Pinguin im Goldrausch

Der Linux-Boom, der sich im letzten Jahr andeutete, scheint zu einem eigentlichen Goldrausch auszuarten.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2000/01

     

Den Börsengang des Distributors Red Hat im letzten August, dessen Aktien seither hoch über alle Dächer abgehoben haben, bildete des Startschuss. Den Rothüten folgte alsbald und kaum weniger erfolgreich Cobalt Networks und vor einem Monat VA Linux Systems, deren erster Tag an der Börse gleich ein Rekordhoch bedeutete. Als nächste dürften Cybernet Systems auf der Liste stehen, die den Börsengang für Februar angekündigt haben.
Obwohl die beteiligten Unternehmen und eine ganze Armee von Freiwilligen Linux gemeinsam weiter entwickeln, verschärft sich der Konkurrenzkampf unter den Linux-Firmen zusehends, da alle versuchen, weitere Marktanteile zu gewinnen. Da kommt es gelegen, dass sich die etablierte Branche jetzt ihren Anteil am Microsoft-Konkurrenzsystem sichern will und auch bereit ist, dafür zu bezahlen.

Investitionen in Millionenhöhe

Das Verhältnis von Sun zu Linux beispielsweise war lange Zeit zwiespältig. Zwar hatte man im Zusammenhang mit der Linuxunterstützung für das neu erworbene Star Office in Linuxcare investiert. Doch für Highend-Applikationen bezeichnete Sun immer das eigene Unix-System Solaris als geeigneter. Jetzt ist Sun die Beteiligung am Linux-Distributor Caldera Systems 30 Millionen Dollar wert. Die Finanzspritze für Caldera ist die bisher klarste Linux-Stellungnahme von Sun.
Wie Caldera mitteilt, steht Sun damit aber nicht allein. Zu den Geldgebern gehören auch die Netzwerkspezialistin Novell, der Thin Client-Hersteller Citrix und Santa Cruz Operation (SCO). Wie Sun ein Anbieter eines eigenen Unix-Systems, hatte sich auch SCO nur langsam für Linux erwärmt. In den letzten Monaten bietet das Unternehmen nun aber vermehrt Linux-Dienste an und hat nicht nur in Caldera, sondern auch in LinuxMall investiert.
Gar zu 50 Millionen Dollar kam der Linux-Distributor TurboLinux aus San Francisco. Das Geld stammt von einer langen Liste von Investoren. Darunter befinden sich so renommierte Namen wie Dell, BEA Systems, Seagate und Novell sowie die japanischen Giganten Toshiba und NEC. Intel hatte bereits im vergangenen Oktober eine Beteiligung an TurboLinux angekündigt, nachdem sich der Chip-Riese wie schon vorher Compaq, Novell und Oracle bei Red Hat engagiert hatte.
Das Geld für TurboLinux kommt nicht von ungefähr: Das Unternehmen entwickelte ein eigenes Produkt für den Betrieb von «Web Server Farmen». Die Technologie stösst in eine wichtige Marktlücke, ermöglicht sie doch, Dutzende, unter bestimmten Umständen sogar Hunderte von Servern, zusammenzuhängen.
Obwohl TurboLinux bisher keinen Börsengang angekündigt hat, glauben viele Analysten, dass die Investitionen ein Zeichen dafür sind, dass die IPO-Pläne der Firma langsam reif werden.

Rote Fahne über China

Während Red Hat und Caldera Systems daran sind, in die TurboLinux-Hochburg Japan zu expandieren, plant TurboLinux seinerseits, die Investitionen zu nutzen, um in Europa und Nordamerika vermehrt Fuss zu fassen. Im Fokus der Firma liegt auch China, wo nach eigenen Angaben mehr TurboLinux-Systeme verkauft wurden als Windows-Upgrades.
Aus dem Reich der Mitte stammt auch das neueste Linux-Gerücht: Laut den Yangcheng Evening News soll die chinesische Regierung die Nutzung von Windows 2000 in Regierungseinrichtungen untersagt haben und statt dessen auf Red Flag Linux setzen. Red Flag – nicht zu verwechseln mit Red Hat – ist eine von Chinesen entwickelte Linux-Distribution. Das Gerücht wurde unterdessen zwar dementiert, doch dürften auf die erfolgsverwöhnten Microsoft-Manager in China schwierigere Zeiten zukommen. Auch Red Hat hat die Gründung einer Niederlassung in China und eine spezielle Linux-Distribution angekündigt. (fis)


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