Server Based Computing als Strategie

Traver Gruen-Kennedy (Bild) ist bei Citrix «Chief Evangelist» und Vice President of Strategy. Ausserdem hat er kürzlich den Vorsitz der neugegründeten «Mobile Enterprise Alliance» (MEA) übernommen. IT Reseller unterhielt sich mit ihm über Veränderungen im Markt für Server Based Computing-Software und den Mobile Business Computing-Markt im allgemeinen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/09

     

IT Reseller: Gemäss Marktforschung gab es im letzten Jahr einen leichten Rückgang im Markt für Server Based Computing-Software. Wie lief es für Citrix?
Traver Gruen-Kennedy: Citrix hat gerade seine Ergebnisse für das erste Quartal veröffentlicht. Wir konnten acht Prozent Umsatz- und 25 Prozent Gewinnsteigerung verbuchen, und wir sahen fast überall auf der Welt Wachstum.
Davor hatten wir aber wirklich ein Jahr der Herausforderungen. Vor allem in den USA war der Mid-Size-Markt nach den Ereignissen vom 11.9.2001 und Anfang 2002 schwierig. In der zweiten Hälfte 2002 und im neuen Jahr haben wir aber in diesem Markt und in allen unseren Märkten zugelegt.

Und was bringt die nähere Zukunft?

Unsere Prognosen sind positiv. Viele Kunden beginnen zu begreifen, dass Citrix eine gute Lösung ist, wenn das IT-Budget unter Druck ist. Früher haben wir aber auch gesehen, dass Citrix eine gute Lösung ist, wenn ein Unternehmen schnell expandiert. Wir sind also sowohl in einem Markt unter Druck als auch in einem wachsenden Markt gut positioniert. Gerade in der Schweiz haben wir eine sehr starke Kunden-, Reseller- und Systemintegratorenbasis und sind sehr zuversichtlich.
Gemäss Giga Information Group hat Citrix heute noch mehr als 75 Prozent Marktanteil im Markt für Server Based Computing-Software. Da erhält man das Gefühl, dass Citrix sich eigentlich weniger in direkter Konkurrenz zu anderen Herstellern von Server Based Computing-Software befindet, sondern eher in Konkurrenz zu anderen Technologien, die ebenfalls das Desktop-Management erleichtern, z.B. Webapplikationen oder Electronic Software Delivery Tools.
Ich glaube, die Herausforderung, die Citrix meistern muss, um zu wachsen, ist, tiefer und breiter in grosse und mittelgrosse Unternehmen vorzudringen. Typischerweise kauft ein Kunde erstmals Citrix, um eine neue Applikation schnell zum Einsatz zu bringen, ohne dass man gleich die Desktops aufrüsten muss.
Nach der Implementation wird sich dann manchmal das Unternehmen als Ganzes der Möglichkeiten bewusst, und aus der taktischen Lösung, die Citrix für ein bestimmtes Problem war, wird eine viel stärkere strategische Lösung. Darum denke ich, dass es unsere Aufgabe ist, zur strategischen Plattform der Wahl für grosse und kleinere Unternehmen zu werden.
Ja, es gibt viele Technologien, die potentiell mit uns konkurrenzieren könnten. Aber es gibt keine andere Technologie auf dem Markt die eine komplette Lösung darstellt. Wir müssen also weiter innovativ bleiben und den Kunden einen substantiellen Nutzen bringen, so dass sie aus strategischen Gesichtspunkten in unsere Software-Plattform investieren.

Web-Applikationen nicht unbedingt eine Konkurrenz

Wo liegen denn heute die Gründe von Kunden, sich für Server Based Computing zu entscheiden?
Server Based Computing (SBC) wächst weiterhin, der Hauptantrieb sind die Kosten. Die Total Cost of Ownership (TCO) einer SBC-Installation kann 35% oder mehr tiefer sein, verglichen mit einem traditionellen Client-Server-Modell. Das hängt von der installierten Basis ab, zum Beispiel davon, wie alt die PCs sind.
Aber es ist nicht nur das, es ist auch die Flexibilität, die man erhält. Netzwerk-, Server-, und PC-Hardware müssen nicht weggeworfen werden, man kann weiterbenutzen, worin man bereits investiert hat. Ein weiterer Antrieb ist das Tempo, mit dem Applikationen nutzbar gemacht werden können.
Diese Business Driver für SBC gelten schon lange. Gibt es denn auch Veränderungen gegenüber früher?
Eine Veränderung ist, dass heute schon mehr als 25 Prozent der Citrix-Kunden das Deployment von Web-Applikationen in einem SBC-Modell praktizieren.
Eigentliche Web-Applikationen sah man aber doch bisher eher als Konkurrenz für das traditionelle SBC-Modell an, als die Technologie, die Programme wie Metaframe längerfristig ablösen könnte.
Ursprünglich glaubten viele IT-Manager, dass die Entwicklung vom Windows-Desktop weg und hin zu einem Web-Desktop, auf der Basis eines Browsers, gehen würde, so dass sie sich dann nicht mehr so sehr um den Desktop kümmern müssten. Heute aber, so dachten sie, haben wir noch Windows, also benutzen wir Citrix um die Windows-Applikationen in einem SBC-Modell den Usern zur Verfügung zu stellen.
Aber was sie nun gemerkt haben ist, dass die Web-Applikationen, die man vor zwei Jahren entwickelt hat, nicht den gleichen Browser und die gleichen Plugins benötigen, für die man die heutigen Web-Applikationen bauen würde. Dadurch wiederholen sich die Probleme, die man schon auf dem traditionellen PC hatte. Wer also jetzt Webapplikationen entwickeln und auf diese Art einsetzen will, müsste weiterhin die Desktops upgraden und kontinuierlich managen, und das ist ja eigentlich nicht der Zweck der Sache.
Also will man wahrscheinlich den Browser auf dem Server laufen lassen. Wenn man dazu die Metaframe- Access-Suite benutzt, kann man weiter Web-Applikationen programmieren, ohne sich darum kümmern zu müssen, dass auf allen Endgeräten genau die Browser-Version läuft, für welche die Applikation entwickelt wurde.

Mobile Business Computing und die MEA

Kommen wir zum Markt für Mobile Business Computing und zur Mobile Enterprise Alliance. Was ist der Zweck der MEA?
Die MEA ist keine Herstellervereinigung oder etwas ähnliches, sondern viel eher eine Anwendergruppe. Ihr erklärtes Ziel ist es, den Endkunden zu zeigen, was auf dem Markt vorgeht. Sie sollen sich über die besten Vorgehensweisen orientieren können und darüber, welchen Nutzen für ihr Business und welchen Return on Investment sie vom Einsatz einer mobilen Lösung erwarten können. Dabei kann es um drahtlose Anwendungen gehen, zum Beispiel aber auch um Umgebungen, wo sich Anwender von Desktop zu Desktop oder von einem Access-Punkt zum nächsten bewegen.

Also geht es hauptsächlich um Informationen, um Fallbeispiele?

Ja, die Idee ist entstanden, weil es heute noch keinen Hersteller- und Technologie-unabhängigen Ort gibt, der Business Cases über die heutigen Praktiken bereitstellt. Heute wäre es zum Beispiel recht schwierig, herauszufinden, ob im Gesundheitswesen in Zürich mobile Lösungen im Einsatz sind. Aber einen Doktor in Basel oder auch in London könnte das interessieren. Das Gleiche gilt natürlich sinngemäss für alle anderen Bereiche.
Citrix war Gründungsmitglied und Sie führen jetzt den Vorsitz der MEA. Für mobile Applikationen gibt es aber viele andere Technologien ausser SBC. Besteht nicht die Gefahr, dass die MEA als parteiisch wahrgenommen wird?
Die MEA ist keine Citrix-Organisation, und sie dreht sich nicht nur um SBC. Wir werden mit der MEA Erfolg haben, weil sie neutral ist.
Wo steht denn heute der Markt für mobile Anwendungen in Unternehmen? Die Idee schwirrt ja nun schon lange durch die Gegend, aber wenn man sich umschaut, dann sind Lösungen nicht sehr verbreitet.
Genau. Was wir als Industrie deshalb brauchen, ist eine Gruppe, die Anwendern zeigt, welche Lösungen für sie brauchbar sein könnten, und die ihnen hilft, den Kontakt zu Resellern zu finden, welche die Expertise haben, um solche Lösungen auf die Beine zu stellen. Die Mitgliedschaft ist für Enduser kostenlos, aber auch VARs, Systemintegratoren und ISVs können der MEA beitreten.
Sie müssen etwas bezahlen aber es ist nicht sehr teuer. Diese können davon profitieren, dass sie ihre Case Studies in die Datenbank bringen, ausserdem bekommen sie Zugang zu vielen Informationen und können bei einer Gemeinschaft mitmachen, die Mobility, heute noch eine Ausnahme, zur Regel machen will.

Business-Gelegenheit für VARs, SIs und Software-Häuser

VARs, SIs und Software-Häuser sind ja immer auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern, neuen Dienstleistungen für ihre Kunden. Wären mobile Lösungen für sie Ihrer Meinung nach eine Möglichkeit?
Ich glaube, sie sind eine phantastische Möglichkeit, da die Kunden vielleicht schon die Applikationen und einen Teil der benötigten Infrastruktur besitzen. Aber was ihnen fehlt, ist das Know-how, um die Applikationen für mobilen Zugang bereitzumachen, oder wenn extra eine mobile Applikation gebaut werden soll, dann brauchen sie Hilfe bei der Entwicklung.
Darum glaube ich, dass mobile Lösungen eine grosse Gelegenheit sind, für die Kunden Zusatzdienstleistungen zu erbringen, die ihnen beinahe sofort einen zählbaren Nutzen bringen.
Was könnten denn VARs, SIs und ISVs tun, um das noch etwas unterentwickelte Business voranzutreiben?
Hier ist etwas, worüber sie sich wirklich Gedanken machen müssten: Jeder versteht Mobilität, wir alle haben schliesslich Handys und können beinahe überall mit beinahe jedem sprechen. Die Leute verstehen auch Business Computing. Das Problem ist, dass die Leute nicht so recht wissen, wie sie die beiden Dinge zusammenbringen können.
Man muss also die Business-Prozesse der Kunden genau verstehen, und herausfinden, wie man ihnen helfen kann, effizienter oder schneller zu werden oder sich besser um ihre Kunden kümmern zu können.
Bei einer dänischen Versicherungsgesellschaft ist ein CRM-System von Siebel im Einsatz. Früher mussten die Sales-Leute jeden Abend ihre Laptops abgleichen. Jetzt hat man die Laptops einfach mit einem GPRS-Modem ausgerüstet und benutzt Siebel im SBC-Modell. Das hat die Kundenzufriedenheit verbessert, die Verkäufe erhöht und nicht zuletzt den Verkäufern zu einem besseren Lifestyle verholfen. Das sind genau die Dinge, die man den Leuten verständlich machen muss.
(Interview: hjm)


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