die waren anderes gewohnt.»
Im Desktop-Bereich versucht Fust jetzt, einen der Hauptvorteile der Assemblierer zu kopieren: Mit der «Fairtec»-Linie hat das Unternehmen einen «PC nach Mass» eingeführt. Auf einem Web-Formular kann der Kunde Ausbauwünsche angeben: «Diese dienen dann als Grundlage für ein Beratungsgespräch im Laden», erklärt Thomas Giger, Spartenleiter Media bei Fust. Man richte sich mit diesem Angebot an Kunden, die nicht so genau wissen, was sie wollten, aber dennoch nicht auf die Vorteile eines massgeschneiderten PCs verzichten möchten. Dabei gehe die Argumentation allerdings eher über den Konsumenten-Nutzen wie etwa den Einsatz für Games oder Desktop-Publishing als über technische Grössen. Die von der norddeutschen Maxdata assemblierten Fairtec-PCs werden innerhalb von drei Tagen nach Bestellungseingang geliefert. Reparaturen werden während dreier Jahre von der Garantie gedeckt. «Dieses Angebot ist für uns ein wichtiger Differenzierungsfaktor zur grossen Retail-Konkurrenz, die eigentlich nur Boxmoving macht», so Giger zu IT Reseller.


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